Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Tätigkeit einer Ärztin für einen Anbieter von Gesundheitstagen - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit
Gesetze: § 7 Abs 1 SGB 4, § 7a Abs 1 S 1 SGB 4
Instanzenzug: Az: S 44 BA 528/18 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Az: L 10 BA 52/18 Urteil
Tatbestand
1Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens streitig, ob die Beigeladene zu 1. (Beigeladene) während ihrer ärztlichen Einsätze für die Klägerin am und in der Zeit vom 16. bis zum aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) unterlag.
2Die Klägerin bietet die Durchführung sog "Gesundheitstage" für Unternehmen an, die ihren Arbeitnehmern während der Arbeitszeit Untersuchungen auf bestimmte Gesundheitsrisiken ermöglichen wollen. Für den und die Zeit vom 16. bis zum vereinbarte sie unter Koordination der pronova BKK (Krankenkasse) mit der G GmbH (Kundin) ein Screening zu dem Thema "Diabetes Mellitus mittels AGE-Reader und 'Point of Care'-Gerät zur BZ-Bemessung". Dieses Angebot umfasste die Durchführung von Untersuchungen in Räumlichkeiten der Kundin durch spezialisierte Ärzte im Umfang von täglich acht Stunden, die Dokumentation der erhobenen Befunde inklusive einer anonymisierten Version für die statistische Auswertung sowie die Anlieferung und Abholung der notwendigen Untersuchungstechnik.
3Über eine von der Zeitarbeit GmbH (ZPM) betriebene Vermittlungsplattform schlossen die Klägerin und die Beigeladene für die beiden Einsätze bei der Kundin zwei Honorarverträge. Diese sahen einen Honorarstundensatz iHv 70 Euro sowie als Unterkunftspauschale tägliche Spesen iHv 40 Euro (einschließlich Berufshaftpflichtversicherung, jedoch ohne Verpflegung und Unterkunft) vor. Die angegebene Qualifikation (Assistenzarzt Innere Medizin) war spätestens bei Einsatzbeginn nachzuweisen. Ein Einsatzort für den war nicht vereinbart, er wurde nach Vertragsschluss per E-Mail zusammen mit dem Zeitrahmen konkretisiert. Mit Vertragsschluss akzeptierten die Klägerin und die Beigeladene die beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der ZPM. Danach wurden die vertraglichen Eckpunkte von der ZPM schriftlich festgelegt und vom Auftraggeber und Auftragnehmer unterzeichnet. Die Ausübung der Tätigkeit war nach diesen Bestimmungen freiberuflich und zeitlich begrenzt. Die ZPM sollte nur Identität und Qualifikation des Auftragnehmers prüfen, sie übernahm keine Haftung für die Qualität und Verfügbarkeit der vermittelten Person. Außerdem erstellte sie die Honorarrechnung und erhielt für die Vermittlung eine Provision.
4Zur Durchführung der Screenings stellte die Klägerin der Beigeladenen ein Messgerät, einen sog AGE-Reader, nebst Kurzanleitung, eine Beschreibung des Untersuchungsablaufs sowie den Erhebungsbogen zur Verfügung. Auf dieser Grundlage untersuchte die Beigeladene im streitbefangenen Zeitraum jeweils acht Stunden täglich Mitarbeitende der Kundin. Sie arbeitete dabei allein, trug eigene Berufskleidung und trat nicht als Mitarbeiterin der Klägerin auf. Die Ergebnisse übermittelte sie anonymisiert an die Klägerin, die für die Kundin eine Auswertung erstellte. Für ihre Einsätze stellte die Beigeladene der Klägerin unter Verwendung des Abrechnungsbogens der ZPM zwei Rechnungen über insgesamt 3600 Euro. Die Klägerin überwies das Honorar direkt auf das von der Beigeladenen angegebene Konto und zahlte der ZPM die Provision.
5Daneben erzielte die Beigeladene im Jahr 2013 aus honorarärztlichen Tätigkeiten für zwei Krankenhäuser Einnahmen iHv insgesamt 5315 Euro. Zudem erhielt sie ein Forschungsstipendium iHv 1750 Euro monatlich. Im Juni 2013 war sie zunächst als Praktikantin und ab August 2013 als Volontärin im Universitätsklinikum E unentgeltlich tätig.
6Die Beklagte stellte fest, dass die Beigeladene während ihrer Einsätze für die Klägerin am und vom 16. bis zum aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der GKV, sPV und GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe (Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ).
7Das SG hat der Klage stattgegeben und den Bescheid aufgehoben. Es hat festgestellt, dass die Beigeladene nicht abhängig beschäftigt gewesen sei und keine Versicherungspflicht bestanden habe (Urteil vom ). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil und die angegriffenen Bescheide abgeändert. Es hat festgestellt, dass die Beigeladene als unständig Beschäftigte nicht nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig gewesen sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Beigeladene sei bei einer Gesamtschau für die Klägerin in der GKV, sPV und GRV versicherungspflichtig tätig gewesen. Mangels Arbeitsverhältnis zwischen der Beigeladenen und der ZPM liege keine Arbeitnehmerüberlassung vor. Die Beigeladene sei in den Ablauf zur Erfüllung des Vertrags zwischen der Klägerin und der Kundin eingebunden gewesen. Sie habe unter Verwendung des AGE-Readers und des Dokumentationsbogens der Klägerin die Betreuung der zugesagten ärztlichen Präventionsleistungen übernommen. Die vereinbarten regulatorischen Rahmenbedingungen hätten zwangsläufig eine weitgehende Eingliederung in das Geschäftsmodell und damit in die Organisations- und Weisungsstruktur der Klägerin erfordert. Es lägen keine gewichtigen Indizien vor, die für eine bei dem Geschäftsmodell der Klägerin allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommende selbstständige Tätigkeit sprächen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, dem Fehlen arbeitnehmertypischer Rechte und der Honorarhöhe komme jeweils keine entscheidende Bedeutung zu. Dass die Beigeladene weiteren Auftraggebern zur Verfügung gestanden habe, trete angesichts der Eingliederung zurück. Es habe auch keine geringfügige Beschäftigung vorgelegen (Urteil vom ).
8Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV iVm § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI und § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Die Beigeladene sei weder in den Betrieb der Klägerin eingegliedert noch weisungsabhängig tätig geworden. Eine Eingliederung in ein Geschäftsmodell dürfe nicht mit einer Eingliederung in den Betrieb gleichgesetzt werden. Die Rechtsauffassung des LSG würde eine selbstständige Tätigkeit im Subunternehmerverhältnis generell unmöglich machen. Indem das Berufungsgericht eine selbstständige Tätigkeit bei ihrem Geschäftsmodell allenfalls im Ausnahmefall in Betracht ziehe, habe es eine unzulässige Vorgewichtung zugunsten einer abhängigen Beschäftigung sowie eine fehlerhafte Einzelbewertung der für eine Selbstständigkeit sprechenden Umstände vorgenommen. Dadurch sei sie in ihren Grundrechten der Berufs- und der allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. Der Einsatz abhängig Beschäftigter würde ihr Geschäftsmodell unmöglich machen. Ihr Fall verdeutliche, dass eine Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht vorhersehbar sei, sodass ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vorliege und mit Blick auf etwaige spätere strafrechtliche Konsequenzen auch Art 103 Abs 2 GG verletzt sei.
10Die Beklagte beantragt,die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
11Die Beklagte erachtet das Urteil, soweit es mit der Revision angegriffen wurde, für zutreffend.
12Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Gründe
13Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat das Urteil des SG zu Recht in dem hier angefochtenen Umfang abgeändert. Die Beigeladene war in ihren Einsätzen für die Klägerin am und in der Zeit vom 16. bis zum aufgrund Beschäftigung in der GKV, sPV und der GRV versicherungspflichtig. Insoweit ist der Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
141. In der streitigen Zeit unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GKV, sPV und der GRV (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 1 SGB XI sowie § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, jeweils idF des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom , BGBl I 926). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 3710). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - insbesondere bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; zB - zur Veröffentlichung in SozR 4-2400 § 7 Nr 72 vorgesehen- juris RdNr 16 f).
15Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung ist regelmäßig vom tatsächlichen Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (stRspr; vgl zB - SozR 4-2400 § 7 Nr 59 RdNr 22). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie zB vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person - als selbstständig oder beschäftigt - allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Allenfalls wenn nach der Gesamtabwägung aller Umstände diese gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen, kann im Einzelfall dem Willen der Vertragsparteien eine gewichtige indizielle Bedeutung zukommen ( - SozR 4-2400 § 7 Nr 65 RdNr 12 mwN <Musikschullehrerin>).
16Die sich an diesen Maßstäben orientierende Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit ist nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder als Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Das gilt auch für ärztliche Tätigkeiten (ausführlich dazu - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 16-19 <Honorararzt>). Dem grundsätzlich nachvollziehbaren Bedürfnis der Betroffenen nach Verwaltungsvereinfachung und erhöhter Rechtssicherheit durch abstraktere, einzelfallüberschreitende Aussagen im Hinblick auf bestimmte Berufs- oder Tätigkeitsbilder kann der Senat auch weiterhin nicht - auch nicht im Sinne einer "Regel-Ausnahme-Aussage" - nachkommen. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (stRspr; zB - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2400 § 7 Nr 70 vorgesehen - juris RdNr 12 mwN <Poolarzt>).
172. Wird eine Tätigkeit durch den Auftragnehmer - wie hier - im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht, sind auch diese im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens zu berücksichtigen ( - SozR 4-2400 § 7 Nr 34 RdNr 33 <Datenbank-Administrator>). Zu Recht hat das LSG deshalb den zwischen der Klägerin und der Kundin sowie der Krankenkasse vereinbarten Vertragsinhalt in die statusrechtliche Beurteilung der Beigeladenen einbezogen. Denn dieser ist für die Rahmenbedingungen der streitbefangenen Tätigkeit von Bedeutung.
18Dabei kommt eine weisungsgebundene Eingliederung der Beigeladenen in die Arbeitsorganisation der Kundin nicht in Betracht. Die Beigeladene war zwar in den Räumlichkeiten der Kundin tätig, aber nicht in deren Arbeits- oder Entscheidungsprozesse integriert. Die Mitarbeitenden der Kundin nahmen freiwillig und zu einer selbst gewählten Uhrzeit an dem Screening teil. Die Tätigkeit der Beigeladenen wurde nicht von der Kundin sondern von der Klägerin als Gesamtverantwortliche der Dienstleistung bestimmt (zur Maßgeblichkeit der Projektverantwortung bereits - SozR 4-2400 § 7 Nr 34 RdNr 35 <Datenbank-Administrator>).
19Ebenfalls zu Recht und in der Sache zutreffend hat das LSG auch die Vertragsbeziehungen der Klägerin sowie der Beigeladenen zur ZPM gewürdigt. Wäre die Beigeladene (als Leiharbeitnehmerin) im Rahmen einer erlaubten Arbeitnehmerüberlassung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AÜG (idF des ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vom , BGBl I 642) von der ZPM (als Verleiherin) der Klägerin (als Entleiherin) zur Arbeitsleistung überlassen worden, würde dies einem Beschäftigungsverhältnis zwischen der Beigeladenen und der Klägerin entgegenstehen (vgl - juris RdNr 14). Eine Arbeitnehmerüberlassung kam vorliegend indes schon mangels eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Beigeladenen und der ZPM nicht in Betracht (zum Erfordernis eines Arbeitsverhältnisses nach der hier maßgeblichen Rechtslage zB - BAGE 158, 6 = juris RdNr 21 mwN). Nach den Feststellungen des LSG existierten weder ein Arbeitsvertrag noch Anhaltspunkte für ein gelebtes Arbeitsverhältnis. Die Hauptleistungspflichten wurden vielmehr direkt im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vereinbart. Die Firma ZPM übernahm durch Herstellen des Kontakts, Ausfüllen des Vertragsformulars sowie des Rechnungsbogens nur einzelne Hilfeleistungen im Rahmen der Abwicklung.
203. Nach den genannten Maßstäben und den nicht angefochtenen und daher bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) überwiegen nach dem Gesamtbild die Indizien für die abhängige Beschäftigung bei der Klägerin.
21a) Bei Vertragsgestaltungen, in denen - wie hier - die Übernahme einzelner Einsätze individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen (stRspr; zB - SozR 4-2400 § 7 Nr 63 RdNr 19 mwN <ambulante Pflegekraft>). Relevant sind daher nur die am und in der Zeit vom 16. bis zum erbrachten Einzeleinsätze der Beigeladenen.
22b) Ausschlaggebend für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ist, dass die Beigeladene in einer ihre Tätigkeit prägenden Weise in die von der Klägerin vorgegebenen Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen zur Durchführung der Screenings eingegliedert war, ohne auf diese nachhaltig unternehmerisch Einfluss nehmen zu können.
23aa) Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit und keine abschließenden Bewertungskriterien (stRspr; zB - zur Veröffentlichung in SozR 4-2400 § 7 Nr 72 vorgesehen - juris RdNr 16 f mwN).
24Die Beigeladene unterlag nach der vom LSG festgestellten gelebten Praxis in gewissem Umfang Weisungen. Soweit die Klägerin den Ort und Zeitrahmen für den Einsatz der Beigeladenen am nach Vertragsschluss per E-Mail einseitig konkretisiert hat, übte sie damit gegenüber der Beigeladenen ein beschäftigungstypisches Weisungsrecht iS des § 106 Satz 1 iVm § 6 Abs 2 GewO aus. Mit der Übermittlung der Beschreibung des Untersuchungsablaufs sowie des zu verwendenden Erhebungsbogens bestimmte sie auch die Art der Tätigkeit näher.
25Die Beigeladene erbrachte ihre ärztliche Tätigkeit jedenfalls in "funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess". Sind Tätigkeiten wie die einer Ärztin mit besonderer Eigenverantwortung und fachlicher Selbstständigkeit verbunden, spricht dies nicht schon gegen eine persönliche Abhängigkeit. Insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisten (sog Diensten höherer Art) kann das Weisungsrecht auf das Stärkste eingeschränkt sein. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird (vgl zB - BSGE 133, 57 = SozR 4-2400 § 7 Nr 60, RdNr 21 mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Betroffene eine Tätigkeit in der konkreten Betriebsstätte eines Arbeitgebers ausübt, sondern, dass die Tätigkeit insgesamt im Wesentlichen fremdbestimmt organisiert wird ( - SozR 4-2400 § 7 Nr 63 RdNr 29).
26Entscheidend für die fremdbestimmte Eingliederung spricht, dass die vertragliche Vereinbarung der Klägerin mit der Kundin sowie der Krankenkasse hier einen Rahmen vorgibt, der der Beigeladenen keinen nennenswerten Freiraum für die Gestaltung ihrer Tätigkeit einräumt. Soweit das LSG in diesem Zusammenhang von vertraglich vereinbarten "regulatorischen Rahmenbedingungen" spricht, kommt diesen zwar nicht dieselbe Wirkung zu, die der Senat aus den besonderen für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste geltenden "regulatorischen Rahmenbedingungen" abgeleitet hat. Jene bedingen im öffentlichen Interesse eine weitreichende Einbindung in Qualitätssicherungs- und Kontrollmechanismen und führen daher im Regelfall zu einer die Beschäftigung begründenden Eingliederung der dort arbeitenden Fachkräfte (vgl - SozR 4-2400 § 7 Nr 63 RdNr 30; - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 26). Diese auf gesetzlich ausgeformte Standards bezogene Rechtsprechung lässt sich nicht uneingeschränkt auf Fälle vertraglicher Vereinbarungen mit Dritten übertragen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Nichterreichen des Ausformungsniveaus der ua in Krankenhäusern herrschenden, engen Rahmenbedingungen der Annahme einer Eingliederung entgegensteht. Maßgeblich bleiben die Umstände des Einzelfalls.
27Die Klägerin hatte sich hier zur Durchführung eines Diabetes-Screenings in den Räumlichkeiten der Kundin durch spezialisierte Ärzte an bestimmten Tagen für jeweils acht Stunden, zur Dokumentation der erhobenen Befunde in doppelter Ausführung inklusive einer anonymisierten Version für die statistische Auswertung sowie zur Anlieferung und Abholung der notwendigen Untersuchungstechnik verpflichtet. Zur Umsetzung dieser geschuldeten ärztlichen und dokumentarischen Dienstleistungen hat sich die Klägerin der Beigeladenen als Erfüllungsgehilfin bedient. Ort, Zeit und Inhalt der zu erbringenden Dienstleistung waren dadurch vorgegeben. Da der Honorarvertrag die Qualifikation der Beigeladenen zum Gegenstand hat, spricht dies auch für die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung. Soweit die Klägerin davon ausgeht, die Beigeladene habe auch für Ersatz sorgen können, kann dahinstehen, ob hierzu ausreichende Feststellungen vorliegen und ob die Stellung einer Ersatzkraft oder eine Delegation überhaupt realistisch in Betracht kamen (vgl - SozR 4-2400 § 7 Nr 63 RdNr 38). Jedenfalls sprechen die Abrechnungen für die tatsächliche und ausschließliche Erfüllung durch die Beigeladene. Die Beigeladene hat bei ihrer Tätigkeit auch auf die von der Klägerin kostenfrei bereitgestellten notwendigen Betriebsmittel zurückgegriffen. Dass hierzu ggf keine Pflicht bestand, ändert daran nichts. Denn die Statusentscheidung richtet sich an der gelebten Praxis aus. Die Tätigkeit der Beigeladenen beschränkte sich mithin auf die Verwertung ihrer persönlichen Arbeitskraft im Sinne einer dienenden Teilhabe an einer von der Klägerin gesamtverantworteten Dienstleistung. Dass diese Umstände im Falle einer Einbindung des Auftragnehmers in die Erbringung von Dienstleistungen des Auftraggebers für Dritte "in der Natur der Sache" liegen, steht der Annahme einer Eingliederung nicht per se entgegen (stRspr; zB - SozR 4-2400 § 7 Nr 58 RdNr 15 mwN <Fahrkartenkontrolleur>). Eine abhängige Beschäftigung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen ( aaO RdNr 16 <Fahrkartenkontrolleur>). Denn für das Sozialversicherungsrecht kommt es weniger darauf an, woraus Abhängigkeiten und Bindungen resultieren, sondern darauf, ob und inwieweit im Einzelfall noch Raum für unternehmerische Freiheit zur Gestaltung der Tätigkeit mit entsprechenden Chancen und Risiken verbleibt ( - SozR 4-2400 § 7 Nr 65 RdNr 18 <Musikschullehrerin>). Letzteres war vorliegend nicht der Fall. Daran ändert auch nichts, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit nicht in einer Betriebsstätte der Klägerin, sondern bei deren Kundin erbracht hat, in die betrieblichen Abläufe der Klägerin nicht weiter eingebunden war und über keine unternehmensbezogene E-Mail-Adresse oder Rufnummer verfügte (vgl - SozR 4-2400 § 7 Nr 63 RdNr 29). Für eine Eingliederung spricht schließlich auch das Vergütungsmodell. Denn die Klägerin bezahlte die ihr von der Beigeladenen gestellten Rechnungen. Eine unmittelbare Abrechnung zwischen der Beigeladenen und der Kundin, ihren untersuchten Mitarbeitenden, deren Krankenkassen oder sonstigen Dritten fand nicht statt (zur Indizwirkung entsprechender Vergütungsregelungen vgl zB - BSGE 133, 49 = SozR 4-2400 § 7 Nr 62, RdNr 24 <Notarzt>).
28bb) Gewichtige für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Merkmale hat das LSG nicht festgestellt. Einem nennenswerten Unternehmerrisiko war die Beigeladene nicht ausgesetzt. Sie musste keine Vorhaltekosten tragen, hatte keinen Verdienstausfall zu befürchten und erhielt einen festen Lohn für geleistete Einsatzstunden. Für die bereitgestellten Betriebsmittel musste sie kein Nutzungsentgelt entrichten. Für sie bestand auch nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie zB das Aufkommen an zu Untersuchenden oder ihren zeitlichen Einsatz zu ihren Gunsten im Sinne einer Gewinnoptimierung entscheidend hätte beeinflussen können. Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkret verrichteten Tätigkeit ankommt, ist das einzig in Betracht kommende Risiko der Beigeladenen, keine weiteren Folgeaufträge zu erhalten, für die Frage ihres Status in dieser Tätigkeit irrelevant. Denn aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze ( - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2400 § 7 Nr 70 vorgesehen - juris RdNr 21 mwN <Poolarzt>).
29Die Tätigkeit für andere Auftraggeber kann zwar ein Indiz für eine ganz erhebliche Dispositionsfreiheit in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit sein, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfindet, weil sie dann die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich einschränkt ( - BSGE 126, 235 = SozR 4-2400 § 7a Nr 10, RdNr 23). Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - die Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers schon insoweit berücksichtigt wird, als für die Beurteilung auf den jeweiligen Einzelauftrag abzustellen ist ( - BSGE 133, 57 = SozR 4-2400 § 7 Nr 60, RdNr 30 <Vertretungsärztin>).
30cc) Da nach dem Gesamtbild die Indizien für eine abhängige Beschäftigung überwiegen, kommt dem von diesem Ergebnis abweichenden Willen der Vertragsparteien keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl oben zu 1.). Gleiches gilt für die vereinbarte Honorarhöhe. Weil diese ebenfalls zur Disposition der Vertragsparteien steht, kann ihr allenfalls dann eine indizielle Bedeutung beigemessen werden, wenn - anders als hier - die Umstände der Tätigkeit gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen ( - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 36 f <Honorararzt>).
31c) Dass die Beigeladene die streitbefangene Tätigkeit nebenberuflich ausgeübt hat, ist für ihre statusrechtliche Beurteilung von keiner Relevanz. Denn Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV setzt lediglich eine persönliche und keine wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von seinem Arbeitgeber voraus ( - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 34 mwN <Honorararzt>). Gleiches gilt für das Fehlen von vertraglichen Vereinbarungen zu arbeitnehmertypischen Rechten (zB Entgeltfortzahlungsanspruch, Erholungsurlaub). Denn diese sind nicht Voraussetzung, sondern zwingende Folge eines Arbeitnehmer- oder Beschäftigungsstatus, über den hier zu befinden ist (stRspr; vgl - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 27 mwN <Rackjobbing>).
32d) Das LSG hat im Ergebnis keine rechtswidrige Gewichtung der Indizien vorgenommen. Soweit es durchaus missverständlich von einer "allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommende(n)" selbstständigen Tätigkeit spricht, legt es seiner Entscheidung keinen entsprechenden abstrakt-generellen Obersatz zugrunde. Vielmehr bezieht es sich noch hinreichend auf die konkreten Umstände des Falls und wägt die einzelnen das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägenden Indizien gegeneinander ab. Dass es dabei der Eingliederung der Beigeladenen im Ergebnis ein hohes Gewicht einräumt, ist nicht zu beanstanden.
334. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene aufgrund anderer Vorschriften von der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung ausgenommen war, sind nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich. Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass sie insbesondere nicht wegen Geringfügigkeit iS des § 8 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB IV (idF des Gesetztes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom , BGBl I 2474) in der GKV, sPV und der GRV versicherungsfrei (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 SGB V; § 20 Abs 1 Satz 1 SGB XI; § 5 Abs 2 Satz 1 SGB VI) war. Eine entgeltgeringfügige Beschäftigung iS des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV lag nicht vor, weil das Einkommen der Beigeladenen für ihre Einsätze am und in der Zeit vom 16. bis zum die Entgeltgrenze von 450 Euro jeweils überstiegen hat. Die Beigeladene war bei der Klägerin auch nicht iS des § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV zeitgeringfügig beschäftigt. Zwar war der Einsatz der Beigeladenen für die Klägerin von vornherein auf wenige Tage begrenzt, jedoch wurde die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt. Letzteres ist anzunehmen, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und er damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht ( - SozR 4-2600 § 163 Nr 2 RdNr 12 mwN <Schauspieler>). Dies ist vorliegend der Fall. Denn die Honorare der Beigeladenen aus der streitbefangenen Tätigkeit machten im Kalenderjahr 2013 - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - einen Anteil von rund 11 % ihres Gesamteinkommens aus. Die Beigeladene hat die Tätigkeit für die Klägerin auch nicht ausgeübt, um die Zeit zwischen Schulende und Studienbeginn zu überbrücken ( - BSGE 131, 99 = SozR 4-2400 § 8 Nr 9, RdNr 14 mwN <Bürokraft>). Vielmehr ist sie dieser während ihrer Zeit als Stipendiatin und neben zwei weiteren Honorartätigkeiten nachgegangen.
345. Verfassungsrecht steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Es unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die für sämtliche Zweige der Sozialversicherung in § 7 Abs 1 SGB IV enthaltene Definition der "Beschäftigung" es im Wesentlichen den Sozialgerichten überlässt, diesen unbestimmten Begriff unter Verwendung der Rechtsfigur des Typus auszulegen (vgl - juris). Die Versicherungspflicht der gesetzlichen Sozialversicherung verstößt grundsätzlich auch weder gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG; vgl hierzu zB - BVerfGE 103, 197) noch gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 1776/97 - BVerfGK 4, 46) oder die Berufsfreiheit des Art 12 Abs 1 GG. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Steuer- und Abgabevorschriften nur dann an Art 12 Abs 1 GG zu messen, wenn sie in einem engen Zusammenhang zur Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 131/13 - BVerfGK 20, 327 RdNr 18 mwN). Dieser Fall ist nicht gegeben (vgl - juris RdNr 28).
356. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:120624UB12BA222R0
Fundstelle(n):
DAAAJ-80481