BFH Urteil v. - V R 79/99 BStBl 2008 II S. 495

Leitsatz

1. Mieten Ehegatten Räume zum Betrieb eines Ladenlokals, das nur von einem der Ehegatten als Unternehmer geführt wird, so sind sie --mangels anderer Anhaltspunkte zu jeweils 50 v.H.-- die Leistungsempfänger, wenn sie nicht gemeinsam (z.B. als GbR) unternehmerisch tätig sind (vgl. Senatsurteil vom V R 49/99).

2. In diesem Fall ist eine Option des Vermieters zur Steuerpflicht seiner Vermietungsumsätze insoweit wirksam, als die Vermietungsumsätze an den Ladenbetreiber ausgeführt werden, also zu 50 v.H.

Gesetze: UStG 1980 § 4 Nr. 12 Buchst. aUStG 1980 § 9UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug: FG Düsseldorf (EFG 1999, 1317) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Lebensmittelgroßhandel. Sie hat in einer Vielzahl von Fällen Ladenlokale angemietet und diese sodann untervermietet. Ihre (Unter-)Vermietungsumsätze behandelte sie u.a. in den Streitjahren (1986 bis 1988) als steuerpflichtig und berechnete demzufolge die (Unter-)Miete zuzüglich Umsatzsteuer. Soweit ihr vom Vermieter Vorsteuer berechnet wurde, zog sie diese von ihrer Umsatzsteuerschuld ab. Die Klägerin buchte die von ihren Untermietern geschuldete monatliche Miete per Dauerauftrag vom Geschäftskonto des jeweiligen Ladeninhabers im Lastschriftverfahren ab. Die Lastschriftbelege wiesen nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) alle nach § 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 erforderlichen Angaben einer Rechnung auf.

Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte durch eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung fest, dass in mehreren Fällen die Untermieter ausweislich der Untermietverträge nicht mit den Betreibern der Ladenlokale übereinstimmten. Er vertrat die Auffassung, die Klägerin könne diese (Unter-)Mietumsätze nicht gemäß § 9 UStG als steuerpflichtig behandeln, da sie nicht an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt worden seien. Die offen ausgewiesene Umsatzsteuer schulde die Klägerin gemäß § 14 Abs. 2 UStG, die ihr für die Anmietung der Ladenlokale berechnete Vorsteuer sei nicht abziehbar und das --dem Verhältnis zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen entsprechende-- Verhältnis abziehbarer und nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge bezüglich ihrer allgemeinen Verwaltungsaufwendungen verändere sich zu ihren Lasten. Dementsprechend setzte das FA durch Bescheide vom ... die Umsatzsteuer für 1986 auf ... DM, für 1987 auf ... DM und für 1988 auf ... DM fest.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Das FG erkannte weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM (1986), ... DM (1987) und ... DM (1988) als abziehbar an. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1317 abgedruckt.

Im Revisionsverfahren sind noch zwei Komplexe streitig:

1. In fünf Fällen (A-E) hatte die Klägerin Ladenlokale angemietet und diese dann jeweils an Ehegatten untervermietet. Beide Ehegatten waren im Vertrag als Untermieter bezeichnet und beide Ehegatten hatten auch den Vertrag unterschrieben. Es war jedoch nur einer der Ehegatten unternehmerisch tätig. Die Klägerin hatte in diesen Fällen (erst) im Streitjahr 1988 jeweils neue Untermietverträge (sog. Überleitungsvereinbarungen) abgeschlossen, in denen der jeweilige Ladeninhaber in den zwischen ihm und seiner Ehefrau sowie der Klägerin geschlossenen Untermietvertrag als Nachmieter eintrat und alle Rechte und Pflichten aus dem Untermietvertrag übernahm.

Hinsichtlich dieser Mietverhältnisse hat das FG der Klage teilweise stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Klägerin könne bis zum Abschluss der jeweiligen Überleitungsvereinbarung (nur) insoweit gemäß § 9 UStG zur Steuerpflicht der aus der Vermietung erzielten Umsätze optieren und aus den damit in Zusammenhang stehenden Eingangsumsätzen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, als die jeweils gemeinsam als Leistungsempfänger anzusehenden Eheleute unternehmerisch tätig gewesen seien, nämlich zu 50 v.H. Zur Begründung bezog es sich u.a. auf das Senatsurteil vom V R 31/98 (BFHE 187, 78). Für die Zeit nach In-Kraft-Treten der sog. Überleitungsvereinbarung erkannte das FG die Option zur Umsatzsteuerpflicht und den entsprechenden Vorsteuerabzug in voller Höhe an.

Die Revision des FA richtet sich gegen die Anerkennung des anteiligen Vorsteuerabzugs bis zum In-Kraft-Treten der jeweiligen Überleitungsvereinbarung. Es führt zur Begründung im Wesentlichen aus, die vom Senat in seinem Urteil in BFHE 187, 78 für eine Bruchteilsgemeinschaft aufgestellten Grundsätze könnten nicht auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), wie sie hier zwischen den Eheleuten bestanden habe, übertragen werden, zumal hier nur einer der Gesellschafter unternehmerisch tätig gewesen sei. Zudem bestehe gemäß § 9 UStG die Möglichkeit einer Teiloption nur in solchen Fällen, in denen ein Leistungsempfänger eine bezogene Leistung gemischt verwende. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als das FG zugunsten der Klägerin bei den Mietverhältnissen A-E eine anteilige Optionsmöglichkeit gemäß § 9 UStG gewährt hat und die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1986 bis 1988 entsprechend zu ändern.

2. In dem ferner im Revisionsverfahren noch streitigen Sachverhaltskomplex geht es um fünf Ladenlokale, die in den Streitjahren von der 1981 gegründeten X-KG betrieben wurden. Drei Ladenlokale hatte Herr X vor Gründung der KG selbst von der Klägerin gemietet und als Einzelunternehmer betrieben. Zwei weitere Untermietverträge wurden nach Gründung der KG geschlossen. Das FA war der Auffassung, (Unter-)Mieter sei in allen Fällen Herr X (persönlich).

Das FG hat die Klage insoweit für den Zeitraum bis zum Abschluss der auch in diesen Fällen (erst) im Streitjahr 1988 geschlossenen Überleitungsvereinbarungen abgewiesen.

Mit ihrer dagegen gerichteten Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Mit der nach dem Gesellschaftsvertrag 1981 erfolgten Einbringung der Lebensmittelmärkte in die KG seien die (Unter-)Mietverträge auf die KG übergegangen. Für den Fall, dass sie (die Klägerin) als Vermieterin dem Eintritt der KG nicht zustimmen sollte, habe sich die KG verpflichtet, den Gesellschafter X im Innenverhältnis von den Verbindlichkeiten aus den Verträgen freizustellen. Sie (die Klägerin) habe der Übernahme der (Unter-)Mietverträge durch die KG konkludent zugestimmt. Hinsichtlich der nach der Einbringung in die KG abgeschlossenen Untermietverträge sei aus dem bei der Unterzeichnung vom Untermieter verwendeten Stempel "..." deutlich, dass der Vertragsabschluss zwischen der die Märkte betreibenden KG und ihr erfolgt sei. Da somit die Untermieterin (KG) gleichzeitig Betreiberin der Ladenlokale gewesen sei, habe sie die betreffenden (Unter-)Mietumsätze als steuerpflichtig behandeln dürfen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter entsprechender Änderung der Vorentscheidung und der Bescheide vom ... die Umsatzsteuer für 1986 auf ... DM, für 1987 auf ... DM und für 1988 auf ... DM herabzusetzen.

Gründe

II.

Die Revisionen des FA und der Klägerin sind unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil hält den Revisionsangriffen stand.

A. Revision des FA

1. Der Unternehmer kann gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Ausgeschlossen hiervon ist gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG u.a. die Steuer für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Die Vermietung von Grundstücken ist nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG grundsätzlich steuerfrei. Der Unternehmer kann aber einen solchen Umsatz gemäß § 9 UStG als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird.

2. Leistungsempfänger ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Allgemeinen derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (vgl. , BFHE 157, 255, BStBl II 1989, 677; vom XI R 50/93, BFH/NV 1996, 185; vom V R 99/98, BFH/NV 1999, 1648).

Diese grundsätzliche Anknüpfung des Umsatzsteuerrechts an das Zivilrecht bei der Bestimmung des Leistungsempfängers ist insbesondere im Interesse des Leistenden (Auftragnehmers) geboten. Denn die zivilrechtliche Rechtslage ist u.a. maßgebend dafür, wem gegenüber er eine Rechnung über von ihm ausgeführte steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen erteilen darf bzw. muss (vgl. § 14 Abs. 1 UStG) und ferner dafür, ob er die Möglichkeit hat, einen steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig zu behandeln, weil der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird (vgl. § 9 UStG).

a) Im Streitfall haben die fünf Eheleute (A-E) bis zum In-Kraft-Treten der Überleitungsvereinbarung die Mietleistungen der Klägerin empfangen; jeweils beide Ehegatten sind Leistungsempfänger.

Das FG hat dies aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Untermietverträge abgeleitet und dargelegt, dass kein Raum für eine vom Vertragswortlaut abweichende Auslegung bleibe. Es hat ferner ausgeführt, der Leistungsempfänger sei auch nicht ausnahmsweise abweichend von den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zu bestimmen, wie dies im Fall des BFH-Urteils in BFHE 157, 255, BStBl II 1989, 677 der Fall war.

Diese Feststellungen und Würdigungen des FG im angefochtenen Urteil sind revisionsrechtlich unangreifbar (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) und werden vom FA mit seiner Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

b) Wenn mehrere Personen --wie hier-- gemeinsam eine Leistung beziehen, kann zwar auch die Personenmehrheit als solche Leistungsempfänger sein. Das gilt aber nur, wenn sie selbst unternehmerisch tätig ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 187, 78, unter II. 2. b).

Im Streitfall ist die aus den jeweiligen Ehegatten bestehende Personenmehrheit selbst kein Unternehmer. Sie ist nicht zur Aufnahme eigener wirtschaftlicher Tätigkeit gegründet worden und hat auch keine entgeltlichen Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt. Dabei kann offen bleiben, ob die Eheleute eine GbR i.S. des § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) oder eine (bloße) Gemeinschaft i.S. des § 741 BGB bildeten (vgl. zur Abgrenzung: , Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1995, 3383, unter 2. a; vom XII ZR 230/96, NJW 1999, 2962, unter II. 1. a; Ulmer, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch --MünchKomm--, Bd. 5, 1997, Vor § 705 Rz. 1 ff., 100 ff.; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 59. Aufl. 2000, Einführung Vor § 581 Rz. 21, § 581 Rz. 3, § 535 Rz. 6, § 705 Rz. 3, 24, 33, 39, § 741 Rz. 1, 11).

c) Der Senat folgt dem FG auch insoweit, als es angenommen hat, die Option der Klägerin zur Steuerpflicht ihrer (Unter-)Vermietungsumsätze sei nur zu 50 v.H. wirksam.

Da die jeweiligen Eheleute gleichermaßen aus dem (Unter-)Mietvertrag berechtigt und verpflichtet sind, ist ihnen der Leistungsbezug mangels anderer Anhaltspunkte zu gleichen Anteilen zuzuordnen. Das FG hat deshalb mit Recht ausgeführt, die Klägerin habe ihre Vermietungsleistung zur Hälfte an den das jeweilige Ladenlokal (allein) betreibenden Ehegatten erbracht (vgl. auch Senatsurteil vom V R 49/99).

Soweit das FA einwendet, hierbei handele es sich um eine unzulässige Teiloption, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

B. Revision der Klägerin

Die Revision der Klägerin ist ebenfalls unbegründet. Die Auffassung des FG, die Klägerin könne im Rahmen der (Unter-)Mietverhältnisse X bis zum Abschluss der jeweiligen Überleitungsvereinbarungen nicht gemäß § 9 UStG zur Umsatzsteuerpflicht optieren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Das FG hat hierzu ausgeführt, dass in den Streitjahren der nicht als Unternehmer anzusehende Herr X persönlich Empfänger der Vermietungsleistungen der Klägerin gewesen sei; zivilrechtlich habe der Anspruch auf Überlassung der Geschäftsräume ihm und nicht der KG zugestanden.

2. Das FG ist zu seiner Auffassung --insbesondere dazu, es habe kein einvernehmlicher Gläubigerwechsel von Herrn X persönlich auf die KG stattgefunden-- im Wesentlichen durch eine Würdigung der verschiedenen Verträge gelangt. Das FG hat dabei weder gesetzliche Auslegungsregeln noch Denkgesetze noch Erfahrungssätze verletzt, so dass seine Auslegung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

Für die Würdigung des FG sprechen insbesondere die auch in diesen Fällen (erst) im Streitjahr 1988 abgeschlossenen Überleitungsvereinbarungen, wonach die KG als Nachmieter an die Stelle des Untermieters X tritt. Der Behauptung der Klägerin, diese Überleitungsvereinbarungen und der entsprechende Neuabschluss des Mietvertrages über das Ladenlokal in der S-Straße hätten lediglich der Klarstellung dienen sollen, fehlt jede Grundlage. Gegen eine solche Beurteilung spricht der eindeutige Wortlaut dieser Vereinbarungen.

Das Revisionsvorbringen der Klägerin erschöpft sich im Kern darin, dass sie eine andere Würdigung der Verträge vornimmt als das FG.

Soweit sie vorträgt, die Vernehmung von Herrn X als Zeugen sei unter Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes auch ohne ihren Beweisantritt geboten gewesen, genügt diese Verfahrensrüge nicht den Anforderungen (vgl. dazu z.B. , BFH/NV 2000, 973). Insofern sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 FGO).

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 495
BB 2001 S. 1078 Nr. 21
BFH/NV 2001 S. 989
BFH/NV 2001 S. 989 Nr. 7
BFHE S. 488 Nr. 194
BStBl II 2008 S. 495 Nr. 11
DB 2001 S. 1074 Nr. 20
DStR 2001 S. 845 Nr. 20
DStRE 2001 S. 605 Nr. 11
UR 2001 S. 251 Nr. 6
IAAAA-97088