Instanzenzug: LG Verden Az: 10 KLs 10/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Kompensationsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen lagerte der Angeklagte für andere, gesondert verfolgte Personen in einem früher als „Kneipe“ genutzten Raum seines Wohnhauses 259,12 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 37,31 Gramm THC (Fall II.1 der Urteilsgründe) und in der Diele des Hauses 1.002,41 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 211,51 Gramm THC (Fall II.3 der Urteilsgründe). Er erhoffte sich für die Lagerung eine finanzielle Beteiligung an den durch den Weiterverkauf des Marihuanas durch die gesondert Verfolgten erzielten Gewinnen; einen Teil des Marihuanas wollte er selbst gewinnbringend verkaufen. Ferner bewahrte er an einer anderen Stelle in der Diele 8,48 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 6,19 Gramm KHCl auf, das er ebenfalls selbst veräußern wollte (Fall II.2 der Urteilsgründe).
3Das Landgericht hat angesichts der unterschiedlichen Aufbewahrungsorte und des Umstands, dass die drei Vorräte aus verschiedenen Lieferungen stammten, drei im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) zueinander stehende Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen. Einen minder schweren Fall im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG hat es jeweils verneint.
42. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Er bedarf in mehrfacher Hinsicht der Änderung.
5a) Mit Blick auf das vom Landgericht als Fall II.1 und Fall II.3 der Urteilsgründe abgeurteilte – ausschließlich Marihuana betreffende – Tatgeschehen gilt dies schon deshalb, weil am das Konsumcannabisgesetz (KCanG; BGBl. I Nr. 109) in Kraft getreten ist, das den Umgang mit Konsumcannabis abschließend regelt und vom Senat unter den hier gegebenen Umständen als milderes Gesetz nach § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen ist (vgl. etwa ).
6b) Darüber hinaus begegnet die Annahme dreier rechtlich selbstständiger Taten durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
7Das Landgericht hat nicht erkennbar bedacht, dass – jenseits der hier nicht gegebenen Bewertungseinheit – mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zueinander in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich – teilweise – überschneiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 95/18; vom – 3 StR 487/16). Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, vermag der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit in diesem Sinne zu begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass – etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs (vgl. ; Beschluss vom – 3 StR 95/18) – die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die tatsächliche Verfügungsgewalt über die andere darstellt (vgl. ).
8So liegt es hier. Der Angeklagte besaß die drei Betäubungsmittelmengen nicht lediglich gleichzeitig, sondern lagerte die Vorräte in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander in leicht zugänglichen, für kurze Treffen zur Übergabe außerhalb des eigentlichen Wohnbereichs gelegenen Räumen. Auf diese Weise war ein schneller Zugriff auf die einzelnen Vorräte und die in der Nähe verwahrten Klemmtütchen und Feinwaagen möglich.
9Die konkurrenzrechtliche Bewertung hat sich durch das Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes nicht geändert (vgl. , Rn. 5).
10c) Der Schuldspruch bedarf schließlich der Ergänzung. Der Angeklagte ist ‒ auch ‒ des tateinheitlichen Besitzes von Cannabis sowie der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis schuldig, soweit er Marihuana für die gesondert Verfolgten lagerte und dadurch deren Verkaufsaktivitäten unterstützte.
11d) Der Angeklagte ist daher des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG), Besitz von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) und Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG i.V.m. § 27 StGB) schuldig.
12Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
133. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
14Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben, welche (Teil-)Menge des gelagerten Marihuanas der Angeklagte auf eigene Rechnung verkaufen wollte. Den Urteilsgründen kann auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht entnommen werden, ob es sich dabei um eine nicht geringe Menge im Sinne des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG (vgl. zum Grenzwert der nicht geringen Menge BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 111/24, Rn. 5; vom – 6 StR 536/23) handelte. Dies lässt, weil es sich um eine Strafzumessungsregel handelt, den Schuldspruch unberührt (vgl. , Rn. 3); die Frage der Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge kann aber Bedeutung für die Strafzumessung gewinnen.
154. Die Kompensationsentscheidung ist von der Aufhebung des Strafausspruchs nicht erfasst (vgl. , BGHSt 54, 135, 138).
Bartel Feilcke Wenske
Fritsche von Schmettau
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:170924B6STR379.24.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-80084