BSG Urteil v. - B 2 U 3/22 R

Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - Unfallereignis - Impfangebot des Arbeitgebers - Freiwilligkeit - übliche Impfreaktion kein Gesundheitsschaden - Impfkomplikation nach Impfschadensrecht - sachlicher Zusammenhang - betriebliches Interesse - objektivierte Handlungstendenz - Grippeschutzimpfung für Beschäftigte eines Krankenhauses - Erforderlichkeit der Impfung nach STIKO-Empfehlung - berechtigte Annahme des Versicherten - Gastronomieleiter

Gesetze: § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 2 Abs 1 Nr 3 SGB 7, § 8 Abs 1 S 1 SGB 7, § 8 Abs 1 S 2 SGB 7, § 2 Nr 11 IfSG

Instanzenzug: Az: S 6 U 215/17 Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az: L 2 U 159/20 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger infolge einer Grippeschutzimpfung einen Arbeitsunfall erlitten hat.

2Der Kläger war Gastronomieleiter einer Catering-GmbH, die eine Krankenhausküche betrieb. Das Krankenhaus und die Catering-GmbH waren Tochterunternehmen einer Unternehmensgruppe der Gesundheits- und Pflegebranche. Der Kläger überwachte ua die Essensausgabe auf den Krankenhausstationen und beriet nach seinen Angaben Patienten in Ernährungsfragen, wobei es zu keinem unmittelbaren körperlichen Kontakt kam. Die Krankenhausverwaltung bat die Catering-GmbH mit Schreiben vom , Mitarbeiter zu melden, die beabsichtigten, an einer Schutzimpfung gegen Influenza A (H1N1 - Schweinegrippe) teilzunehmen. Den Impfstoff stelle das Gesundheitsamt kostenlos bereit. Die Teilnahme sei freiwillig; es stehe jedem frei, sich auch vom Hausarzt impfen zu lassen. Impfberechtigt seien alle Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Patientenkontakt hätten. Der Kläger nahm am an der betrieblich organisierten Impfung teil. Seit 2013/14 leidet er ua an Fieberschüben, die er auf die Impfung zurückführt.

3Die Beklagte lehnte es ab, einen Arbeitsunfall festzustellen, weil Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit grundsätzlich dem unversicherten Lebensbereich zuzurechnen seien (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ), das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom ): Die Impfung habe nicht im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Beschäftigung als Gastronomieleiter gestanden. Denn er sei arbeitsrechtlich nicht verpflichtet gewesen, sich impfen zu lassen. Allein die subjektive Vorstellung, durch die Impfung auch den betrieblichen Interessen zu dienen, reiche nicht aus, um Versicherungsschutz zu begründen. Deshalb könne offenbleiben, ob die Impfung überhaupt ein plötzlich von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis sei und die Fieberschübe hervorgerufen habe, also der Unfallbegriff erfüllt sei.

4Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Seine Handlungstendenz als Beschäftigter sei darauf gerichtet gewesen, die Interessen seiner Arbeitgeberin zu fördern, die mit der Impfempfehlung ihrer arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht gerecht geworden sei. Insofern seien mit dem Impfangebot der Arbeitgeberin und dessen Annahme durch den Arbeitnehmer wechselseitige Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt worden. Zumindest habe ein immanenter Druck bestanden, sich als Vorbild für andere Mitarbeiter impfen zu lassen.

Gründe

7Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 163 SGG) reichen nicht aus, um abschließend zu entscheiden, ob das angefochtene Urteil auf der geltend gemachten Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII beruht (§ 162 SGG) und der Kläger Anspruch auf die gerichtliche Feststellung hat, dass die Impfung vom ein Arbeitsunfall ist.

8Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit der Einwirkung der versicherten Tätigkeit wertend zuzurechnen ist (sachlicher Zusammenhang), was grundsätzlich anhand der objektivierten Handlungstendenz des Verletzten und ggf mithilfe weiterer Kriterien zu geschehen hat ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 19 und - B 2 U 3/21 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 83 RdNr 26; vom - B 2 U 14/20 R - BSGE 135, 155 = SozR 4-2700 § 2 Nr 60, RdNr 32; vom - B 2 U 5/20 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 79 RdNr 18; vom - B 2 U 12/18 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 54 RdNr 21 und vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 29). Die Verrichtung muss zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt (Unfallkausalität) und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; stRspr, - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 8; vom - B 2 U 1/21 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 15 und - B 2 U 3/21 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 83 RdNr 11, jeweils mwN). Nach diesen Vorgaben ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die betrieblich organisierte Impfung eines Beschäftigten (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) ein Arbeitsunfall ist. Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen lässt sich indes nicht entscheiden, ob der Kläger einen Unfall erlitten hat (dazu 1.) und ob die Teilnahme an der Impfung als unmittelbare Verrichtung vor der Verabreichung des Impfstoffs seiner Beschäftigung als Gastronomieleiter der Krankenhausküche wertend zuzurechnen ist (dazu 2.). Da das angefochtene Urteil schließlich auch nicht aus anderen Gründen richtig ist (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG), ist es aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (dazu 3.).

91. Die getroffenen Feststellungen genügen nicht, um abschließend zu beurteilen, ob ein Unfall im Sinne des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII vorliegt. Die Verabreichung des Impfstoffs war ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (dazu a). Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat das LSG indes nicht festgestellt, ob der Impfstoff Gesundheitsschäden äquivalent und rechtlich wesentlich verursacht hat (dazu b). Das wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen sein, weil der Eintritt eines Gesundheitserstschadens notwendiges Tatbestandselement eines Unfalls und damit unabdingbare Feststellungsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls ist.

10a) Der Unfallbegriff des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII ist erfüllt. Dieser umfasst Impfungen, auch wenn ihre Inanspruchnahme ein vom Willen des Versicherten getragener und gesteuerter Vorgang ist. Anders als das Dienstunfallrecht (§ 31 Abs 1 Satz 1 BeamtVG) und die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2020) des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (Ziffer 1.3 AUB 2020) setzt § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII weder ein "plötzliches" bzw "plötzlich einwirkendes Ereignis" im Sinne einer punktuellen Einwirkung oder eines sekundenschnellen Vorgangs noch das "unfreiwillige" bzw unvorhersehbar-überraschende Erleiden einer Gesundheitsschädigung voraus. Stattdessen sind Unfälle im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung "zeitlich begrenzte … Ereignisse", die - in Abgrenzung zu Berufskrankheiten (§ 9 SGB VII) - längstens innerhalb einer Arbeitsschicht eintreten (stRspr; - SozR 4-2700 § 8 Nr 43 RdNr 24; vom - 2 RU 17/84 - SozR 2200 § 548 Nr 71 und grundlegend vom - 2 RU 151/63 - BSGE 24, 216 = SozR Nr 3 zu § 1739 RVO sowie vom - 2 RU 191/59 - BSGE 15, 112 = SozR Nr 46 zu § 542 aF RVO). Die Unfreiwilligkeit oder Unvorhersehbarkeit sind keine ausdrücklich genannten oder ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale des gesetzlich definierten Unfallbegriffs. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der allgemeine Sprachgebrauch des Wortes Unfall die "Unfreiwilligkeit" impliziert (Köhler, SGb 2014, 69, 73 f). Denn der juristische geht dem allgemeinen Sprachgebrauch vor (zum Vorrang-Nachrang-Verhältnis von fachspezifischem und allgemeinem Sprachgebrauch - BSGE 127, 203 = SozR 4-2700 § 185 Nr 2, RdNr 16 und - B 2 U 23/17 R - juris RdNr 16, jeweils mwN).

11Verschiedene Versicherungspflichttatbestände in § 2 SGB VII gehen gerade mit der freiwilligen Inkaufnahme eines vorhersehbaren Gesundheitsschadens oder sogar des Todes einher. Schon deshalb kann die Unfreiwilligkeit der Einwirkung oder Unvorhersehbarkeit der Schädigung dem Unfallbegriff - bei logisch-systematischer Auslegung - nicht immanent sein. Denn Tätige in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz (§ 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII, zu Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr vgl zB - juris RdNr 10 zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 6 vorgesehen), Helfer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not bzw Retter aus einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für die Gesundheit anderer (§ 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB VII; zum Unglückshelfer vgl - SozR 4-2700 § 2 Nr 19) handeln ebenso freiwillig und im Bewusstsein einer vorhersehbaren Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität wie Beschäftigte, die sich zur Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis gefährlichen Einwirkungen aussetzen (s dazu bereits - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 31). Dies schließt es nicht aus, absichtlichen Selbstschädigungen den Versicherungsschutz zu versagen, wenn es dem Verletzten gerade darauf ankam, durch sein Handeln eine Einwirkung auf seinen Körper und dadurch seinen eigenen Gesundheitsschaden herbeizuführen (BSG aaO RdNr 29; zum gewollten Handeln mit einer ungewollten Einwirkung - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, RdNr 7 und zum gewollten Handeln mit einer gewollten Einwirkung - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 16). Nur mit diesen Einschränkungen widerspricht ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls ( - NZS 2012, 390 = juris RdNr 17 und vom - B 2 U 8/06 R - juris RdNr 15, jeweils unter Hinweis auf 4a RJ 9/86 - BSGE 61, 113 = SozR 2200 § 1252 Nr 6 S 20 zur unfallbedingten vorzeitigen Wartezeiterfüllung in der gesetzlichen Rentenversicherung), wie der erkennende Senat bereits ausdrücklich klargestellt hat ( - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 29).

12b) Ist daher auch die planmäßig, freiwillig und mit ausdrücklicher Einwilligung durchgeführte Impfung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, so liegt ein Unfall im Sinne des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII vor, wenn die Impfung einen Gesundheitserstschaden bewirkt hat. Dieser besteht nicht bereits in der Verletzung im Bereich einer Injektionsstelle, in der bloßen Zufuhr des Impfstoffs oder in einer üblichen Impfreaktion, sondern liegt erst in einer Schädigung des Organismus, die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgeht (unübliche Impfreaktion iS einer Impfkomplikation; vgl § 2 Nr 11 IfSG in seiner bis zum geltenden Ursprungsfassung des Art 1 des Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften vom , BGBl I 1045; seit in § 24 Satz 1 SGB XIV geregelt).

13Gesundheitserstschaden ist zwar grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde. Unter diesen natürlichen Schadensbegriff lassen sich Einstiche mit Injektionsnadeln, die Impfstoffapplikation und übliche Impfreaktionen fassen. Gleichwohl handelt es sich dabei nicht um Gesundheitsschäden iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII, weil der natürliche Schadensbegriff insofern eine wertende Korrektur erfordert, die sich aus dem Zweck der Vorschrift ergibt, die Versicherungsschutz begründet ( - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 20). Die Gesundheitserstschäden, die eine betriebliche (Grippeschutz-)Impfung in üblichem Ausmaß hervorruft, sind nach dem Schutzzweck des Tatbestands der Beschäftigtenpflichtversicherung (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) von vornherein keine missbilligten Wirkungen des Eingriffs, sondern gehören notwendig zu jeder (Schutz-)Impfung. Weil mit der Impfung bereits der Sache nach gewisse körperliche Einwirkungen und übliche Reaktionen verbunden sind, entsteht der Primärschaden erst mit dem Eintritt einer Impfkomplikation. Tritt sie lange Zeit nach der Impfung auf, ist sie gleichwohl Primär- bzw Erstschaden. Die gesetzliche Unfallversicherung greift folglich - in Abgrenzung zur gesetzlichen Krankenversicherung - erst ein, wenn gesundheitliche Schäden auftreten, die über die Beeinträchtigungen hinausgehen, die mit ihr üblicherweise einhergehen und die in ursächlichem Zusammenhang mit ihr stehen. Das Unfallversicherungsrecht schützt den Impfling somit nur bei Gesundheitsbeeinträchtigungen einschließlich des Todes, die durch die Impfung verursacht sind und nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht in üblichem Ausmaß mit ihr einhergehen (vgl zur Lebendorganspende bereits - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 21 ff; zur erforderlichen Funktionsbeeinträchtigung bei einer Infektionskrankheit vgl - BSGE 136, 33 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3102 Nr 2, RdNr 24).

14Als versicherte Impfkomplikationen kommen daher die seit März 2014 dokumentierten und vom Kläger anamnestisch seit Juni 2013 angegebenen Fieberschübe mit Arthralgien und Exanthemen in Betracht, weil es sich hierbei nicht um übliche Impfreaktionen handeln dürfte (vgl Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts, 4/2024, Kapitel 4.10, 40).

15Die weitere Frage, ob diese (oder andere) Gesundheitsstörungen äquivalent und rechtlich wesentlich auf die Impfung zurückzuführen sind, ist auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands bezogen auf den konkret verwendeten Impfstoff zu beantworten (vgl dazu - SozR 4-3851 § 60 Nr 4 RdNr 42). Um die haftungsbegründende Kausalität zu beurteilen, sind daher tatrichterliche Feststellungen zum verabreichten Impfstoff nach Zusammensetzung, Chargennummer und Verabreichungsform erforderlich. Feststellungen dazu, ob Gesundheitsstörungen des Klägers gerade auf den ihm verabreichten Impfstoff zurückzuführen sind, hat das LSG nicht getroffen; diese werden im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen sein.

162. Auf Basis der im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen kann der erkennende Senat auch nicht entscheiden, ob die Teilnahme an der Impfung als unmittelbare Verrichtung vor der Verabreichung des Impfstoffs der Beschäftigung (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) des Klägers als Gastronomieleiter der Krankenhausküche nach sachlichen Gesichtspunkten wertend zuzurechnen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Personal in medizinischen Einrichtungen aufgrund der versicherten Tätigkeit typischerweise einem erhöhten Expositionsrisiko gegenüber bestimmten Infektionserregern ausgesetzt sein kann. Die beruflich indizierte Impfung dient daher einerseits dem eigenen Schutz vor Infektionen, andererseits kann das Personal selbst zu einer Infektionsquelle für Patienten oder Kollegen werden (Drittschutz vor Ansteckungs- und Übertragungsrisiken).

17Entscheidender Wertungsfaktor und maßgebendes Zurechnungskriterium für den inneren Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit ist die objektivierte Handlungstendenz (stRspr; zuletzt - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 37; vom - B 2 U 14/20 R - BSGE 135, 155 = SozR 4-2700 § 2 Nr 60, RdNr 39). Danach lässt sich der sachliche Zusammenhang zwischen der abstrakt-generell versicherten Tätigkeit und der konkret-individuellen Verrichtung bejahen, wenn das objektiv beobachtbare Verhalten des Verletzten - aus seiner subjektiven Sicht - zumindest auch dem Unternehmen (§ 121 Abs 1 Satz 1 SGB VII) des Unternehmers (§ 136 Abs 3 SGB VII) dienen, nutzen bzw zu Gute kommen sollte, diese subjektive Ziel- und unternehmensdienliche Zweckrichtung in den realen Gegebenheiten eine Stütze findet, dh objektivierbar ist, und die schadenstiftende Verrichtung den objektiven Interessen des Unternehmers zumindest mutmaßlich entsprach.

18Um die Handhabung dieser allgemeinen Kriterien speziell für die Beschäftigtenpflichtversicherung (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) zu erleichtern, hat der Senat folgenden Rechtssatz entwickelt: Unfallversicherungsschutz für Beschäftigte besteht jedenfalls dann, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (stRspr; zB - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 15; vom - B 2 U 13/20 R - BSGE 134, 109 = SozR 4-2700 § 3 Nr 3, RdNr 24; vom - B 2 U 15/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 77 RdNr 14; vom - B 2 U 13/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 76 RdNr 16 und grundlegend vom - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 28). Davon ist auch das LSG ausgegangen (dazu a).

19Dies schließt es indes nicht aus, dass weitere unfallversicherte Sachverhalte existieren, die die aufgeführten Voraussetzungen nicht vollständig erfüllen (Krasney, NZS 2013, 681, 683; ders in Krasney/Burchardt/Kruschinsky/Becker, SGB VII, 37. Lfg 2020, § 8 RdNr 39; Ricke in BeckOGK-SGB VII, Stand , § 8 RdNr 21.1; s auch Aumann, Arbeitsunfall 4.0, 2019, S 71 f). So kann etwa weisungsähnlicher Druck, das Befolgen informell aufgestellter Anforderungen des Arbeitgebers, das Nachkommen einer Bitte, eines Appells oder Wunsches des Unternehmers oder die Erfüllung bloßer Erwartungen des Vertragspartners in einem Dauerschuldverhältnis wie dem Arbeitsverhältnis jenseits echter oder vermeintlicher Rechtspflichten ebenso versichert sein wie die (ggf informale) Weisung durch unternehmensfremde Personen in sog Matrixstrukturen von Konzernen und Unternehmensgruppen, in denen zumindest Teile des Weisungs- bzw Direktionsrechts Angehörigen eines anderen Betriebs oder einem anderen Konzernunternehmen zugewiesen sind (zu sog Matrixstrukturen vgl zB - juris RdNr 59 f; Schweibert/Heimann, NZA 2024, 366 ff und 438 ff; Ritter, NZA 2024, 374 ff).

20Gerade in der Gesundheits- und Pflegebranche mit einem gesteigerten objektiven Interesse des Unternehmers an einem möglichst umfassenden Infektionsschutz hängt der Unfallversicherungsschutz Beschäftigter nicht allein davon ab, ob sie sich in Erfüllung einer (tatsächlichen oder vermeintlichen) Impfpflicht immunisieren lassen. Denn Impfungen schützen das Krankenhauspersonal nicht nur selbst vor Ansteckungen durch Patienten und Mitarbeiter, sondern können umgekehrt auch Infektionen der betreuten Patienten und Arbeitskollegen sowie die sonstige Übertragung und Weiterverbreitung innerhalb der Gesundheitseinrichtung verhindern (sog Drittschutz). In dieser Situation ist deshalb anhand der objektivierten Handlungstendenz wertend zu entscheiden, ob die konkret-individuelle Verrichtung, die zum Unfall geführt hat (hier: die Teilnahme an der Impfung), innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (dazu b; vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 66 RdNr 11; vom - B 2 U 5/12 R - SozR 4-2200 § 1150 Nr 2 RdNr 18; vom - B 2 U 5/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 4 RdNr 5; vom - B 2 U 26/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 5 RdNr 5; vom - B 2 U 33/02 R - juris RdNr 14 und vom - B 2 U 39/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 3 S 15).

21a) Das LSG hat eine gesetzliche, tarif- oder arbeitsvertragliche Impfpflicht zu Recht verneint. Dass es den Inhalt des Schreibens der Krankenhausverwaltung vom nicht als arbeitgeberseitige Weisung (§ 106 GewO) aufgefasst hat, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die Auslegung derartiger individueller Erklärungen durch das LSG unterliegt nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle (dazu exemplarisch - BSGE 127, 203 = SozR 4-2700 § 185 Nr 2, RdNr 13; vom - B 2 U 1/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 42 RdNr 19 und vom - B 5 R 8/14 R - BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, RdNr 33). Das Revisionsgericht ist grundsätzlich an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden, was im Einzelfall unter welchen Begleitumständen erklärt, gewollt, gemeint und verstanden wurde (§ 163 Halbsatz 1 SGG), soweit nicht ausnahmsweise in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 163 Halbsatz 2 SGG). Ob das Tatsachengericht den rechtlich maßgebenden Sinn einer individuellen Erklärung richtig bestimmt (ausgelegt) hat, kontrolliert das BSG - rügeunabhängig - nur eingeschränkt: Es prüft lediglich, ob die Vorinstanz die revisiblen bundesrechtlichen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), anerkannte Auslegungsgrundsätze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet, bei der Ermittlung des Bedeutungsgehalts gegen Denkgesetze verstoßen (exemplarisch - SozR 4-2700 § 2 Nr 42 RdNr 19 und vom - B 5 R 8/14 R - BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, RdNr 34) und alle von ihr selbst festgestellten tatsächlichen Umstände vollständig verwertet hat ( - BSGE 127, 203 = SozR 4-2700 § 185 Nr 2, RdNr 13 und grundlegend vom - 10 RAr 1/93 - BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 S 47). Dagegen untersucht es nicht, ob die tatrichterliche Auslegung einer Erklärung im Ergebnis "richtig" oder das Auslegungsergebnis unter mehreren möglichen das Nächstliegende ist ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 42 RdNr 19 mwN). Der Kläger hat keine durchgreifenden Rügen erhoben und weder aufgezeigt noch ist sonst erkennbar, dass das LSG bundesrechtliche bzw sonstige anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet oder Denkgesetze verletzt haben könnte, als es den Weisungscharakter des Schreibens vom verneinte und stattdessen ein unverbindliches Impfangebot des Krankenhausträgers annahm. Es ist ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz sowohl eine subjektive Fehlvorstellung des Klägers über den (mutmaßlichen) Weisungscharakter des Schreibens vom als auch einen schutzwürdigen (Rechts-)Irrtum über seine (vermeintliche) Pflicht, sich betrieblich impfen zu lassen, im Ergebnis verneint hat. Ob der Kläger mit der Annahme des Impfangebots ein unternehmensbezogenes Recht erwarb, an der Impfung teilzunehmen, und ob er dieses Recht ausübte, als er sich impfen ließ, hat das LSG offensichtlich deshalb nicht vertieft erörtert, weil die Impfinitiative nicht von der Arbeitgeberin des Klägers (Catering-GmbH), sondern von deren Schwesterunternehmen (dem Krankenhausträger) ausging. Es erscheint indes nicht ausgeschlossen, dass ein in konzernähnlichen Strukturen ggf erworbenes Recht gegenüber Mutter-, Tochter- oder Schwesterunternehmen der Arbeitgeberin den erforderlichen Unternehmensbezug herstellen kann.

22b) Vom Ausgangspunkt her zutreffend haben die Beklagte und das LSG auch darauf hingewiesen, dass Unfallversicherungsschutz für eine betriebliche Impfung nicht allein deshalb besteht, weil sie Unternehmer empfohlen, finanziert und anschließend im Betrieb durchgeführt haben. Denn es genügt nicht, dass Unternehmer die Impfung im Kern uneigennützig aus Fürsorgegründen (§ 21 Abs 1 SGB VII) und damit im Wesentlichen im Interesse der Beschäftigten anbieten. Dies hat der Senat für allgemeine Grippeschutzimpfungen bereits entschieden ( - SozR 2200 § 548 Nr 2). Hieran hält er weiterhin fest. Wer sich impfen lässt, um die eigene Gesundheit zu schützen, fördert keine betrieblichen, sondern eigene Interessen. Denn Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit gehören grundsätzlich zum unversicherten persönlichen Lebensbereich. Dementsprechend sind Schutzimpfungen als Leistungen der Gesundheitsprävention der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 20i SGB V) und nicht der gesetzlichen Unfallversicherung zugeordnet.

23Dass die Immunisierung aus der subjektiven Sicht des Klägers für die eigene Gesundheit oder die von Kontaktpersonen im privaten Bereich bedeutsam gewesen ist, zB weil er selbst oder andere Personen seines persönlichen Umfelds zur Indikationsgruppe 2 oder 3 der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur Impfung gegen die Neue Influenza A (H1N1) gehörten (Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts vom , 403, 404), hat das LSG indes nicht festgestellt. Soweit es aus dem Entlassungsbericht der K-Klinik über eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Januar/Februar 2017 zitiert und ihm die Diagnose "Diabetes Mellitus" entnimmt, bleibt offen, ob es sich die Diagnose zu eigen macht und wann sich die Stoffwechselerkrankung manifestiert hat. Hätte sie bereits im Zeitpunkt der Impfung am vorgelegen, wäre der Kläger als Person mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge des Grundleidens "Diabetes" der Indikationsgruppe 2 zuzuordnen gewesen, sodass er ein vitales Eigeninteresse an der Immunisierung gehabt haben könnte. Die diesbezüglichen allgemeinen (generellen) Tatsachen durfte der erkennende Senat anhand der Empfehlung der STIKO zur Impfung gegen die Neue Influenza A (H1N1) im Revisionsverfahren grundsätzlich selbst feststellen ( - juris RdNr 20 - in BSGE und SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 6 vorgesehen - und - BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19), weil sie nicht Gegenstand der Beweiswürdigung des LSG waren (BSG GrS - BSGE 102, 166 = SozR 4-1500 § 41 Nr 1, RdNr 33). Weitere Ermittlungen wird das LSG noch durchführen müssen.

24Ebenso fehlen bindende tatrichterliche Feststellungen zur Unternehmensdienlichkeit der Impfung. Soweit das LSG in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Klägers im Widerspruchs- und Klageverfahren in indirekter Rede referiert, wonach er sich aufgrund seiner Patientenkontakte, seiner Vorbildfunktion als Vorgesetzter und der Impfempfehlung der STIKO veranlasst gesehen habe, an der Grippeschutzimpfung teilzunehmen, trifft es keine bindenden tatrichterlichen Feststellungen im Sinne des § 163 SGG. Diese erfordern eine eigene Entscheidung des LSG, dass es die jeweiligen (inneren) Tatsachen als wahr ansieht. Nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, von welchem Sachverhalt bei der rechtlichen Beurteilung auszugehen ist; das Ergebnis dieses Entscheidungsprozesses und die für die Überzeugungsbildung maßgebenden Gründe sind im Urteil anzugeben (Satz 2). Es genügt deshalb nicht, wenn die Darstellung der Beteiligten oder die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen inhaltlich oder sogar wörtlich im Konjunktiv referiert werden. Erforderlich ist, dass das Gericht die Aussagen bewertet und im Indikativ mitteilt, welche Angaben es für wahr hält und deshalb seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt. Die § 128 Abs 1 SGG inhaltlich entsprechende Regelung in § 286 Abs 1 ZPO bringt dies deutlicher zum Ausdruck, wenn es dort heißt, das Gericht habe nach freier Überzeugung "zu entscheiden ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei". Das Gericht muss sich ein Beweisergebnis "zu eigen machen", dh es muss "eigene Feststellungen treffen" ( - SozR 4-2700 § 9 Nr 30 RdNr 16 und vom - B 9 VG 2/07 R - juris RdNr 18). Dafür genügt es nicht, das Vorbringen des Klägers als "durchaus nachvollziehbar" zu bezeichnen. Vielmehr wird sich das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zur subjektiven Handlungstendenz des Klägers, dh zum Vorliegen bzw Nichtvorliegen der inneren Tatsachen (Zwecke, Ziele, Absichten, Motive, Gedanken), eindeutig positionieren müssen.

25Für die erforderliche Zurechenbarkeit der Verrichtung zu der versicherten Tätigkeit muss die subjektive Handlungstendenz - als innere (Haupt-)Tatsache - durch die objektiven Umstände des Einzelfalls - als äußere (Hilfs-)Tatsachen - zur Überzeugung des Tatsachengerichts im Vollbeweis bestätigt sein ( - juris RdNr 23 und vom - B 2 U 8/17 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 67 RdNr 13). Zu diesen Hilfstatsachen können neben den objektiven Interessen des Unternehmens der Rechts- und Pflichtenkreis des Verletzten, der Unfallzeitpunkt, der konkrete Ort des Unfallgeschehens sowie dessen objektive Zweckbestimmung ebenso zählen wie die Mittel, mit denen die Verrichtung ausgeführt wird, und die Objekte bzw Gegenstände, an denen sich die Verrichtung vollzieht (vgl dazu - BSGE 133, 180 = SozR 4-2700 § 8 Nr 78, RdNr 19 und vom - B 2 U 9/16 R - BSGE 124, 93 = SozR 4-2700 § 8 Nr 63, RdNr 16, 17 f).

26Sollte das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu der Überzeugung gelangen (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), dass sich der Kläger - zumindest auch - aus unternehmensdienlichen Gründen impfen ließ, sind die spezifischen objektiven Interessen des Unternehmers, der Teil einer Unternehmensgruppe der Gesundheits- und Pflegebranche ist, in die erforderliche Wertung miteinzubeziehen. Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Impfung möge "objektiv auch dem Interesse des Arbeitgebers gedient" haben, "Krankheitsausfälle durch eine Grippeerkrankung zu vermeiden". Das allgemeine personalwirtschaftliche Ziel, grippebedingte Fehl- und Ausfallzeiten in der Krankenhausküche durch Präventivmaßnahmen zu minimieren, reicht zwar allein nicht aus, um ein besonderes unternehmerisches Interesse anzunehmen (vgl - SozR 2200 § 548 Nr 2). Hier lag es indes im spezifischen Unternehmensinteresse, die Infizierung von begrenzt verfügbarem medizinischen Fachpersonal, auf dessen Einsatzfähigkeit ein Krankenhaus gerade in Pandemiezeiten angewiesen ist, ebenso zu verhindern wie die Ansteckung besonders vulnerabler Patienten des Krankenhauses, auf dessen Belange das Catering-Unternehmen als Tochter- und Schwesterunternehmen einer konzernähnlichen Unternehmensgruppe der Gesundheits- und Pflegebranche Rücksicht zu nehmen hatte. Vor diesem besonderen Hintergrund erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Kläger die Impfung aufgrund seiner Beschäftigung berechtigterweise für erforderlich hielt. Denn im Patientenkollektiv des Krankenhauses könnten verstärkt Personen mit chronischen Krankheiten der Atmungsorgane, mit chronischen Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, mit Malignomen, Diabetes und anderen Stoffwechselkrankheiten, neurologischen und neuromuskulären Grundkrankheiten sowie mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten zu erwarten sein, die nach der Empfehlung der STIKO durch eine Influenza-Infektion erhöht gefährdet und deshalb der Indikationsgruppe 2 zuzuordnen waren (Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts vom , 403, 404). In diesem Kontext erscheint es nicht ausgeschlossen, dass er als verantwortungsbewusster Mitarbeiter innerhalb einer Unternehmensgruppe der Gesundheits- und Pflegebranche vermeiden wollte, als potentielle Infektionsquelle besonders vulnerable Krankenhauspatienten anzustecken, auch wenn er bei der Überwachung der Essensausgabe und der Ernährungsberatung nach den Feststellungen des LSG keinen unmittelbaren körperlichen Patientenkontakt hatte, wie dies "in der Notaufnahme einer Klinik üblich ist". Denn Influenza-Viren werden überwiegend durch Tröpfchen übertragen, sodass ein unmittelbarer körperlicher Kontakt weder notwendige Bedingung für die Ansteckung noch für die Übertragung ist (Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts vom , 403, 416). War der Kläger in der Küche eines Krankenhauses für eine Unternehmensgruppe der Gesundheits- und Pflegebranche sowie in infektionsgefährdender Nähe zu besonders schutzbedürftigen Krankenhauspatienten und zu begrenzt verfügbarem medizinischen Fachpersonal tätig, so könnte es auch sein, dass er sich selbst zur vordringlich zu impfenden Indikationsgruppe 1 der STIKO-Empfehlung (S 404 ebd) zählte, die allgemein "Beschäftigte in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege mit Kontakt zu Patienten" erfasste. Das Impfangebot des Krankenhauses, das sowohl für die Beurteilung medizinischer Sachverhalte als auch für das Verständnis der STIKO-Empfehlungen als besonders sachkundig anzusehen ist, konnte geeignet sein, diese Überzeugung beim Kläger hervorzurufen, zu stärken und zu unterhalten. Zudem darf nicht unbeachtet bleiben, dass das pandemische Influenzavirus A (H1N1) erst im Frühjahr 2009 bekannt wurde. Angepasste Impfstoffe standen nicht zur Verfügung. Deshalb sah sich die STIKO am zu ihrer besonderen Impfempfehlung veranlasst (Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts vom , 403 ff). An erster Stelle richtete sich die Empfehlung an alle Beschäftigten in der unmittelbaren Gesundheitsversorgung, darunter neben Ärzten und Pflegepersonal auch andere Beschäftigte mit Patientenkontakt (Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts vom , 412). In Anbetracht der zeitlichen Abläufe, der Neuartigkeit und Dringlichkeit sowie der Übertragungswege insbesondere durch Tröpfcheninfektion (Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts vom , 416) ist es nicht ausgeschlossen, dass sich der Kläger in der Akutphase dieser neuartigen Influenza am zum Schutz der Patienten aus seiner Beschäftigung heraus berechtigterweise zur Impfung veranlasst sah. Feststellungen zu diesen besonderen Umständen hat das LSG nicht getroffen. Zudem hat es für den Übertragungsweg auch nicht erkennbar auf die von der STIKO für maßgeblich gehaltene Tröpfcheninfektion abgestellt, sondern auf fehlenden unmittelbaren Körperkontakt. Die fehlenden Feststellungen werden deshalb nachzuholen und in die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) einzubeziehen sein. Nicht zwangsläufig entgegensteht in dieser besonderen Situation der Hinweis im Schreiben der Krankenhausverwaltung vom auf die Freiwilligkeit der Impfung. Denn Arbeitgeber dürfen Impfverpflichtungen mit Blick auf betroffene Grundrechte arbeitsrechtlich nicht ohne weiteres aussprechen (vgl - BVerfGE 161, 299 RdNr 209).

273. Das angefochtene Urteil erweist sich schließlich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Insbesondere lässt sich aus § 2 Abs 1 Nr 3 SGB VII nicht schließen, dass Schutzimpfungen nur unter den dort genannten Voraussetzungen versichert sind. Nach dieser Vorschrift sind kraft Gesetzes Personen versichert, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlasst worden sind. Es ist anerkannt, dass Schutzimpfungen zu den "ähnlichen Maßnahmen" zählen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 2/2024, § 2 SGB VII Anm 8.4; Bieresborn, jurisPK-SGB VII, Stand: , § 2 RdNr 182; Hedermann in Becker/Franke/Molkentin/Hedermann, SGB VII, 6. Aufl 2024, § 2 RdNr 33; Lilienfeld in Kasseler Kommentar, Stand: , § 2 SGB VII RdNr 14; Wietfeld in BeckOK Sozialrecht, Stand: , § 2 SGB VII RdNr 47 und 50). Der Versicherungspflichttatbestand erfasst indes nur Maßnahmen, die zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit bzw als Nachwirkung einer früher ausgeübten versicherten Tätigkeit erforderlich sind. Schutzimpfungen, die nach Aufnahme und vor Beendigung einer versicherten Tätigkeit erfolgen, sind dagegen dem jeweils einschlägigen Versicherungspflichttatbestand (hier: Beschäftigung nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) zuzuordnen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:270624UB2U322R0

Fundstelle(n):
WAAAJ-79767