Instanzenzug: LG Wiesbaden Az: 6 KLs 1111 Js 18753/21 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat ferner gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.084.500 € angeordnet sowie eine Entscheidung zur Anrechnung von Auslieferungshaft getroffen. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel führt zur Abtrennung des Verfahrens, soweit das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet hat; im Übrigen bleibt ihm der Erfolg versagt.
21. Der Zulässigkeit des Verfahrens steht kein Verfahrenshindernis entgegen.
3a) Der Senat muss nicht entscheiden, ob die von dem Angeklagten – einem zugelassenen, derzeit inhaftierten Rechtsanwalt – selbst abgegebene Gegenerklärung vom , die ein allein „in der Strafvollstreckung“ mandatierter Verteidiger über sein (des Verteidigers) besonderes elektronisches Anwaltspostfach an den Bundesgerichtshof „zur weiteren Bearbeitung“ übersandt hat, den Wirksamkeitserfordernissen des § 32d StPO genügt. Die darin erhobenen Einwendungen sind, soweit sie die behauptete Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes und damit ein Verfahrenshindernis betreffen, ohnehin von Amts wegen, im Übrigen auf die zulässig erhobene und ordnungsgemäß begründete Sachrüge hin zu prüfen. Sie greifen jeweils nicht durch (vgl. auch nachfolgend unter 3.).
4b) Hinsichtlich der mit Schriftsatz vom vorgebrachten Rüge einer unzulässigen Vorbefassung des Landgerichts (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) ist dem Senat eine Entscheidung in der Sache verschlossen. Eine Verfahrensrüge dieser Stoßrichtung wurde nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nach § 345 Abs. 1 StPO erhoben. Entgegen der Ansicht des Angeklagten resultiert aus einer die Besorgnis der Befangenheit begründenden Vorbefassung eines Richters kein von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis (vgl. auch Rn. 2). Nicht jede (behauptete) Verletzung einer der Garantien des Art. 6 EMRK begründet einen derart schwerwiegenden Verfahrensfehler, der es rechtfertigen würde, das Strafverfahren ohne abschließende Sachentscheidung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Verfahrenshindernis begründet durch Umstände, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Diese müssen so schwer wiegen, dass von ihnen die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (st. Rspr.; vgl. Rn. 5 mwN). Bei Besorgnis der Befangenheit eines Berufsrichters infolge Vorbefassung besteht mit Blick auf die dem Angeklagten eröffneten Ablehnungs- und Rügemöglichkeiten gemäß §§ 24 ff., 338 Nr. 3 StPO hierzu regelmäßig – wie auch hier – kein Anlass.
52. Den innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO erhobenen Verfahrensbeanstandungen bleibt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen der Erfolg versagt.
63. Der Schuld- und Strafausspruch hält aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtlicher Nachprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
7Die sachlich-rechtlichen Einwendungen gegen den Schuldspruch dringen nicht durch. Im Veranlagungszeitraum 2006 unterlagen Dividendenkompensationszahlungen nicht der Kapitalertragsteuer. Beim Erwerb von Aktien im Wege eines Cum-Ex-Geschäfts wäre Kapitalertragsteuer beim Erwerber daher nur dann anzurechnen, wenn ihm die Abführung der Kapitalertragsteuer auf die originäre Dividende zuzurechnen wäre, weil er schon durch den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags wirtschaftlicher Eigentümer der Aktie wurde. Dies war aber beim Erwerb vom Leerverkäufer im Veranlagungszeitraum 2006 ebenso wenig der Fall wie in späteren Veranlagungszeiträumen (vgl. , BGHSt 66, 182 Rn. 74 ff.; , BFHE 276, 20 Rn. 43). Die Änderungen ab 2007 ließen die Grundsätze des wirtschaftlichen Eigentums unberührt.
8Für Veranlagungszeiträume ab 2007 ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs geklärt, dass auch bei Dividendenkompensationszahlungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG) ein Anspruch auf Anrechnung oder Erstattung von Kapitalertragsteuer bestehen kann; dieser steht gegebenenfalls demjenigen zu, dem im Zeitpunkt des Zuflusses der Dividendenkompensationszahlung die Anteile zuzurechnen sind (, BFHE 276, 20 Rn. 26). Die Finanzbehörden mussten daher nicht schon aufgrund einer schlichten Bezugnahme auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG erkennen, dass keine Kapitalertragsteuer hätte angerechnet oder erstattet werden dürfen (vgl. mwN). Ohnehin enthält die Behauptung, die R. GmbH habe bei der Abgabe der verfahrensgegenständlichen Körperschaftsteuererklärungen auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG hingewiesen, urteilsfremdes Vorbringen; hierzu hat das Landgericht nichts festgestellt.
94. Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen bleibt vorbehalten, denn diese würde die Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen verzögern (§ 422 StPO; vgl. Rn. 55, insoweit in BGHSt 66, 83 nicht abgedruckt; Beschlüsse vom – 1 StR 345/22 Rn. 3 und vom – 5 StR 312/23 Rn. 2).
Jäger Wimmer Allgayer
Munk Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:291024B1STR58.24.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-79763