BGH Beschluss v. - 5 StR 161/24

Instanzenzug: LG Dresden Az: 15 KLs 109 Js 57814/21

Gründe

I.

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges unter Einbeziehung von Strafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2Nach den Feststellungen beteiligte sich der Angeklagte bei der Organisation des Erwerbs einer sogenannten Mantelgesellschaft und deren wirtschaftlicher Neugründung durch den gesondert Verfolgten N.                       Dieser beabsichtigte, die Aktiengesellschaft zu betrügerischen Zwecken zu nutzen, um unter Vorspiegelung eines ordnungsgemäß wirtschaftenden Unternehmens nichtexistierende oder wertlose Aktien an Anleger im deutschsprachigen Raum zu verkaufen. Der Angeklagte kümmerte sich in der Folge um den Erwerb einer weiteren Mantelgesellschaft. Käufer war eine vom gesondert Verfolgten N.                      beherrschte Gesellschaft mit Sitz in der Türkei. Vorstand der zu errichtenden Gesellschaft sollte der weitere gesondert Verfolgte R.               werden, da der Angeklagte aufgrund einer Vorstrafe wegen Betrugs und Marktmanipulation nach eigener Einschätzung hierfür ausschied. In Abstimmung mit dem gesondert Verfolgten N.                      beauftragte er eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit der rechtlichen Betreuung des Firmenerwerbs und Einrichtung eines Treuhandkontos für die Käuferin, worauf Grundkapital, Kaufpreis und später die Anlegergelder eingezahlt werden sollten. Gegenüber dem Treuhänder war der Angeklagte, wie auch R.              , ermächtigt, Anweisungen betreffend das Treuhandkonto und die dort verwahrten Gelder zu erteilen.

3Zum Vertrieb der Aktien bediente sich N.                      eines von ihm in der Türkei betriebenen Callcenters. In der Zeit vom bis zahlten 42 Geschädigte im Vertrauen auf die zugesagte Übertragung von Aktien und deren Werthaltigkeit insgesamt 474.982 Euro ein, die auf dem Treuhandkonto einer Rechtsanwaltsgesellschaft verwaltet wurden.

4Der Angeklagte hatte zunächst keine Kenntnis von den kriminellen Absichten. Spätestens am , nach Erhalt einer E-Mail des Treuhänders, in der dieser auf erhebliche Zahlungseingänge von Anlegern trotz unzureichender vertraglicher Grundlagen hinwies, wusste er, dass Aktien einer nichtexistierenden Gesellschaft ohne werthaltige Gegenleistung veräußert wurden. Er unternahm nichts, um die Einzahler zu unterrichten oder eine Rückzahlung an sie zu veranlassen. Zudem nahm er weitere Einzahlungen von 32 Geschädigten in Höhe von insgesamt 347.782 Euro zumindest billigend in Kauf. Darüber hinaus beteiligte er sich an dem vom gesondert Verfolgten N.                      beherrschten Betrugskonstrukt, indem er in zwei Telefonaten den Irrtum eines Anlegers über die ordnungsgemäße Verwendung seines eingezahlten Geldes aufrechterhielt. Ferner bemühte er sich auf Bitten des gesondert Verfolgten N.                      am darum, den Treuhänder zur Überweisung der auf dem Treuhandkonto verwahrten Anlegergelder an die von N.                      geführte Gesellschaft zu veranlassen, was jener verweigerte. Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens wurden die noch beim Treuhänder befindlichen Anlegergelder zurückgezahlt.

5Der Angeklagte erhielt für seine Tätigkeit etwa 18.000 Euro. Er wollte sich zudem eine noch auszuhandelnde Gewinnbeteiligung und die weitere Zusammenarbeit mit dem gesondert Verfolgten N.                      sichern, um so für einen nicht unerheblichen Zeitraum seinen Lebensunterhalt zu sichern.

II.

6Die auf die Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

71. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich ab dem Zeitpunkt seiner Kenntnis vom betrügerischen Handeln der gesondert Verfolgten N.                      und R.               diesen als Mittäter angeschlossen, wird von den Feststellungen getragen.

8a) Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt als Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Bei der hierfür vom Tatgericht vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände sind maßgeblich der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. mwN). Mittäterschaft kann auch dann vorliegen, wenn sich eine Person einer zunächst fremden Tat nach deren Beginn und vor ihrer Beendigung als Täter in Kenntnis und unter Billigung des bisherigen Tatablaufs anschließt und ihr Handeln noch Einfluss auf den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 583/19, NStZ 2020, 727 f.; vom – 3 StR 627/17 Rn. 16; vom – 3 StR 131/09, NStZ 2010, 146 f.; Urteil vom – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 128 f.). Eine solche sukzessive Zurechnung setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Hinzutretende in der Vorstellung handelt, die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs durch sein eigenes Handeln weiter zu fördern oder diesen zu vertiefen (vgl. ; Urteil vom – 5 StR 360/11, NStZ-RR 2012, 77 f.).

9b) Dem angefochtenen Urteil ist im Gesamtzusammenhang zu entnehmen, dass diese Maßgaben erfüllt sind.

10aa) Soweit allerdings die Strafkammer darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte den Erwerb der jeweiligen Gesellschaften organisierte und jeweils die Notartermine vorbereitete, handelte es sich um Tätigkeiten vor seiner Kenntnis vom betrügerischen Vorgehen des gesondert Verfolgten N.                     , so dass in dieser Phase des Geschehens (vor dem ) der erforderliche Vorsatz des Angeklagten fehlte.

11bb) Zutreffend hat das Landgericht die mittäterschaftliche Tatbeteiligung aber auch damit begründet, dass sich der Angeklagte ab dem bewusst dem Tatplan des gesondert Verfolgten N.                      angeschlossen hatte und dann gewichtige Tatbeiträge leistete. So hatte er (weiterhin) die formale Verfügungsbefugnis über bereits eingegangene Anlegergelder auf dem – dem unmittelbaren Zugriff des gesondert Verfolgten entzogenen – Treuhandkonto der Rechtsanwaltsgesellschaft und nahm weitere Einzahlungen in erheblicher Höhe von Anlegern mindestens billigend in Kauf. Er war der alleinige Ansprechpartner des Treuhänders. Mit diesem kommunizierte er regelmäßig, insbesondere wegen dessen wiederholter Forderung, die vertragswidrigen Verhältnisse hinsichtlich der Anlegergelder zu beseitigen. Der Angeklagte setzte sich aktiv für das von N.                      geschaffene Betrugskonzept ein, beispielsweise indem er mit einem Anleger zwei Telefonate führte, in denen er dessen Irrtum von einer vertragsgemäßen Verwendung des angelegten Kapitals bewusst aufrechterhielt. Darüber hinaus wies er den Treuhänder etwa einen Monat vor dem Zusammenbruch des betrügerischen Konstrukts telefonisch an, die von ihm verwahrten Anlegergelder auf ein Konto zu überweisen, auf welches der gesondert Verfolgte N.                      unmittelbaren Zugriff gehabt hätte, wenn sich der Treuhänder nicht geweigert hätte. Die (auch) an diese Tatbeiträge anknüpfende Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe Tatherrschaft besessen, beruht damit auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Seine Annahme, der Schwerpunkt der Handlungen des Angeklagten liege im positiven Tun, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zur Abgrenzung positiven Tuns vom unechten Unterlassen, Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit vgl. BGH, Beschlüsse vom – GSSt 3/53, BGHSt 6, 46, 59; vom – 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607; Urteil vom – 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528 f.; Urteil vom – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 114; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., Vorbem. zu §§ 13 ff. Rn. 158 mwN). Soweit das Landgericht ausgeführt hat, der Angeklagte habe bereits in erheblichem Umfang Honorar und Reisespesen erhalten, die Geschäftsbeziehung zu N.                      aufrechterhalten wollen und auf eine Gewinnbeteiligung gehofft, hat es der Sache nach das besondere wirtschaftliche Interesse am Taterfolg festgestellt.

122. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat, tragen die getroffenen Feststellungen die Annahme einer Bandenabrede zwischen dem Angeklagten und mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern. Insoweit hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten R.               den von N.                      initiierten Verkauf nichtexistierender oder völlig wertloser Aktien einer unter dem Namen D.    firmierenden Gesellschaft zu eigen gemacht hat. Ihm war nach dem Urteilsinhalt spätestens am bewusst, Teil einer Organisationsstruktur geworden zu sein, die es darauf anlegte, eine unbestimmte Vielzahl von Anlegern durch Anrufe aus dem von N.                      in der Türkei betriebenen Callcenter zur Zahlung erheblicher Geldbeträge ohne werthaltige Gegenleistung zu veranlassen. Er ging davon aus, dass auch die im Callcenter agierenden Personen bewusst die Anleger täuschten.

133. Der Strafausspruch hat ebenfalls Bestand. Die Strafkammer hat den Schuldumfang rechtsfehlerfrei bestimmt.

14Die Berücksichtigung des von den Anlegern insgesamt überwiesenen Betrages in Höhe von 470.000 Euro ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Eine Zurechnung der vor dem entstandenen Schäden war möglich, da das Landgericht das pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten herangezogen hat, der aus „grober Nachlässigkeit“ den Gesamtschaden mitverursacht hatte. Dies durfte im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden, da ein schuldrelevanter Zusammenhang mit der Tat besteht (vgl. , NStZ-RR 2017, 168 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:170724B5STR161.24.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-79643