Instanzenzug: LG Kleve Az: 140 Ks 1/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und Brandstiftung zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt sowie die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die auf die Sachbeschwerde und eine Verfahrensrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen waren der Angeklagte und das spätere Tatopfer miteinander befreundet. Nachdem der Angeklagte, der in finanziellen Schwierigkeiten war, erfahren hatte, sein Freund bewahre in dessen Wohnung einen größeren Bargeldbetrag sowie Gold auf, entschloss er sich, diesen durch Drohung mit einer Schusswaffe zur Preisgabe des Verstecks zu veranlassen. Darüber hinaus fasste er ins Auge, ihn zur Verdeckung des Überfalls zu töten. Nachdem der Angeklagte das spätere Tatopfer vom Flughafen abgeholt hatte, fuhren beide gemeinsam in dessen Wohnung. Während eines Frühstücks zwang der Angeklagte unvermittelt den arglosen Geschädigten durch Drohung mit einer Schusswaffe, das Versteck zu verraten, in dem dieser 18.000 € und Goldschmuck im Wert von jedenfalls 5.000 € verwahrte. Nachdem der Geschädigte das Versteck preisgegeben hatte, versuchte er zu fliehen. Daraufhin gab der Angeklagte von hinten zwei Schüsse auf ihn ab, um ihn zu töten. Der zweite Schuss traf im hinteren Nacken und führte zum Tod. Mit Hilfe weiterer Personen zerstückelte der Angeklagte am Tatort die Leiche. Anschließend verpackte er sie in mehrere Plastiktüten und transportierte sie in einen Wald, wo sie vergraben wurde.
3Nachdem der Angeklagte erfahren hatte, dass die Polizei wegen des Verschwindens des Opfers Ermittlungen aufgenommen hatte und nach einem unbekannten Mann fahndete, der am Tattag das Tatopfer vom Flughafen abgeholt und anschließend mit diesem gefrühstückt hatte, setzte der Angeklagte zur Beseitigung der Spuren die Wohnung des Getöteten in Brand.
42. In rechtlicher Hinsicht hat das Landgericht das Tatgeschehen als Mord aus Habgier gemäß § 211 Abs. 2 Variante 3 StGB gewürdigt. In Abweichung zur Anklage hat es hingegen das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Variante 5 StGB) nicht angenommen. Die Inbrandsetzung der Wohnung hat die Strafkammer als Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewertet. Neben der Verhängung einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe hat sie die besondere Schwere der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB festgestellt.
II.
5Die Verfahrensbeanstandung, mit welcher der Beschwerdeführer eine Verletzung der Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO i.V.m. Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und b EMRK sowie Art. 103 Abs. 1 GG rügt, hat keinen Erfolg.
61. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
7a) Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage war dem Angeklagten zur Last gelegt worden, durch zwei selbständige Handlungen zum einen aus Habgier und heimtückisch einen Menschen getötet (§ 211 Abs. 1 und 2 Variante 3 und 5 StGB) und zum anderen ein Gebäude in Brand gesetzt zu haben, wobei er in der Absicht gehandelt habe, eine andere Straftat zu verdecken (§ 306a Abs. 1, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB). Einen Hinweis auf die mögliche Feststellung der besonderen Schuldschwere gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB enthielt weder die Anklage noch der Eröffnungsbeschluss. Während der Hauptverhandlung wies der Vorsitzende den Angeklagten darauf hin, dass anstelle einer Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB auch eine Verurteilung wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht komme, nicht aber auf die Möglichkeit der Feststellung der besonderen Schuldschwere. Diese beantragte auch weder der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft noch der Nebenklägervertreter in ihren Schlussvorträgen.
8b) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass aufgrund der Neufassung des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO eine Pflicht des Landgerichts bestanden habe, auf die Feststellung der besonderen Schuldschwere hinzuweisen. Er habe aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls darauf vertrauen dürfen, dass § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nicht zur Anwendung komme. Der fehlende Hinweis sei zur genügenden Verteidigung erforderlich gewesen. Ferner ergebe sich die Hinweispflicht aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und b EMRK sowie aus Art. 103 Abs. 1 GG.
92. Die gesetzliche Hinweispflicht ist nicht verletzt. Eine solche ergibt sich weder aus § 265 Abs. 1 noch aus § 265 Abs. 2 StPO, insbesondere nicht aus § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Auch eine analoge Anwendung der letztgenannten Vorschrift scheidet aus. Ferner ist durch die Verfahrensweise des Landgerichts weder das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und b EMRK) noch der Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt.
10a) Nach § 265 Abs. 1 StPO ist das Gericht verpflichtet, dem Angeklagten einen Hinweis zu erteilen und diesem Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, wenn es ihn aufgrund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilen will. Die Vorschrift ist im Fall der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) bereits nach ihrem Wortlaut nicht anwendbar (vgl. , BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 13; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 265 Rn. 32; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 57a Rn. 27; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 265 Rn. 15a; KK-StPO/Bartel, 9. Aufl., § 265 Rn. 9; LK/Ceffinato/Hubrach, StGB, 13. Aufl., § 57a Rn. 41; SSW-StGB/Claus, 6. Aufl., § 57a Rn. 22; SSW-StPO/Rosenau/Dorneck, 5. Aufl., § 265 Rn. 22; aA MüKoStPO/Norouzi, 2. Aufl., § 265 Rn. 27, 29; BeckOK StPO/Eschelbach, 52. Ed., § 265 Rn. 28; NK-StGB/Dünkel/Pruin, 6. Aufl., § 57a Rn. 24; Lüderssen, StV 2006, 60, 61; Wollweber, NJW 1998, 121, 122; SK-StGB/Schall, 10. Aufl., § 57a Rn. 38;HK-StPO/Beckemper, 7. Aufl., § 265 Rn. 5; kritisch Radtke/Hohmann, StPO, § 265 Rn. 42; zweifelnd , juris Rn. 9 f.). Insbesondere bestehen nicht infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungskonformen Auslegung von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ( u.a., BVerfGE 86, 288) zwei verschiedene Mordtatbestände (aA Lüderssen, StV 2006, 60, 61; NK-StGB/Dünkel/Pruin, 6. Aufl., § 57a Rn. 24). Denn die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld ist systematisch kein Teil der Entscheidung zu Schuld- und Strafausspruch. Sie ist vielmehr eine Entscheidung für das Vollstreckungsverfahren, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus diesem herausgelöst und dem Tatgericht übertragen worden ist. Sie dient nicht der Bemessung der Sanktion, sondern der Vorbereitung einer Entscheidung über die Aussetzung ihrer weiteren Vollstreckung, die grundsätzlich dem Vollstreckungsgericht obliegt (vgl. , BGHSt 40, 360, 366 f.; Urteil vom - 5 StR 46/18, NStZ 2018, 652, 653; MüKoStGB/Groß/Kett-Straub, 4. Aufl., § 57a Rn. 1; BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 62. Ed., § 57a Rn. 6.1).
11b) Weiterhin lässt sich § 265 Abs. 2 Nr. 1 Variante 1 StPO keine Pflicht zur Erteilung eines Hinweises auf § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB entnehmen.
12§ 265 Abs. 2 Nr. 1 Variante 1 StPO enthält eine gerichtliche Hinweispflicht für den Fall, in dem sich erst in der Hauptverhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen. Diese Fallgestaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass durch ein ergänzendes Merkmal nach derselben Strafnorm oder einer anderen gesetzlichen Regelung die Strafbarkeit erhöht wird, also entweder durch Hinzutreten eines weiteren Tatbestandsmerkmals ein neuer gesetzlicher Tatbestand entsteht (vgl. , BGHSt 29, 274, 279 f.) oder eine anderweitig gesetzlich festgelegte Strafschärfungsregelung angewendet werden soll (, NJW 1977, 1830; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 265 Rn. 18; BeckOK StPO/Eschelbach, 52. Ed., § 265 Rn. 27). Hierunter fallen etwa Qualifikationen und Regelbeispiele für besonders schwere Fälle, nicht aber der Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld (, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 13; Urteil vom - 2 StR 468/04, StV 2006, 60, 61; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 265 Rn. 32; LK/Ceffinato/Hubrach, StGB, 13. Aufl., § 57a Rn. 41; aA MüKoStPO/Norouzi, 2. Aufl., § 265 Rn. 29; Wollweber, NJW 1998, 121, 122; HK-StPO/Beckemper, 7. Aufl., § 265 Rn. 5; BeckOK StPO/Eschelbach, 52. Ed., § 265 Rn. 28). Denn um die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe vorzubereiten, hat das Tatgericht im Urteil die Umstände aufzuführen, die eine Beurteilung der Schuldschwere ermöglichen. Es hat diese Umstände abzuwägen, zu gewichten und danach zu entscheiden, ob die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiegt (vgl. u.a., BVerfGE 86, 288, 321 ff.; , BGHSt 40, 360, 366 f.). Dieser Beurteilungsvorgang entspricht damit in der Sache demjenigen, der bei den im Strafgesetzbuch aufgeführten unbenannten besonders schweren Fällen stattfindet, für die § 265 Abs. 2 StPO ebenfalls nicht gilt (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 328/96, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 13; vom - 1 StR 644/99, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 265 Rn. 19; KK-StPO/Bartel, 9. Aufl., § 265 Rn. 17; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 265 Rn. 41; BeckOK StPO/Eschelbach, 52. Ed., § 265 Rn. 27; aA Radtke/Hohmann, StPO, § 265 Rn. 48; SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 265 Rn. 25). Auch aus der Neufassung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO folgt nichts Anderes, da die hier allein in Betracht kommende Variante 1 der vorgenannten Vorschrift unverändert geblieben ist.
13c) Ferner ist die Verfahrensweise des Landgerichts mit § 265 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 StPO in der Fassung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom (BGBl. I S. 3202, 3210) vereinbar.
14aa) Durch diese Regelung ist die Hinweispflicht des § 265 Abs. 1 StPO auf Fälle erweitert worden, in denen sich in der Hauptverhandlung die Sachlage gegenüber der Schilderung des Sachverhalts in der zugelassenen Anklage ändert und dies zur genügenden Verteidigung vor dem Hintergrund des Gebots rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und des rechtsstaatlichen Grundsatzes des fairen Verfahrens (vgl. , juris Rn. 3 ff.) einen Hinweis erforderlich macht (vgl. BT-Drucks. 18/11277 S. 37; , StV 2019, 818 Rn. 14 f.). Der Gesetzgeber hat insoweit an die ständige Rechtsprechung angeknüpft, wonach eine Veränderung der Sachlage eine Hinweispflicht auslöst, wenn sie in ihrem Gewicht einer Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkts gleichsteht (BT-Drucks. 18/11277 S. 37). Die durch den Bundesgerichtshof hierzu entwickelten Grundsätze sollten kodifiziert, noch weitergehende Hinweispflichten hingegen nicht eingeführt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 85/24, juris Rn. 16; vom - 6 StR 276/23, NJW 2024, 1594 Rn. 43; vom - 1 StR 185/19, BGHR StPO § 265 Abs. 2 Nr. 3 Hinweispflicht 2 Rn. 12; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 265 Rn. 50; Ceffinato, JR 2020, 6, 8 f.).
15bb) Vor diesem Hintergrund steht bereits der Gesetzeswortlaut des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO der Erforderlichkeit eines Hinweises auf die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld entgegen. Die Norm setzt voraus, dass sich die Sachlage gegenüber der Schilderung des Sachverhalts in der zugelassenen Anklage geändert hat. Dies ist bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nicht der Fall. Denn insoweit trifft das Tatgericht aus dem unverändert gebliebenen Tatsachenmaterial lediglich die von der Anklage abweichende rechtliche Beurteilung, wonach die Voraussetzungen der besonderen Schuldschwere erfüllt sind (vgl. , wistra 2006, 191; s. auch , BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 24 Rn. 18 f.).
16d) Ferner ist für eine analoge Anwendung des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO kein Raum.
17aa) Analogie ist die rechtsfolgenmäßige Gleichsetzung zweier unterschiedlicher Tatbestände, die zulässig ist, wenn auf Grund einer dem Gesetzgeber nicht deutlich gewordenen unbeabsichtigten (planwidrigen) Lücke im Gesetz nur eine der beiden Fallgestaltungen geregelt ist, sich beide Tatbestände aber so ähneln, dass ihre Gleichbehandlung trotz der vorhandenen Unterschiede geboten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 118/20, BGHSt 65, 20 Rn. 20; vom - 1 StR 350/05, NStZ-RR 2006, 214; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., Einl. Rn. 198). Aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG angeordneten Vorrang des Gesetzes folgt zwar kein Verbot, vom Gesetzgeber nicht gesehene Regelungslücken im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen; hat der Gesetzgeber jedoch eine Lücke erkannt, ist es auf Grund der Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG seine Aufgabe zu entscheiden, ob er die erkannte Regelungslücke bestehen lassen oder durch eine Regelung schließen will (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 ARs 3/20, NStZ-RR 2021, 52, 54; vom - 2 StR 495/12, juris Rn. 41, 87; vom - 1 StR 118/20, BGHSt 65, 20 Rn. 21).
18bb) Dies zu Grunde gelegt fehlt es vorliegend an einer planwidrigen Regelungslücke. Dem Gesetzgeber war bei der Neuregelung der Vorschrift durch Art. 3 Nr. 33 Buchst. a des Gesetzes zur effektiven und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom (BGBl. I, S. 3202) die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur früheren Gesetzeslage bekannt (vgl. BT-Drucks. 18/11277, S. 15, 37; s. auch , BGHSt 66, 20 Rn. 23). Danach bestand keine Hinweispflicht auf die Feststellung der besonderen Schuldschwere nach § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB. In Kenntnis dessen hat der Gesetzgeber die Hinweispflicht nicht erweitert.
19e) Schließlich gebietet weder das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und b EMRK) noch der Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eine Hinweispflicht (vgl. hierzu , BGHSt 66, 20 Rn. 21; Radtke/Hohmann, StPO, § 265 Rn. 1 ff.; KK-StPO/Kuckein/Bartel, 9. Aufl., § 265 Rn. 1; BeckOK StPO/Eschelbach, 52. Ed., § 265 Rn. 1; s. auch BT-Drucks. 18/11277, S. 37).
20aa) Das Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Darüber hinaus folgt der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren auch unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK (, BGHSt 66, 20 Rn. 21; LR-StPO/Esser, 26. Aufl., Art. 6 EMRK Rn. 172 ff. jeweils mwN; Steiner, Das Fairnessprinzip im Strafprozess, 1995, S. 65 ff.; Rzepka, Zur Fairness im deutschen Strafverfahren, 2000, 115 ff.; Schmidt, Prozessuale Fürsorgepflicht und fair trial, 2010, S. 92 ff.). Seine Konkretisierung ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers und erst anschließend in den vom Gesetz gezogenen Grenzen Pflicht der zuständigen Gerichte bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung (vgl. , NStZ 2016, 422, 423 mwN).
21bb) Nach diesen Maßstäben war die Feststellung der besonderen Schuldschwere für den Angeklagten - auch mit Blick auf die Besonderheiten des Falles - nicht überraschend. Ihm ist in der Anklage die Erfüllung zweier Mordmerkmale sowie die Begehung eines weiteren tatmehrheitlich begangenen Verbrechens zur Last gelegt worden. Bereits hierdurch war für den verteidigten Angeklagten erkennbar, dass eine Verurteilung wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe konkret drohte und das Gericht daher auch eine Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld zu treffen hatte (vgl. , StV 2006, 60, 61; vom - 1 StR 328/96, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 13; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 265 Rn. 32; SSW-StPO/Rosenau/Dorneck, 5. Aufl., § 265 Rn. 22; LK/Ceffinato/Hubrach, StGB,13. Aufl., § 57a Rn. 41; aA Wollweber, NJW 1998, 121, 122). In Anbetracht dessen konnte auch der Inhalt des erteilten Hinweises sowie der Schlussplädoyers kein besonderes Vertrauen beim Angeklagten begründen, dem durch eine gerichtliche Hinweispflicht Rechnung zu tragen gewesen wäre.
III.
22Die Überprüfung des Urteils auf die erhobene Sachrüge hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
Schäfer Paul Hohoff
Anstötz Voigt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110924B3STR109.24.0
Fundstelle(n):
NAAAJ-79637