ESt:
§ 5 Abs. 1
EStG;
Rückstellung für die Aufbewahrung
von Geschäftsunterlagen in Papier oder digitaler Form
Bezug:
I. Rückstellung dem Grunde nach
Für die zu erwartenden Aufwendungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, weil dafür eine öffentlich-rechtliche Aufbewahrungspflicht (§ 257 HGB, § 147 AO sowie Einzelsteuergesetze) besteht (, BStBl 2003 II S. 131). Die Passivierungspflicht besteht sowohl in der Handelsbilanz als auch (über den Maßgeblichkeitsgrundsatz) in der Steuerbilanz.
Bei der Bildung dieser Rückstellung ist zu berücksichtigen, welche Unterlagen tatsächlich aufbewahrungspflichtig sind und wie lange die Aufbewahrungspflicht für einzelne Unterlagen noch besteht (vgl. H 6.11 (Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen) EStH 2022).
Es besteht nicht für alle Unterlagen eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren. Zehn Jahre lang aufzubewahren sind insbesondere Jahresabschlüsse mit allen dazugehörenden Unterlagen, Buchungsbelegen (§ 257 Abs. 1 Nr. 1 und 4 i. V. m. Abs. 4 HGB, § 147 Abs. 1 Nr. 1 und 4 i. V. m. Abs. 3 AO) sowie Ein- und Ausgangsrechnungen (§ 14b UStG). Handels- und Geschäftsbriefe sowie sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, sind sechs Jahre lang aufzubewahren (§ 257 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i. V. m. Abs. 4 HGB, § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i. V. m. Abs. 3 AO). Werden Unterlagen freiwillig länger aufbewahrt, fehlt es an der rechtlichen Verpflichtung. Eine Rückstellung kommt insoweit nicht in Betracht. Die Höhe des rückstellungsfähigen Aufwandes kann daher nur im Einzelfall festgestellt werden. Dabei kommt es vor allem darauf an, wie sich die aufbewahrten Unterlagen zusammensetzen. Sind Feststellungen zur Zusammensetzung der aufbewahrten Unterlagen im Einzelfall nicht oder nur unter erheblichem Aufwand möglich, bestehen keine Bedenken, für Unterlagen, zu deren Aufbewahrung der Unternehmer nicht verpflichtet ist, einen Abschlag von 20 % von den Gesamtkosten vorzunehmen (vgl. Beispiel 2b).
II. Rückstellung der Höhe nach
a) berücksichtigungsfähige Kosten
Die Rückstellung ist mit dem Betrag zu passivieren, der nach den Preisverhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtages für die Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich notwendig ist. Die Sachleistungsverpflichtung ist mit den Einzelkosten und einem angemessenen Teil der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe b EStG).
Bei der Berechnung sind folgende Kosten einzubeziehen:
Einmaliger Aufwand für das Einscannen oder die Einlagerung der am Bilanzstichtag noch nicht archivierten Unterlagen für das abgelaufene Wirtschaftsjahr, für das Brennen von DVD/CD und für die Datensicherung (Sach- und Personalkosten). Die Kosten für die fortlaufende Archivierung im laufenden Veranlagungszeitraum bis zum Bilanzstichtag sind nicht einzubeziehen.
Raumkosten (anteilige Miete bzw. Gebäude-AfA, Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Instandhaltung, Heizung, Strom) für Räumlichkeiten, die der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen dienen. Soweit im Zusammenhang mit der digitalen Speicherung noch ein Raumbedarf besteht (z. B. für einen anteiligen PC-Arbeitsplatz, bei größeren Betrieben für einen (anteiligen) Server oder für Lagerungszwecke), dürfte bei kleineren und mittleren Betrieben nur noch ein geringer Platzbedarf bestehen, der entsprechend auch nur anteilig zu berücksichtigen ist.
Einrichtungsgegenstände (AfA für Regale und Schränke), es sei denn, diese sind bereits abgeschrieben.
Anteilige Finanzierungskosten für den Server, den PC oder die Archivräume ( BStBl II 2013 S. 676).
Der Zinsanteil aus Leasingraten (z. B. für die o. g. technischen Geräte oder für Archivräume), wenn der Leasingnehmer nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes ist (Folge aus dem a. a. O).
Nicht rückstellungsfähig sind
die Kosten für die zukünftige Anschaffung von zusätzlichen Regalen und Ordnern (§ 5 Abs. 4b Satz 1 EStG),
die Kosten für die Entsorgung der Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist,
die Kosten für die Einlagerung künftig entstehender Unterlagen,
die Finanzierungskosten bei Poolfinanzierung, wenn eine verursachungsgerechte Zuordnung zur Herstellung/Anschaffung durch Kostenschlüsselung nicht möglich ist oder die Kosten nicht angemessen sind ( a. a. O., 2. Leitsatz im Umkehrschluss) und
die Kosten für die Aufbewahrung von Mandantendaten sowie Handakten bei einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft (Hinweis auf , BStBl II 2020 S. 671).
b) Berechnung der Rückstellung
Bei der Bewertung der Rückstellung ist die verbleibende Dauer der Aufbewahrungspflicht in Abhängigkeit vom Entstehungszeitpunkt der jeweiligen Unterlagen und der gesetzlich angeordneten Dauer der Aufbewahrungsfristen zu berücksichtigen. Sind Unterlagen aufzubewahren, die verschiedenen Jahrgängen entstammen und daher zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus der Aufbewahrungspflicht ausscheiden, können anteilige Kosten für denjenigen Teil der Unterlagen, die ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr aufzubewahren sind, nicht in die Bewertung der Rückstellung einbezogen werden (, BStBl II 2011 S. 496).
Die Rückstellung kann nach zwei Methoden berechnet werden:
1. Möglichkeit:
Die jährlichen Kosten werden für die Unterlagen eines jeden aufzubewahrenden Jahres gesondert ermittelt. Dieser Betrag ist dann jeweils mit der Anzahl der Jahre bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu multiplizieren.
2. Möglichkeit:
Die jährlich anfallenden rückstellungsfähigen Kosten eines bestehenden Betriebs können mit dem Faktor 5,5 multipliziert werden (arithmetisches Mittel der Jahre eins bis zehn). In der Praxis wird die Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen üblicherweise nach dieser Berechnungsmethode ermittelt. Eine Unterscheidung zwischen den zehn und sechs Jahre lang aufzubewahrenden Unterlagen kann in der Regel insoweit aus Vereinfachungsgründen unterbleiben.
Die Aufwendungen für das Einscannen, die Einlagerung und Datensicherung fallen nur einmal an; sie sind deshalb nicht zu vervielfältigen.
Der BFH hat diese Berechnungsmethode bestätigt (Urteil vom , a. a. O., Rz. 22). Diese Berechnungsmethode berücksichtigt, dass nicht der gesamte Archivierungsraum in den künftigen Jahren erforderlich ist, sondern sich dieser Bedarf durch Aussonderung eines Jahrgangs jährlich um 1/10 vermindert.
In die Berechnung der Rückstellung dürfen nur diejenigen Unterlagen einbezogen werden, die am betreffenden Bilanzstichtag tatsächlich entstanden sind. Kommen zu einem späteren Zeitpunkt neue aufzubewahrende Unterlagen dazu, die am Bilanzstichtag noch nicht vorhanden sind, darf der Aufbewahrungsaufwand hierfür nicht einbezogen werden. Im Falle einer Neugründung eines Betriebs können die Aufbewahrungskosten im Erstjahr mit dem Faktor 10 multipliziert werden. Bezugsgröße ist dabei der Aufwand, soweit er auf die vorhandenen, aufbewahrungspflichtigen Unterlagen entfällt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der anteilige Raumbedarf für jeden Jahrgang aufbewahrungspflichtiger Unterlagen aus Vereinfachungsgründen mit 1/10 der Aufwendungen für den gesamten Archivraum angesetzt wird und der Faktor aus dem arithmetischen Mittel der Restlagerdauer der jeweiligen eingelagerten Jahrgänge ermittelt wird (vgl. III. 3. Beispiel).
c) Abzinsung der Rückstellung
Eine Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist nicht abzuzinsen. Für die Abzinsung ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e S. 2 EStG der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung maßgebend. Da die Aufbewahrungspflicht aber mit dem Entstehen der Unterlagen beginnt, ergibt sich hier kein Abzinsungszeitraum.
d) Handelsrechtlicher Höchstansatz
Die Höhe der Rückstellung in der Steuerbilanz darf den zulässigen Ansatz in der Handelsbilanz nicht übersteigen (vgl. R 6.11 Abs. 3 EStR 2012, bestätigt durch a. a. O., sowie , BStBl II 2020 S. 195; Ausnahme: Pensionsrückstellungen). Zu weiteren Einzelheiten siehe ESt-Kartei zu § 6 EStG Nr. 3.1.
Eine Vorlage für die Berechnung der Rückstellung findet sich im LStN-Vorlagenverzeichnis/Allgemeine Prüffelder/Passiva/RSt Rückstellung Geschäftsunterlagen.
III. Beispiele
1. Beispiel:
Das Einzelunternehmen X bewahrt seine Geschäftsunterlagen in digitaler Form am Arbeitsplatz des Büromitarbeiters auf. Zusätzlich wird eine Datensicherungs-DVD in einem Büroschrank verwahrt:
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AfA und
Unterhaltskosten für den PC-Arbeitsplatz (anteilige Raumkosten für 2
m2 zzgl. anteilige AfA PC-Arbeitsplatz
jährlich | 600,00
EUR |
(anteilige)
AfA für den Büroschrank (jährlich) | 100,00
EUR |
Kosten für
die Datensicherung (einmalig) | 5,00
EUR |
Die Rückstellung kann wie folgt berechnet werden:
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Anteilige
Sachkosten für den PC-Arbeitsplatz | 600,00
EUR |
AfA für den
Büroschrank | 100,00 EUR |
Jährlich
anfallende rückstellungsfähige Kosten | 700,00
EUR |
5,5 =
3.850,00 EUR |
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Kosten für
die Datensicherung (einmalig) | 5,00 EUR |
Rückstellungsbetrag | 3.855,00
EUR |
2. Beispiel:
a) Das Einzelunternehmen X bewahrt seine Geschäftsunterlagen in Papierform in einem Nebenraum seines Betriebsgebäudes mit einer Größe von 10 m2 auf.
Nach dem Bilanzstichtag ist mit folgenden Aufwendungen für die Aufbewahrung von (vorhandenen) Geschäftsunterlagen zu rechnen:
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Anteilige AfA
und Unterhaltskosten für den Nebenraum ( 10 m2,
jährlich) | 800,00
EUR |
AfA für
Einrichtungsgegenstände (jährlich) | 300,00
EUR |
Kosten der
Soft- und Hardware für die Lesbarmachung der Daten | 200,00
EUR |
Kosten für
die Datensicherung (einmalig) | 100,00
EUR |
Die Rückstellung kann wie folgt berechnet werden:
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Anteilige AfA
und Unterhaltskosten für den Nebenraum | 800,00
EUR |
AfA für
Einrichtungsgegenstände | 300,00
EUR |
Kosten der
Soft- und Hardware für die Lesbarmachung der Daten | 200,00 EUR |
Jährlich
anfallende rückstellungsfähige Kosten | 1.300,00
EUR |
x 5,5 =
7.150,00 EUR | |
Kosten der
Datensicherung | 100,00 EUR |
Rückstellungsbetrag | 7.250,00
EUR |
b) Abwandlung: Das Einzelunternehmen X bewahrt in dem Archivraum auch Unterlagen auf, für die eine Aufbewahrungspflicht wegen Zeitablaufs nicht mehr besteht. Feststellungen zur Zusammensetzung der aufbewahrten Unterlagen könnten nur unter erheblichem Aufwand getroffen werden.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Die
Rückstellung kann wie folgt berechnet werden: | ||
Anteilige AfA
und Unterhaltskosten für den Nebenraum | 800,00
EUR | |
AfA für
Einrichtungsgegenstände | 300,00
EUR | |
Kosten der
Soft- und Hardware für die Lesbarmachung der Daten | 200,00 EUR | |
Jährlich
anfallende Kosten | 1.300,00
EUR | |
./. Abschlag
von 20 % | ./. 260,00
EUR | |
Rückstellungsfähige Kosten | 1.040,00
EUR | |
x 5,5 = | 5.720,00
EUR | |
Kosten der
Datensicherung | 100,00 EUR | |
Rückstellungsbetrag | 5.820,00
EUR |
3. Beispiel (Neugründung)
Der Einzelunternehmer Y hat seinen Betrieb Anfang des Jahres 2020 eröffnet. Er nutzt einen Raum, um dort seine aufbewahrungspflichtigen Unterlagen einzulagern. Die Raumkosten und sonstigen Kosten betragen jährlich 1.000,00 EUR. Jedes Jahr wird der Raum mit 1/10 an aufbewahrungspflichtigen Unterlagen befüllt. Zusätzlich fallen jährlich einmalige Aufbewahrungskosten i. H. v. 100,00 EUR an.
Die Rückstellung entwickelt sich wie folgt:
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Stichtag | anteilige Raumkosten | durchschnittliche Restlagerdauer
(Faktor) | einmalige Kosten | Bilanzansatz |
1.000,00 EUR
x 1/10 = 100,00 EUR | 10 Jahre | 100,00
EUR | 1.100,00
EUR | |
1.000,00 EUR
x 2/10 = 200,00 EUR | 9,5 Jahre (9
bzw. 10 Jahre) | 100,00
EUR | 2.000,00
EUR | |
1.000,00 EUR
x 3/10 = 300,00 EUR | 9,0 Jahre (8,
9 bzw. 10 Jahre) | 100,00
EUR | 2.800,00
EUR | |
ab
2029 | 1.000,00 EUR
x 10/10 = 1.000,00 EUR | 5,5 Jahre (1,
2, 3, 10 Jahre) | 100,00
EUR | 5.600,00
EUR |
Diese Karteikarte ersetzt die bisherige Karteikarte zu § 5 EStG Nr. 5.2 vom , Az. S 2137 - 106 - St 221/St 222.
Landesamt für Steuern
Niedersachsen v. - S 2137 - St 224a/St 221-3596/2023
Fundstelle(n):
ErbSt-Kartei
ND EStG §
5 Karte Nr.
5.2
ZAAAJ-79578