Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 9 U 74/20vorgehend LG Hanau Az: 7 O 1454/19
Tatbestand
1 Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2 Er unterzeichnete im Jahr 2017 bei einem Dritten einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Mercedes-Benz ML 350 Bluetec 4matic, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 ausgestattet ist. Der Erwerb des Fahrzeugs wurde - jedenfalls teilweise - darlehensfinanziert. In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung unter Einsatz eines sogenannten Thermofensters temperaturabhängig gesteuert.
3 Der Kläger hat zuletzt Zahlung in Höhe von 15.341,32 € zuzüglich Verzugszinsen sowie Freistellung von noch bestehenden Verbindlichkeiten aus dem abgeschlossenen Darlehensvertrag Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie Feststellung des Annahmeverzugs und Erstattung beziehungsweise Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Er hat außerdem die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits im Übrigen (wegen der Anrechnung weiterer Gebrauchsvorteile) verlangt.
4 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Berufungsanträge weiter.
Gründe
5Die Revision des Klägers hat Erfolg.
6Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
7Ein Anspruch gemäß §§ 826, 31 BGB bestehe nicht. Dabei könnten sowohl die Aktivlegitimation des Klägers als auch die Schlüssigkeit der Klageforderung und das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bezogen auf das Thermofenster unterstellt werden, weil es hinsichtlich eines vorsätzlich sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten an greifbaren Anhaltspunkten fehle. Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sei nicht gegeben, da die letztgenannten Vorschriften nicht dem Schutz individueller Interessen dienten.
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8Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
91. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.
102. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).
11Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
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12Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
13die erforderlichen
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:061124UVIAZR209.22.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-79175