BGH Beschluss v. - 1 StR 304/24

Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) Az: 23 Wi KLs 1/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 63 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die bisherigen Feststellungen tragen zwar den objektiven Tatbestand einer täterschaftlich verwirklichten Steuerhinterziehung, nicht jedoch die Annahme, der Angeklagte habe insoweit vorsätzlich gehandelt.

3a) Der Angeklagte war im Tatzeitraum als angestellter Tankwagenfahrer in dem Betrieb des früheren, zwischenzeitlich verstorbenen Mitangeklagten tätig. Als das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten war, fasste der frühere Mitangeklagte spätestens Anfang 2015 den Entschluss, den Angeklagten und weitere angestellte Kraftfahrer anzuweisen, Diesellieferungen verdeckt Heizöl beizumischen. Die Kunden sollten so veranlasst werden, für die gesamte bezogene Menge den höheren Preis für Diesel inclusive der im Vergleich zum Heizöl deutlich höheren Energiesteuer zu entrichten. Die Preisdifferenz zwischen dem tatsächlich gelieferten Heizöl und dem Diesel sowie der Steuervorteil, der daraus resultierte, dass der frühere Mitangeklagte für den beigemischten Anteil an Heizöl auch nur die insoweit anfallende – gegenüber Diesel merklich niedrigere – Energiesteuer abführte, sollten den Fortbestand des Unternehmens und damit auch des Arbeitsplatzes des Angeklagten sowie der weiteren Angestellten sichern.

4Der Angeklagte kam dieser Anweisung seines Vorgesetzten nach und mischte in der Zeit von bis bei 63 Lieferungen Diesel jeweils einen Anteil zwischen 3,044 und 8,3 Prozent Heizöl bei. Er war sich dabei bewusst, dass die Beimischung von Heizöl aus steuerrechtlichen Gründen verboten ist. Das hierdurch bedingte Entstehen einer besonderen Steuerlast, für die zumindest der frühere Mitangeklagte als Verantwortlicher des Unternehmens anmeldepflichtig war, hielt er für möglich und nahm billigend in Kauf, dass sein Chef durch die Verletzung seiner Anmeldepflicht Steuern in erheblichem Umfang verkürzte. Dass der Angeklagte auch mit der Möglichkeit rechnete, selbst anmeldepflichtig zu sein, hat die Strafkammer indes nicht festgestellt.

5b) Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 63 in Mittäterschaft begangenen Taten der Steuerhinterziehung verurteilt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB, § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 4 EnergieStG, § 46 Abs. 1, § 48 Abs. 1 Nr. 1a Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes [EnergieStV]). Es ist dabei davon ausgegangen, der Angeklagte habe bezogen auf die Anmeldepflicht des Mitangeklagten nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG, § 46 Abs. 1, § 48 Abs. 1 Nr. 1a EnergieStV mit dem früheren Mitangeklagten mittäterschaftlich eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begangen.

6c) Die Urteilsfeststellungen tragen im Ergebnis den objektiven Tatbestand einer in Mittäterschaft begangenen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB).

7Zwar hat das Landgericht übersehen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Senats Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein kann, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. , BGHSt 58, 218 Rn. 52 und 64 mwN), mithin täterschaftliches Handeln des Angeklagten in Bezug auf die Anmeldepflicht des früheren Mitangeklagten nicht in Betracht kommt.

8Es ist jedoch im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Anmeldepflicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 4 EnergieStG neben den Mitangeklagten auch den Angeklagten trifft. Denn Steuerschuldner nach § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EnergieStG ist jeder, der die in § 21 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG genannten Handlungen (Bereithalten, Abgeben, Mitführen oder Verwenden) vornimmt. Verwirklichen mehrere Personen bezogen auf dasselbe Energieerzeugnis die genannten Handlungen, so entsteht die Steuer mehrfach; die Täter haften als Gesamtschuldner (§ 21 Abs. 2 Satz 2 EnergieStG). Der Angeklagte gab das Diesel-Heizölgemisch ab und war daher Steuerschuldner nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG.

9d) Da die Urteilsfeststellungen indes nicht belegen, dass der Angeklagte auch in Bezug auf seine eigene Anmeldepflicht vorsätzlich handelte, hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Urteil unterliegt daher der Aufhebung. Hiervon nicht betroffen sind die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

10e) Eine Erstreckung der Aufhebung auf die mitangeklagten weiteren Kraftfahrer nach § 357 Satz 1 StPO kommt nicht in Betracht, weil es sich bei den deren Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalten nicht um dieselben prozessualen Taten im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO handelt (vgl. Rn. 14 ff.; Gericke in KK-StPO, 9. Aufl., § 357 Rn. 8 ff.). Jeder Kraftfahrer war lediglich für die durch ihn selbst durchgeführten Lieferungen steuerrechtlich verantwortlich, nicht für die des anderen.

11f) Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

12Sollte sich das neue Tatgericht keine Überzeugung davon bilden können, dass der Angeklagte in Bezug auf seine eigene Anmeldepflicht vorsätzlich handelte, käme eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Betracht (vgl. , BGHSt 58, 218 Rn. 52 und 64 und vom – 1 StR 345/19 Rn. 40 jeweils mwN).

Jäger                         Wimmer                         Bär

              Allgayer                  Welnhofer-Zeitler

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110924B1STR304.24.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-79012