Instanzenzug: Az: 2 StR 397/23 Beschlussvorgehend LG Aachen Az: 60 KLs 5/21nachgehend Az: 2 StR 397/23 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes sowie wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3a) Am gegen 21.40 Uhr betrat der vermummte Angeklagte die Filiale einer Fast-Food-Kette. Mit vorgehaltenem silbernem Revolver ging er zielstrebig auf die dort allein arbeitende Mitarbeiterin zu und forderte die Herausgabe des Geldes. Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, hielt er die Waffe direkt an ihre Stirn und später an ihren Nacken; zudem drehte er ihren Arm nach hinten und fixierte ihn zeitweise. Die Mitarbeiterin befüllte daraufhin zusammen mit dem sie weiter bedrohenden Angeklagten eine Tüte mit Geldscheinen aus der Kasse. Mit einer Beute von 270 Euro entfernte sich der Angeklagte (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
4Am gegen 22.46 Uhr betrat der vermummte Angeklagte eine Imbissstube, in der der einzige anwesende Mitarbeiter an der Kasse das Bargeld zählte. Mit vorgehaltenem silbernem Revolver ging der Angeklagte zielstrebig auf ihn zu, nahm einen blaukarierten Rucksack vom Rücken, öffnete ihn und hielt ihn dem Mitarbeiter mit der Forderung hin, das Geld aus der Kasse herauszugeben. Der Mitarbeiter ergriff die rechte Hand des Angeklagten und versuchte, ihn wegzudrücken. In dem anschließenden Gerangel gelang es ihm, den Angeklagten aus dem Imbiss zu drücken. Auf der Straße schlug ihn der Angeklagte auf die Schulter; im weiteren Verlauf löste sich ein Schuss. Durch die Gaseinwirkung wurde der Mitarbeiter verletzt. Der Angeklagte flüchtete ohne Beute und ließ den Rucksack am Tatort zurück (Fall II. 3. der Urteilsgründe).
5b) Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten, der sich zu den Taten nicht eingelassen hat, aufgrund einer Gesamtschau von Indizien überzeugt. Die Taten wiesen nicht nur erhebliche Parallelen auf, sondern der Angeklagte habe auch in der Vergangenheit entsprechende Taten begangen. Außerdem habe sich im Besitz des Angeklagten Kleidung, „die grundsätzlich für eine der Taten in Betracht kommt“, befunden. Zudem sei „seine DNA am Rucksack gefunden“ worden. Schließlich seien die Taten „noch vor ihrer Begehung Gesprächsthema“ zwischen dem Angeklagten und dem Mitangeklagten K. - gewesen.
62. Die landgerichtliche Beweiswürdigung (§ 261 StPO) hält auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes (vgl. , Rn. 6 mwN) sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil sie zur Täterschaft des Angeklagten durchgreifende Darstellungsmängel im Hinblick auf die molekulargenetische Begutachtung aufweist.
7a) Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten insbesondere auf die „ohne Zweifel“ dem Angeklagten „zuzurechnen(de)“ DNA-Spur gestützt, die vom rechten Schultergurt des vom Täter im Fall II. 3. der Urteilsgründe zurückgelassenen Rucksacks gesichert werden konnte. „Darüber hinaus wurde keine weitere DNA gefunden und eine andere Erklärung als die, dass der Angeklagte, der keine Handschuhe trug […], den Rucksack an dem rechten Riemen angefasst und angezogen bzw. ausgezogen hat, ist nicht ersichtlich“.
8b) Die Darstellung der Ergebnisse der molekulargenetischen Gutachten entspricht nicht den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung daran stellt (vgl. nur , BGHSt 63, 187, 188 ff. mwN).
9Den Urteilsgründen lässt sich schon nicht entnehmen, ob es sich bei der am rechten Schultergurt des Rucksacks gefundenen Spur um eine Einzel- oder eine Mischspur handelt. Der Umstand, dass an beiden Schultergurten auch DNA des Mitangeklagten K. gefunden wurde, deutet vielmehr darauf hin, dass es sich um eine Mischspur handelt.
10Während bei Einzelspuren jedenfalls das Gutachtenergebnis in Form einer numerischen biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage mitgeteilt werden muss, woran es hier fehlt, ist bei Mischspuren grundsätzlich darzulegen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom ‒ 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 188 f., und vom – 4 StR 353/23, Rn. 5, jeweils mwN). Daran fehlt es ebenfalls. Die bloße Feststellung, dass die Spur „ohne Zweifel“ dem Angeklagten zuzurechnen ist, genügt in keinem Fall.
113. Der Senat kann angesichts der begrenzten Aussagekraft der übrigen Beweisanzeichen nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht, zumal der Angeklagte in seiner in den Urteilsgründen wiedergegebenen polizeilichen Vernehmung auf Vorhalt der DNA-Analyse lediglich allgemein einen Aufenthalt beim Mitangeklagten K. als denkbare Erklärung einer (sekun-dären) Spurenverursachung eingeräumt hat, womit sich die Strafkammer im Sinne eines Alternativszenarios allerdings erkennbar nicht befasst.
12Die Sache bedarf daher neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung. Um dem neuen Tatgericht insgesamt eine widerspruchsfreie Tatsachenfeststellung zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen mit auf.
Menges Appl Zeng
Zimmermann Herold
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:050624B2STR397.23.1
Fundstelle(n):
PAAAJ-78968