BGH Beschluss v. - 3 StR 321/24

Instanzenzug: Az: 15 KLs 8/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie hinsichtlich eines Betrages von 190.040 € die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Strafkammer hat - soweit für die Begründung der Revisionsentscheidung von Bedeutung - die nachfolgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

3a) Zwischen dem 27. März und dem erwarb der Angeklagte in sechs Fällen Marihuanamengen zwischen einem und elf Kilogramm mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 5 % Tetrahydrocannabinol (THC), die er gewinnbringend weiterveräußerte. Dieses Tatgeschehen hat die Strafkammer jeweils als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen gewertet; einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG hat sie lediglich in dem den Erwerb einer Marihuanamenge von einem Kilogramm betreffenden Fall II. 7. der Urteilsgründe angenommen.

4b) Die beiden weiteren Fälle betrafen das Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge (Fall II. 4. der Urteilsgründe) und den Besitz einer Kleinmenge Amphetamin (Fall II. 8. der Urteilsgründe).

52. Der Schuld- und Strafausspruch in den die Betäubungsmittel Kokain und Amphetamin betreffenden Fällen II. 4. und 8. der Urteilsgründe ist jeweils rechtsfehlerfrei.

63. Hingegen sind die Schuldsprüche in den Fällen II. 1.-3. und 5.-6. der Urteilsgründe dahin zu ändern, dass der Angeklagte insoweit jeweils des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist; die zugehörigen Einzelstrafen unterliegen der Aufhebung.

7Zur Begründung seines diesbezüglichen Antrags hat der Generalbundesanwalt - gleichzeitig auch zu Fall II. 7. der Urteilsgründe - das Folgende ausgeführt:

„Soweit Gegenstand des abgeurteilten Handeltreibens in sieben Fällen ausschließlich Marihuana und damit Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 4 KCanG war, ist der Schuldspruch an die Änderungen durch das am in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) anzupassen, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist. Da sich die Taten der Fälle 1-3 und 5-7 jeweils auf eine nicht geringe Menge an Cannabis bezogen (zum Grenzwert für THC nach dem seit dem geltenden Recht vgl. , juris, Beschluss vom - 3 StR 45/24), hat sich der Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts des Handeltreibens mit Cannabis in sechs Fällen gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG schuldig gemacht. Das hier vorliegende Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG ist im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen.

Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall angesichts der milderen einschlägigen Strafrahmen für den Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG); sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich. […]

Der Senat kann den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ändern. Die Regelung des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. […]

Die in den Fällen 1-3 und 5-7 festgesetzten Einzelstrafen bedürfen der Aufhebung, weil § 34 Abs. 3 KCanG einen erheblich milderen Strafrahmen vorgibt als § 29a Abs. 1 BtMG. Es ist ungeachtet der - unter dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr statthaften (vgl. , juris) - strafmildernden Berücksichtigung der im Vergleich zu anderen Drogen minderen Gefährlichkeit von Cannabis (‚weiche Droge’) durch das Landgericht nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des einschlägigen Strafrahmens des Konsumcannabisgesetzes niedrigere Einzelstrafen gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). […] Die Einzelstrafen sind daher neu zu bemessen. […]

Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, dass es sich bei Marihuana um eine weiche Droge handele, und damit einen unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr statthaften Strafzumessungsgrund herangezogen hat, handelt es sich um eine bloße Wertung und keine Tatsachenfeststellung.“

8Dem tritt der Senat mit Blick auf die Fälle II. 1.-3. und 5.-6. der Urteilsgründe bei.

94. Im Fall II. 7. der Urteilsgründe gilt dagegen Folgendes: Die Strafkammer hat hier einen minder schweren Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG angenommen. Ob hinsichtlich dieser Tat das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten günstiger und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen ist oder es ungeachtet der Rechtsänderung bei dem Schuldspruch nach dem Betäubungsmittelgesetz zu verbleiben hat, hängt deshalb davon ab, ob die Tat nach neuem Recht als besonders schwerer Fall (§ 34 Abs. 3 KCanG) zu werten ist - dann wäre das neue Recht nicht milder und gemäß § 2 Abs. 1 StGB das Tatzeitrecht weiter maßgeblich - oder der Grundstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG Anwendung findet. Nur im letztgenannten Fall wäre das neue Recht für den Angeklagten günstiger. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Strafzumessungsakt, der allein dem Tatgericht obliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 211/24, juris Rn. 8; vom - 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 5; vom - 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241 f.; Urteil vom - 3 StR 314/13, wistra 2014, 446 Rn. 31; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 354a StPO Rn. 11). Es kann nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes trotz der nicht geringen Menge des tatgegenständlichen Marihuanas und des gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten einen besonders schweren Fall gemäß § 34 Abs. 3 KCanG verneint und die Strafe dem Grundstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG entnommen hätte. Aufgrund dieser Unklarheit scheidet eine Schuldspruchänderung durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO im Fall II. 7. der Urteilsgründe aus.

105. Die Aufhebung des Urteils im Fall II. 7. und der Einzelstrafen in den Fällen II. 1.-3. und 5.-6. der Urteilsgründe entzieht der verhängten Gesamtstrafe die Grundlage, so dass auch diese keinen Bestand hat.

116. Die teilweise Aufhebung der Einziehungsentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Verurteilung zu Fall II. 7. der Urteilsgründe - hier betrug der Verkaufserlös 5.200 € - wie dargelegt aufzuheben war.

127. Sämtliche getroffenen Feststellungen bleiben bestehen, weil sie von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche Feststellungen ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

Schäfer                         Paul                         Hohoff

                  Erbguth                     Voigt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:170924B3STR321.24.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-78881