BAG Urteil v. - 6 AZR 38/24

Feiertagszuschlag - regelmäßiger Beschäftigungsort

Leitsatz

Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Feiertagszuschläge nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes der Länder, wenn an ihrem regelmäßigen Beschäftigungsort ein gesetzlicher Feiertag ist.

Gesetze: § 9 ArbZG, § 126b BGB, § 187 Abs 1 BGB, § 286 BGB, § 288 Abs 1 BGB, § 2 EntgFG, § 106 GewO, § 4 TV-L, § 6 Abs 11 TV-L, § 8 Abs 1 S 2 Buchst d TV-L, § 43 Nr 5 TV-L

Instanzenzug: Az: 2 Ca 1399/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 11 Sa 936/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen tariflichen Feiertagszuschlag.

2Der Kläger ist beim beklagten Universitätsklinikum M (Beklagte zu 2., iF Klinikum) als technische Fachkraft angestellt und im Wege der Personalgestellung bei der ebenfalls im nordrhein-westfälischen M ansässigen U GmbH (ursprüngliche Beklagte zu 1.) eingesetzt. Dort befindet sich auch sein regelmäßiger Beschäftigungsort.

3Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom Anwendung. § 43 TV-L idF vom lautet auszugsweise:

4§ 4 TV-L lautet auszugsweise:

5Der Kläger nahm auf Anordnung seines Vorgesetzten ab dem , einem Montag, an einem fünftägigen Gerätelehrgang bei der Firma B in Hessen teil. Schulungszweck war der Erwerb von Wissen im Umgang mit den Geräten der U GmbH. Nach den jeweiligen landesrechtlichen Feiertagsbestimmungen ist das auf den 1. November eines Jahres fallende christliche Hochfest Allerheiligen in Nordrhein-Westfalen, nicht dagegen in Hessen, ein gesetzlicher Feiertag.

6Das beklagte Klinikum schrieb dem Kläger für die Teilnahme an der Fortbildung am insgesamt zehn Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gut. Einen Feiertagszuschlag gewährte es für diese Stunden nicht. Am machte der Kläger gegenüber dem beklagten Klinikum per E-Mail Vergütung für die Arbeitszeit am als „Überstunden mit den dazugehörigen Zeitzuschlägen“ geltend. Das beklagte Klinikum teilte ihm daraufhin am mit, dass für Fortbildungen weder Feiertags- noch Überstundenzuschläge gezahlt würden.

7Mit seiner Klage vom gegen die U GmbH und der Klageerweiterung vom gegen das Klinikum hat der Kläger für die am geleisteten Fortbildungsstunden einen 35%igen Feiertagszuschlag von der Höhe nach unstreitigen 82,56 Euro brutto begehrt.

8Er hat die Auffassung vertreten, für seinen Anspruch auf Feiertagszuschläge seien die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse am regelmäßigen Beschäftigungsort maßgeblich. Dieser sei für ihn auch am in Nordrhein-Westfalen gewesen. § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d idF des § 43 Nr. 5 TV-L honoriere die starke Belastung durch Feiertagsarbeit. Diese wurzele in der besonderen sozialen, gesellschaftlichen und religiösen Bedeutung von Feiertagen. Den Menschen solle die Möglichkeit zu Kirchgang, Zusammenkunft mit ihren Familien und Freunden oder zur Teilhabe an gesellschaftlichen Ereignissen gegeben werden. Die Tarifvertragsparteien hätten daher für die Definition der auszugleichenden Erschwernisse das persönliche Umfeld der Arbeitnehmer zugrunde gelegt, um die negativen Konsequenzen von Feiertagsarbeit zu kompensieren, denn typischerweise befinde sich der regelmäßige Beschäftigungsort am Wohnsitz des Arbeitnehmers. Anders als Arbeitnehmer, die sich bewusst für einen Wohnsitz außerhalb des Bundeslandes ihres Beschäftigungsorts entschieden und damit auch zu ihrem Nachteil abweichende Feiertagsregelungen in Kauf nähmen, hätten diejenigen, die vom Arbeitgeber in Ausübung des Direktionsrechts in einem anderen Bundesland ohne entsprechenden Feiertag eingesetzt würden, keine Wahlmöglichkeit. Der regelmäßige Beschäftigungsort sei auch deshalb ausschlaggebend, weil der Arbeitgeber die Zuschlagspflicht andernfalls durch einen kurzfristigen Einsatz des Arbeitnehmers in einem Bundesland ohne Feiertag umgehen könne.

9Der Kläger hat zuletzt beantragt,

10Das beklagte Klinikum hat Klageabweisung beantragt und gemeint, ein Anspruch auf Feiertagszuschlag bestehe nach der tariflichen Regelung nur, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich an dem Ort erbringe, an dem an diesem Tag ein gesetzlicher Feiertag sei. Treffe dies - wie im Fall des Klägers am  - nicht zu, seien keine Erschwernisse auszugleichen, die durch Feiertagsarbeit entstünden und folglich kein Zuschlagsanspruch gegeben.

11Das Arbeitsgericht hat der Klage gegen das beklagte Klinikum stattgegeben. Die Klage gegen die U GmbH hat es abgewiesen und insoweit die Berufung nicht zugelassen.

12Gegen dieses Urteil haben die erstinstanzlich beide Beklagten vertretenden Prozessbevollmächtigten unter dem Rubrum der U GmbH innerhalb der gesetzlichen Frist Berufung eingelegt und erst nach deren Ablauf klargestellt, dass die Berufung für das Klinikum eingelegt worden sei.

13Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung für zulässig erachtet und die Klage gegen das beklagte Klinikum unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Gründe

14Die zulässige Revision hat weitgehend Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des beklagten Klinikums zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrten Feiertagszuschläge für die unstreitig geleisteten zehn Stunden am . Verzugszinsen stehen ihm jedoch erst ab dem zu.

15I. Die Revision des Klägers ist ganz überwiegend begründet.

161. Das folgt jedoch nicht schon daraus, dass es an einer Berufung des beklagten Klinikums fehlt. Die Berufung ist durch das beklagte Klinikum eingelegt worden und war zulässig.

17a) Die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden Prozessfortführungsvoraussetzungen (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 4 mwN; - 6 AZR 481/21 - Rn. 16 mwN) liegen vor. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Berufung für das beklagte Klinikum eingelegt worden ist. Das ergibt die rechtsschutzgewährende Auslegung der Parteibezeichnung (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. zB  - Rn. 22 mwN; - 6 AZR 481/21 - Rn. 17; - 6 AZR 348/11 - Rn. 41 mwN, BAGE 144, 125).

18b) Danach ist trotz der Bezeichnung im Rubrum der Berufungsschrift vom die Berufung nicht für die U GmbH eingelegt worden. Zum einen war diese durch das angefochtene Urteil infolge der Abweisung der gegen sie gerichteten Klage nicht beschwert. Zum anderen ergibt sich aus dem der Rechtsmittelschrift beigefügten erstinstanzlichen Urteil, dass die Berufung für sie nicht zugelassen worden ist. Schließlich war die Personalgestellung des Klägers iSv. § 4 Abs. 3 TV-L wirksam und das Klinikum auch unter diesem Gesichtspunkt die richtige Beklagte. Ohne besondere Anhaltspunkte kann - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht angenommen werden, dass ein rechtskundiger Prozessbevollmächtigter ein unzulässiges Rechtsmittel einlegen wollte. Solche Umstände liegen nicht vor.

19c) Schutzwürdige Belange des Klägers werden durch dieses Auslegungsergebnis nicht verletzt (zum Erfordernis der Berücksichtigung schutzwürdiger Belange des Prozessgegners vgl. zB  - Rn. 16 mwN; - 6 AZR 221/11 - Rn. 29 mwN). Das wäre nur der Fall, wenn einer eindeutigen Erklärung nachträglich ein Sinn gegeben würde, der dem Interesse des Erklärenden am besten dient (vgl. zB  - Rn. 12 mwN, BAGE 133, 28). An einer solchen eindeutigen Erklärung fehlt es vorliegend.

202. Die zulässige Klage ist mit Ausnahme des Zinsbeginns begründet.

21a) Der Kläger kann Feiertagszuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d idF des § 43 Nr. 5 TV-L für die Lehrgangsstunden am beanspruchen. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm (zu den Auslegungsgrundsätzen für Tarifverträge vgl. zB  - Rn. 25; - 10 AZR 163/23 - Rn. 41 mwN). Die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbare Auslegung der Tarifnorm durch das Landesarbeitsgericht (vgl. hierzu  - Rn. 23 mwN) hält einer solchen Kontrolle nicht stand.

22aa) Tarifvertragliche Regelungen über die Zahlung eines Zuschlags für Feiertagsarbeit knüpfen regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort an. Abweichende Regelungen müssen deutlich erkennbar sein (gefestigte Rspr., vgl.  - Rn. 23; - 10 AZR 130/19 - Rn. 16; - 10 AZR 347/10 - Rn. 12; - 5 AZR 475/04 - zu I 2 b der Gründe; vgl. auch  - zu 1 der Gründe). Damit bestimmt sich der Anspruch auf einen tariflichen Feiertagszuschlag grundsätzlich nach dem Ort, an dem der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen hat.

23bb) Hiervon sind die Tarifvertragsparteien des TV-L nicht abgewichen.

24(1) Zwar ist der Wortlaut von § 8 Abs. 1 idF des § 43 Nr. 5 TV-L für die Auslegungsfrage unergiebig. Dieser bestimmt lediglich, dass der Beschäftigte für tatsächliche Arbeitsleistungen an Feiertagen Zuschläge in konkret bezeichneter Höhe erhält. Eine ausdrückliche Regelung, ob am Ort des tatsächlichen Arbeitseinsatzes oder am regelmäßigen Beschäftigungsort Feiertag sein muss, sieht die Norm nicht vor. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Wendung in Abs. 1 Satz 1 „neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung“. Diese Bestimmung gilt, wie der weite, sämtliche nachfolgend aufgeführten Zeitzuschläge umfassende Begriff „Zuschläge“ und die einleitende Stellung in Satz 1 der Tarifnorm zeigen, für alle in Satz 2 Buchst. a bis f bezeichneten Zeitzuschläge. Mit dem Wort „tatsächlich“ haben die Tarifvertragsparteien daher keine Ortsbestimmung vorgenommen, sondern in Abgrenzung zu tariflichen Ansprüchen auf Entgelt ohne Arbeit zum Ausdruck gebracht, dass die Zuschläge nur dann geleistet werden, wenn der Beschäftigte real Arbeitsleistung erbracht und die hierdurch aufgetretenen Erschwernisse, welche durch die unterschiedlichen Zuschläge kompensiert werden sollen, wirklich erlitten hat (vgl. zur zuschlagsberechtigten Arbeit iSv. § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD zB:  - Rn. 12 mwN; - 5 AZR 342/09 - Rn. 11 mwN; iSv. § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD-K  - Rn. 18 ff. mwN; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 8 Stand August 2011 Rn. 3a).

25(2) Aus Sinn und Zweck der tariflichen Feiertagszuschlagsregelung folgt jedoch, dass für die Zuschlagsberechtigung auf den regelmäßigen Beschäftigungsort des Arbeitnehmers abzustellen ist. Die Tarifvertragsparteien haben mit den verschiedenen Zeitzuschlägen in unterschiedlicher Höhe den jeweiligen Erschwernissen, die im Zusammenhang mit der Arbeit zu besonderen Zeiten auftreten, Rechnung getragen. Obwohl sämtliche Zeitzuschläge nach ihrem Sinn und Zweck einen finanziellen Ausgleich dafür gewähren sollen, dass die Arbeit zu diesen Zeiten erheblich auf den Lebensrhythmus des Beschäftigten einwirkt (vgl. zB zu Wechselschichtzulagen  - Rn. 25 mwN; zu Nachtarbeitszuschlägen  - Rn. 48 mwN, BAGE 173, 205), haben sie die Arbeit an Feiertagen zusammen mit der an Heiligabend und Silvester mit dem höchsten Zuschlag versehen. Hierdurch kommt die besondere Bedeutung zum Ausdruck, die die Tarifvertragsparteien dem Recht der Arbeitnehmer beigemessen haben, Zeiten der Arbeitsruhe und seelischen Erbauung, die in der sozialen Wirklichkeit seit jeher insbesondere auch im Freundeskreis, einem aktiven Vereinsleben und in der Familie stattfinden, gemeinsam zu gestalten (vgl. hierzu  - Rn. 40 mwN, BAGE 176, 371; - 10 AZR 130/19 - Rn. 27). Die mit der Erbringung von Feiertagsarbeit verbundene fehlende Teilhabe des betroffenen Arbeitnehmers hieran soll daher eine besondere Kompensation erfahren. Vor diesem Hintergrund stellt § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d idF des § 43 Nr. 5 TV-L für die Zuschlagspflicht auf den Beschäftigungsort ab, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrags für gewöhnlich zu erbringen hat. Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass dies der Ort ist, an dem Arbeitnehmer typischerweise ein dem Feiertagsgedanken entsprechendes soziales Umfeld haben, mit dem sie diesen Tag verbringen und gestalten können. Dies gilt jedenfalls, soweit sich dieser regelmäßige Beschäftigungsort nicht zB durch Abordnung, Versetzung oder Zuweisung iSd. § 4 TV-L ändert. Liegt keine entsprechende Maßnahme vor, ist der Arbeitnehmer, der auf Anordnung des Arbeitgebers an einem Ort ohne Feiertag eingesetzt wird, so zu behandeln, als wäre er an seinem regelmäßigen Beschäftigungsort zur Feiertagsarbeit herangezogen worden (so auch für die Arbeit auf Dienstreisen, weil sich insoweit der Beschäftigungsort nicht verändert, Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 8 Stand Juli 2013 Rn. 18).

26(3) Der tarifliche Gesamtzusammenhang steht diesem Normverständnis nicht entgegen.

27(a) § 4 Abs. 1 TV-L bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass Beschäftigungsort im Sinne des Tarifvertrags stets der Ort der tatsächlichen Leistungserbringung ist. Ausweislich der Niederschriftserklärung zu § 4 Abs. 1 TV-L haben die Tarifvertragsparteien den Begriff „Arbeitsort“ als „generalisierten Oberbegriff“ und damit „pauschal“, „allgemein“ verstanden und diese Lesart ausdrücklich auf den Abs. 1 bezogen. Das ist plausibel, denn Inhalt dieser Regelung ist die Erweiterung des Direktionsrechts des Arbeitgebers, soweit es nicht durch den Einzelarbeitsvertrag ausdrücklich eingeschränkt ist. Zugleich werden mit ihr zum Schutz des betroffenen Beschäftigten Direktionsrechtsmaßnahmen des Arbeitgebers nach § 106 GewO, sofern sie eine Abordnung oder Versetzung darstellen, den speziellen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 TV-L unterworfen (zur inhaltsgleichen Regelung des § 4 Abs. 1 TVöD-V vgl.  - Rn. 29 mwN).

28(b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, dass § 6 Abs. 11 TV-L für das Verständnis der Tarifvertragsparteien zum maßgeblichen Beschäftigungsort im Zusammenhang mit geleisteter Feiertagsarbeit nicht fruchtbar gemacht werden kann. Die Tarifnorm bestimmt, welche Zeiten als Arbeitszeit im Rahmen einer Dienstreise zu berücksichtigen sind und beschränkt diese auf die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort. Damit grenzt sie - was vorliegend nicht Streitgegenstand ist - lediglich die vergütungspflichtige Arbeitszeit von der Reisezeit ab, trifft jedoch keine Regelung zum Beschäftigungsort.

29(c) Ebenso wenig lässt § 26 Abs. 1 Satz 3 TV-L Rückschlüsse auf den maßgeblichen Beschäftigungsort im Zusammenhang mit Feiertagsarbeit zu. Regelungsgegenstand der Tarifnorm ist allein, dass gesetzliche Feiertage, an denen der Beschäftigte ohne Freizeitausgleich zu arbeiten gehabt hätte, nicht als Urlaubstage anzurechnen sind.

30(d) Soweit das Landesarbeitsgericht für die Frage, ob für die Zuschlagsberechtigung die rechtlichen Verhältnisse am regelmäßigen Beschäftigungs- oder am tatsächlichen Einsatzort maßgeblich sind, auf § 9 ArbZG abgestellt hat, liegt hierin eine unzulässige Verknüpfung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen mit dem Tarifvertrag. Ob eine Beschäftigung an einem gesetzlichen Feiertag gegen Normen des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrechts verstößt und damit rechtswidrig ist, ist für den tariflichen Zuschlagsanspruch unerheblich. Indem sich das Landesarbeitsgericht in seiner Begründung auf § 2 EFZG stützt, verkennt es, dass die Tarifvertragsparteien der Tarifnorm ein eigenständiges Begriffsverständnis zugrunde gelegt haben.

31(4) Dieses Tarifverständnis führt - entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts - auch nicht zu Verwerfungen für den umgekehrten Fall, dass der betreffende Arbeitnehmer seinen regelmäßigen Beschäftigungsort in einem Bundesland ohne Feiertag hat und vom Arbeitgeber kurzzeitig, zB aufgrund einer Fortbildungsmaßnahme, in einem anderen Bundesland eingesetzt wird, in dem in diesem Zeitraum ein Feiertag anfällt. In dieser Konstellation kann der Arbeitnehmer, weil er wegen des dortigen Feiertags nicht arbeiten kann, Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs haben. Ein Angebot der Arbeitsleistung wird in einem solchen Fall regelmäßig entbehrlich sein, weil der Arbeitgeber von dem Feiertag Kenntnis hat bzw. haben muss. Ein Anspruch auf Feiertagszuschläge besteht dagegen nicht, da er keine Feiertagsarbeit leistet.

32b) Die gegen dieses Auslegungsergebnis vom beklagten Klinikum vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

33aa) Nach den nicht mit Rügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts befindet sich der regelmäßige Arbeits- bzw. Beschäftigungsort des Klägers in M und damit in Nordrhein-Westfalen. Daran hat die zum im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TV-L erfolgte Überlassung an die U GmbH nichts geändert. Diese ist ebenfalls in M ansässig und der Kläger bei ihr vor Ort eingesetzt.

34bb) Die arbeitgeberseitig angeordnete Teilnahme an dem Gerätelehrgang bei der Firma B in Hessen in der Zeit vom 1. November bis zum (Bei der Datumsangabe „05.12.2021“ auf S. 3 des Berufungsurteils handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler iSv. § 319 Abs. 1 ZPO, der hiermit berichtigt wird; zur Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten iSv. § 319 ZPO durch das Revisionsgericht vgl. zB  - Rn. 44 mwN.), führte nicht zu einer Änderung des regelmäßigen Beschäftigungsorts des Klägers. Zwar kann der Arbeitgeber im Wege des nach § 4 TV-L erweiterten Direktionsrechts (vgl. hierzu zB zur wortlautgleichen Regelung des § 4 TVöD-V  - Rn. 29) den Arbeitsplatz und damit den Beschäftigungsort des Arbeitnehmers durch Versetzung, Abordnung oder - wie vom beklagten Klinikum vorliegend vertreten - durch Zuweisung verändern. Die arbeitgeberseitig angeordnete Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung stellt jedoch keine dieser Maßnahmen dar.

35(1) Für eine Versetzung fehlt es bereits an dem Erfordernis einer dauerhaften Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber im Sinne der Protokollerklärung Nr. 2 zu § 4 Abs. 1 TV-L.

36(2) Auch die Voraussetzungen einer Abordnung liegen bei der Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme nicht vor. Zwar hat die Abordnung nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 4 Abs. 1 TV-L vorübergehenden Charakter und für ihre Dauer gibt es auch keinen Mindest- oder Höchstzeitraum (ausführlich vgl. zB  - Rn. 31 mwN). Allerdings übte der Kläger bei der Firma B in Hessen keine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber im Sinne der Protokollerklärung aus. Die Teilnahme an der Fortbildung bezweckte den Erhalt bzw. Neuerwerb von Wissen, das der Kläger für die Gerätewartung und Gerätereparatur bei der U GmbH benötigt. Sie diente deshalb unmittelbar der Erhaltung der Leistungsmöglichkeit und damit der ordnungsgemäßen Durchführung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit (vgl. zum Zweck von Fortbildungen auch  - Rn. 19). Im Übrigen wäre es - wie sich aus dem Umkehrschluss aus der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 2 TV-L ergibt - erforderlich, dass bei dem anderen Arbeitgeber der allgemeine Teil des TV-L Anwendung findet (HK-TVöD/TV-L/B. Howald/W. Howald 5. Aufl. § 4 Rn. 11; Laber in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 3. Aufl. § 6 Rn. 6.45). Unabhängig davon, dass das Bundesland Hessen nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ist und deshalb nicht unter den TV-L fällt, handelt es sich bei der Firma B um ein privatrechtliches Unternehmen, bei dem die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes ebenfalls keine Anwendung finden.

37(3) Schließlich ist die Teilnahme an einer Fortbildung entgegen der Auffassung des beklagten Klinikums auch keine Zuweisung iSv. § 4 Abs. 2 TV-L. Die Absolvierung einer Schulungsmaßnahme ist keine Tätigkeit bei einem Dritten im Sinne der Tarifbestimmung, sondern dient, wie in Rn. 36 ausgeführt, der Befähigung des Arbeitnehmers, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen. Im Übrigen erfordert sie nach § 4 Abs. 2 Satz 1 TV-L eine Zustimmung des Arbeitnehmers und erfolgt somit aufgrund einer Vertragsänderung (Bredemeier/Neffke/Gerretz TVöD/TV-L 6. Aufl. TVöD § 4 Rn. 21; Clemens/ Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Teil II § 4 Stand März 2013 Rn. 24). Eine solche Zustimmung ist weder vom Landesarbeitsgericht festgestellt noch vom beklagten Klinikum behauptet worden. Die Teilnahme erfolgte vielmehr aufgrund einer einseitigen Anordnung des Vorgesetzten des Klägers im Wege einer Dienstreise (zum Begriff der Dienstreise vgl. zB  - Rn. 17 mwN). Erst recht fehlte es an einer Vertragsänderung.

38c) Der Anspruch des Klägers ist nicht nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L verfallen.

39aa) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Tarifliche Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die nach Auffassung des Anspruchstellers noch offene Forderung rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und gegebenenfalls Rücklagen bilden können. Er soll vor der Verfolgung von Ansprüchen, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und nicht rechnen muss, geschützt werden (vgl. zB  - Rn. 42 mwN; - 6 AZR 104/18 - Rn. 32 mwN, BAGE 166, 285).

40bb) Die E-Mail des Klägers vom erfüllt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung iSv. § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L.

41(1) Zur Wahrung des Schriftformerfordernisses nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB, der die E-Mail des Klägers gerecht wird (vgl. zB  - Rn. 31; - 4 AZR 549/08 - Rn. 88 ff., BAGE 135, 80).

42(2) Die E-Mail kann als nichttypische Erklärung (vgl. zur Qualifikation von Geltendmachungsschreiben als nichttypische Willenserklärung  - Rn. 28 ff., BAGE 161, 122), deren Auslegung das Landesarbeitsgericht - aus seiner Sicht konsequent - unterlassen hat, vom Senat selbst ausgelegt werden, weil der insoweit maßgebliche Sachverhalt hinreichend festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien hierzu zu erwarten ist (st. Rspr., vgl.  - Rn. 50; - 6 AZR 104/18 - Rn. 29 mwN, BAGE 166, 285).

43(a) Die Geltendmachung erfordert keine Substantiierung, sondern nur eine Spezifizierung des Anspruchs, die der Gegenseite eine Prüfung der gegen sie erhobenen Forderung erlaubt. Der Anspruchsgegner muss ausgehend von seinem Empfängerhorizont erkennen können, um welche Forderung es sich handelt. Die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt wird, müssen erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist jedoch nicht erforderlich. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine Bezifferung nicht zwingend geboten (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 33 mwN, BAGE 166, 285).

44(b) Die E-Mail enthält mit der Formulierung: „… und zum anderen möchte ich die Arbeitszeit am Montag als Überstunden mit den dazugehörigen Zeitzuschlägen vergütet haben.“, im letzten Absatz ein deutliches Erfüllungsverlangen (vgl. zu diesem Erfordernis zB  - Rn. 26, BAGE 161, 122; - 6 AZR 700/14 - Rn. 45 mwN, BAGE 154, 118). Der Kläger hat seinen Anspruch zudem hinreichend spezifiziert. Er hat den Tag, , und den Zeitraum, 07:00 Uhr bis 17:30 Uhr, für den die Vergütung geltend gemacht wird, genau angegeben. Darüber hinaus hat er in der E-Mail darauf hingewiesen, dass an diesem Tag zwar in Nordrhein-Westfalen, nicht jedoch in Hessen Feiertag war. Damit konnte das beklagte Klinikum erkennen, für welchen genauen Zeitpunkt die Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Unschädlich ist, dass der Kläger Überstundenzuschläge anstelle von Feiertagszuschlägen verlangt hat. Zwar ist die Angabe des Anspruchsgrundes zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist erforderlich (vgl. zB  - Rn. 59 mwN, BAGE 177, 338; - 9 AZR 95/19 - Rn. 48; - 6 AZR 628/14 - Rn. 20 mwN). Im vorliegenden Fall konnte das beklagte Klinikum aber - wie die Antwort-E-Mail vom zeigt - von seinem Empfängerhorizont aus hinreichend genau erkennen, um was für eine Art Anspruch es sich handeln soll und auf welche Tatsachen dieser gestützt wird. Das zeigt schon ihre zeitgleiche Ablehnung, die höheren Feiertagszuschläge zu bezahlen. Damit ist im Streitfall dem Zweck der Ausschlussfrist Genüge getan. Eine Bezifferung war wegen der tariflich geregelten Prozentangaben für die jeweiligen Zeitzuschläge und des unstreitigen Stundenumfangs nicht zwingend erforderlich (vgl. zu diesem Erfordernis zB  - Rn. 33 mwN, BAGE 166, 285).

45d) Zinsen kann der Kläger gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 187 Abs. 1 BGB für die Feiertagszuschläge aus November 2021 ab dem und damit erst zu einem späteren als dem beantragten Termin verlangen. Bei den Feiertagszuschlägen handelt es sich um Entgeltbestandteile, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind (zum wortlautidentischen § 24 Abs. 1 Satz 4 TVöD-AT und Erschwerniszuschlägen vgl.  - Rn. 50; BeckOK TV-L/Bayer Stand § 24 Rn. 6). Diese sind erst am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, fällig (§ 24 Abs. 1 Satz 4 TV-L).

46II. Das beklagte Klinikum hat die Kosten der Berufung und der Revision nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu tragen. Die geringfügige Abweisung des Zinsantrags des Klägers wirkt sich insoweit nicht aus.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:010824.U.6AZR38.24.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 2867 Nr. 49
DStR 2024 S. 2656 Nr. 47
NJW 2024 S. 28 Nr. 35
OAAAJ-78870