OFD Frankfurt/M. - S 2282 A - 00047-0357 - St 29

Kindergeldrechtliche Berücksichtigung eines Kindes, das wegen einer Erkrankung seine Berufsausbildung ab-/unterbrechen muss (§ 32 Abs.4 S.1 Nr. 2a) EStG) bzw. keine Berufsausbildung beginnen kann (§ 32 Abs.4 S.1 Nr. 2c) EStG)

Bezug: BStBl 2021 II S. 390

Bezug:

Bezug: BStBl 2022 II S. 472

Bezug: BStBl 2003 II S. 848

Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen können, sind gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c) EStG, bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 32 EStG, im Rahmen des Familienleistungsausgleiches grundsätzlich berücksichtigungsfähig.

Diese Fallgestaltung hat der BFH in seinem Urteil vom (III R 49/18 – BStBl 2021 II S. 390) aufgegriffen und konkretisiert. Mit Veröffentlichung der Entscheidung im Bundesteuerblatt entfaltet dieses Urteil Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Der BFH entschied im o. g. Urteil, dass ein Kind nur dann ausbildungsplatzsuchend i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c) EStG ist, wenn das Ende einer Erkrankung, aufgrund derer das Kind eine Ausbildung nicht beginnen kann, absehbar ist. Ab welcher Zeitdauer genau die Erkrankung des Kindes eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c) EStG ausschließt, hat der BFH offengelassen.

Im Streitfall brach das Kind der Kläger die Schule vorzeitig ohne Abschluss ab. Grund hierfür war der Drogenkonsum des Kindes, der schließlich auch eine ambulante Therapie nach sich zog. Das Kind konnte im Nachgang zwar diversen Minijobs nachgehen und absolvierte auch ein Praktikum; dennoch musste es sich in stationäre und nochmals ambulante Therapie begeben. Bei der Familienkasse reichten die Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, aus der hervorgeht, dass das Kind erkrankt sei und das Ende der Erkrankung nicht absehbar wäre. Die Familienkasse setzte im Streitzeitraum kein Kindergeld fest.

Die Klage hatte keinen Erfolg und wurde vom BFH zurückgewiesen. Dieser stellt fest, dass „die Verwirklichung des Ausbildungswunsches nicht an persönlichen Verhältnissen des Kindes scheitern dürfe. Das Kind muss die Ausbildungsstelle im Falle des Erfolgs seiner Bemühungen antreten können.“ Schädliche persönliche Verhältnisse können lt. BFH z. B. sein: fehlende Zulassungsberechtigung für den angestrebten Studiengang oder ausländerrechtliche Gründe. Zu diesen Fällen gehört aber auch, und dies ist im Streitfall maßgeblich, die Hinderung durch eine Krankheit. Die allgemeine Ausbildungswilligkeit reiche, laut BFH, nicht aus.

In den Fällen, in denen das Ende der Erkrankung des Kindes nicht absehbar ist, ist es ratsam eine Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG zu prüfen (vgl. Rz. 14). Dazu verweise ich auf die Ausführungen in der Rundverfügung ofix: EStG/32/10.

Mit dem Thema der fehlenden Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz und Krankheit befasste sich der BFH ebenfalls in einem NV-Urteil vom (Az. III R 35/19). Dieses ist im Wesentlichen inhaltsgleich, wie das zuvor ausgeführte Urteil vom .

An der Sechs-Monats-Regelung hat sich der BFH ebenfalls bei der Frage orientiert, ob ein Kind gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a) EStG zu berücksichtigen ist, wenn es die Ausbildung wegen einer Erkrankung unterbricht und das Ausbildungsverhältnis gleichzeitig fortbesteht. Um für einen Beruf ausgebildet und somit nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a) EStG berücksichtigt zu werden, muss das Kind sich ernsthaft und nachhaltig auf den Beruf vorbereiten. Das formale Bestehen des Ausbildungsverhältnisses kann die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit zwar indizieren; dies trifft jedoch nicht zu, wenn es an entsprechenden Ausbildungsmaßnahmen fehlt. Fraglich war nun, wie sich die Erkrankung des Kindes auswirkt, wenn es deshalb an keinen Ausbildungsmaßnahmen mehr teilnimmt, gleichzeitig das Ausbildungsverhältnis aber noch bestehen bleibt. In seinem Urteil vom (Az. III R 43/20, BStBl 2022 II S. 472) entschied der BFH, dass eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a) EStG ausscheiden darf, wenn Ausbildungsmaßnahmen für 6 Monate aufgrund der Erkrankung des Kindes unterbleiben, d. h. wenn die Erkrankung nicht nur vorübergehend ist. Ein nur vorübergehendes (unschädliches) Ausbleiben von Ausbildungsmaßnahmen wäre bei den Schutzfristen vor und nach der Entbindung gegeben (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG; vgl. (Az. VIII R 47/02, BStBl 2003 II S. 848)).

OFD Frankfurt/M. v. - S 2282 A - 00047-0357 - St 29

Fundstelle(n):
KAAAJ-78773