Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung; Begehung von Straftaten während Bewährung
Gesetze: § 56f Abs 1 S 1 Nr 1 StGB, § 57 Abs 5 S 1 StGB, BtMG
Gründe
11. Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer am wegen eines Kriegsverbrechens gegen Personen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung des - noch nicht durch die in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft vollstreckten - Restes der Freiheitsstrafe hat es mit Beschluss vom gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt, eine Bewährungszeit von fünf Jahren bestimmt, den Verurteilten für deren Dauer der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt und ihm mehrere Weisungen erteilt. Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht die Bewährungszeit im Hinblick auf eine Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen sowie Verstößen gegen die ihm erteilten Weisungen um ein Jahr auf insgesamt sechs Jahre verlängert.
2Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht die Strafaussetzung zur Bewährung im Hinblick auf eine erneute Verurteilung durch das Landgericht Darmstadt vom wegen in den Jahren 2020 und 2021 und damit innerhalb der Bewährungszeit begangenen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge widerrufen. Der Beschwerdeführer ist durch das Landgericht Darmstadt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden; dieses Urteil ist seit dem rechtskräftig.
3Mit seiner sofortigen Beschwerde vom richtet sich der Beschwerdeführer gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung durch den . Er rügt, dass es sich bei den dem neuerlichen Urteil zugrundeliegenden Taten - anders als in der Verurteilung vom - nicht um politisch motivierte, sondern um Betäubungsmitteldelikte und damit nicht einschlägige Straftaten gehandelt habe. Zudem macht er geltend, dass er sich komplett vom radikal-islamistischen Umfeld gelöst habe. Dasselbe beabsichtige er nun, hinsichtlich des „BtM-Milieus“ umzusetzen. Ein Bewährungswiderruf bedeute, dass er aufgrund des der Verurteilung zugrundeliegenden Kriegsverbrechens im Vollzug besonderen Sicherheitsmaßnahmen unterworfen werde, die ihn bei Ausbildungsmöglichkeiten und einer Arbeitsaufnahme einschränkten.
42. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
5Die Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 5 Satz 1, § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB liegen vor.
6a) Der Verurteilte hat durch die Begehung der Betäubungsmittelstraftaten gezeigt, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat. Gemäß § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB ist in diesem Zusammenhang eine neue Prognose anzustellen und ein Widerruf anlässlich solcher Neutaten zulässig, in denen angesichts der aktuellen Lebensumstände des Verurteilten - also unter Berücksichtigung etwaiger positiver Veränderungen nach der Begehung der neuen Tat - zum Ausdruck kommt, dass er seine kriminelle Lebensführung nicht geändert hat (vgl. , juris Rn. 14; OLG Bamberg, Beschluss vom - 22 Ws 19/15, juris Rn. 21; OLG Dresden, Beschluss vom - 2 Ws 201/09, juris Rn. 11; , JMBl NW 1996, 8, 9; , NStZ-RR 1996, 185; , Justiz 1993, 387, 388; OLG Schleswig, Beschluss vom - 1 Ws 222/82, StV 1982, 526, 527; , VRS 62, 263, 264; siehe auch LK-StGB/Hubrach, 13. Aufl., § 56f Rn. 14). Die Strafaussetzung beruht auf einer Erwartung vollständiger Straffreiheit. Dementsprechend müssen die frühere Tat und das neue Delikt nicht einen kriminologischen Zusammenhang aufweisen oder nach Art und Schwere miteinander vergleichbar sein (vgl. Hans. u.a., juris Rn. 35; Hans. , juris Rn. 8; OLG Braunschweig, Beschluss vom - 1 Ws 31/14, juris Rn. 8; , juris Rn. 11; - 5 Ws 113/01, juris Rn. 7; zu dem Nichterfordernis einer Vergleichbarkeit nach Art und Schwere; ebenso , juris Rn. 9; , Justiz 1993, 387, 388 bezüglich des Nichterfordernisses eines kriminologischen Zusammenhangs; offengelassen hinsichtlich eines kriminologischen Zusammenhangs , BGHR StGB § 56f Abs. 1 Straftat 1). Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzessystematik geben für eine solche Einschränkung einen Anhalt. Denn bereits der Wortlaut der allgemeinen Vorschriften des § 56 Abs. 1 und 2 StGB zur Strafaussetzung zur Bewährung und des § 57 Abs. 1 und 2 StGB zur Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe stellt ganz allgemein auf die Erwartung ab, dass der Verurteilte - ohne die Einwirkung des Strafvollzugs - keine Straftaten begehen wird. Gleiches gilt für die vorliegend einschlägige Regelung des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB. Es kommt hinzu, dass auch Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht für eine einschränkende Auslegung der Norm streiten. Ihre ratio legis besteht in der Berichtigung der ursprünglich günstigen Kriminalprognose (Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 56f Rn. 1 mwN; Dölling/Duttge/Rössner/Braasch, Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl., § 56f Rn. 1; weitergehend im Sinne einer Bestrafung für den Bewährungsbruch SSW-StGB/Claus, StGB, 6. Aufl., § 56f Rn. 2; MüKoStGB/Groß/Kett-Straub, § 56f Rn. 3) und - wie aus § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zur Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe deutlich wird - zudem in dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit. Die Erwartung künftiger Straffreiheit wird aber durch jede neue Tat in Frage gestellt, mithin auch durch eine solche, die mit der ursprünglichen nicht in einem Zusammenhang steht. Die gegenteilige Auffassung, die für den Widerruf der Strafaussetzung einen kriminologischen oder inneren Zusammenhang zwischen der früheren und der in der Bewährungszeit begangenen Straftat verlangt (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom - 1 Ws 222/82, StV 1982, 527, 528; , StV 1983, 337, 338; , JMBl NW 1995, 248, 249; u.a., juris Rn. 10 freilich jeweils ohne nähere Begründung), wird vor diesem Hintergrund dem gesetzlichen Regelungsgefüge nicht gerecht.
7b) Im Übrigen nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug. Soweit der Verurteilte in seiner Stellungnahme vom geltend macht, er werde sich zukünftig vollständig aus dem „BtM-Milieu“ zurückziehen und davon distanzieren, vermag ein solches Versprechen eine positive Prognose nicht zu begründen. Denn der Verurteilte hat in der Vergangenheit gezeigt, dass auch eine laufende Bewährung mit Weisungen ihn nicht von der Begehung weiterer, schwerer Straftaten abhalten konnte.
Schäfer Hohoff Erbguth
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:190924BSTB42.24.0
Fundstelle(n):
KAAAJ-78653