Leitsatz
Zur Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags nach Art. 19 Abs. 1 AGB-Banken durch eine Genossenschaftsbank gegenüber einem Kunden, der auch Mitglied der Genossenschaft ist.
Gesetze: Nr 19 Abs 1 BankAGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB
Instanzenzug: LG Landshut Az: 13 S 1346/22vorgehend AG Eggenfelden Az: 3 C 311/21
Tatbestand
1Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestehens seiner Geschäftsbeziehung zu der beklagten Genossenschaftsbank.
2Der Kläger war Mitglied der Beklagten und unterhielt bei dieser ein Girokonto, ein Kreditkartenkonto und ein Wertpapierdepot. Nr. 19 Abs. 1 der in diese drei Verträge zwischen den Parteien einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (künftig: AGB) lauten:
"Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen […]. Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages (zum Beispiel laufendes Konto oder Kartenvertrag) und eines Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens zwei Monate."
3Mit Schreiben vom erklärte die Beklagte die Kündigung der drei mit dem Kläger geschlossenen Verträge mit Wirkung zum .
4Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt festzustellen, dass die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien bestehend aus dem Girokonto, dem Depot sowie dem Kreditkartenkonto weiterhin fortbestehe. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zum Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
5Die Revision ist unbegründet.
I.
6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7Die Beklagte habe die Geschäftsbeziehung zu dem Kläger durch die Kündigung vom zum beendet. Ihr habe gemäß Nr. 19 Abs. 1 der AGB ein jederzeitiges Kündigungsrecht zugestanden.Das formularvertragliche Kündigungsrecht verstoße nicht gegen §§ 305 ff. BGB, insbesondere komme der Vorschrift keine unangemessen benachteiligende Wirkung im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Die Vorgaben aus § 675h Abs. 2 BGB, der keine Begründungspflicht vorsehe, seien eingehalten. Das Recht zur Kündigung stehe grundsätzlich auch der Beklagten als Genossenschaftsbank gegenüber ihren Mitgliedern zu, denn auch für eine Genossenschaftsbank gelte der Grundsatz der Vertragsfreiheit.
8Die Bestimmungen der Satzung der Beklagten führten ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Zwar sei der Kläger im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch Mitglied der Genossenschaft gewesen. Allerdings sehe die Satzung der Beklagten keinen individuellen Anspruch des einzelnen Genossen auf Errichtung eines Kontos oder Depots vor. Aus dem Umstand, dass eine Genossenschaft ihren Mitgliedern bestimmte Produkte anbiete, könne nicht gefolgert werden, dass jedes Mitglied diese uneingeschränkt beanspruchen könne. Auch eine Genossenschaftsbank müsse im Einzelfall die Möglichkeit haben, einzelne Verträge oder eine gesamte Geschäftsbeziehung zu einem Mitglied zu beenden.
9Auch aus den relevanten gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere dem Genossenschaftsgesetz, lasse sich ein Kontrahierungszwang nicht ableiten. Die genossenschaftlichen Regelungen, etwa die Treuepflicht und das Gleichbehandlungsgebot, wirkten zwar auf die allgemeinen schuldrechtlichen Regeln ein, die für Fördergeschäfte gölten. Ein Kontrahierungszwang sei hiermit jedoch nicht verbunden, weil dies die Genossenschaft im Einzelfall zu einem betriebswirtschaftlich nicht vertretbaren Vorhalten von Personal- und Sachmitteln zwingen würde und es der Leitungsverantwortung des Vorstands verbleiben müsse, in welchem Umfang die Genossenschaft Waren und Leistungen erbringe.
10Angesichts der zerrütteten Geschäftsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten habe die Kündigung auch nicht auf Willkür beruht, so dass für ein Überschreiten der Grenze zum Rechtsmissbrauch nichts ersichtlich sei.
II.
11Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
121. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass mittels Nr. 19 Abs. 1 der AGB ein ordentliches Kündigungsrecht der Beklagten auch gegenüber solchen Kunden, die gleichzeitig Mitglied der Genossenschaft sind, wirksam vereinbart ist.
13a) Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB. Gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrollfähig, die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten. Hierunter fallen Regelungen über das Recht zur (ordentlichen) Kündigung (Senatsurteil vom - XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 12).
14Die Klausel wird auch bei Verwendung durch die Beklagte im Verhältnis zu Kunden, die gleichzeitig Mitglied der Genossenschaft sind, nicht von der Bereichsausnahme für Gesellschaftsrecht (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB) erfasst. Denn wenn der Geschäftsverkehr der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft nicht korporationsrechtlicher Art ist, sondern auf vertraglicher Grundlage beruht, spielt er sich außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses ab, so dass rein schuldrechtliche Beziehungen entstehen und das Mitglied der Genossenschaft insoweit wie ein außenstehender Dritter gegenübertritt (, NJW 1960, 1858, 1859, vom - II ZR 228/87, BGHZ 103, 219, 221 f. und vom - II ZR 1/02, WM 2003, 292, 294). Dies ist hier angesichts der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge der Fall.
15b) Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten benachteiligt den Kläger nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Insbesondere liegt keine nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB relevante Abweichung vom gesetzlichen Leitbild vor, auch wenn die Klausel der Beklagten ein Recht zur ordentlichen Kündigung unabhängig vom Vorliegen eines sachgerechten Grundes eröffnet.
16aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom (XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 14 f. mwN) entschieden hat, ist das Giroverhältnis ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist. Da der Girovertrag Dienste höherer Art zum Gegenstand hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, konnte er bis zum , dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom , nach §§ 627, 675 BGB ordentlich gekündigt werden, ohne dass nach diesen Regelungen ein Kündigungsgrund angegeben werden musste oder gesetzliche Vorschriften eine längere Mindestkündigungsfrist verlangten. Auch nach Inkrafttreten des vorgenannten Gesetzes sieht § 675h Abs. 2 BGB für auf unbestimmte Zeit geschlossene Zahlungsdiensterahmenverträge ein (allerdings der Vereinbarung bedürftiges) Kündigungsrecht des Zahlungsdienstleisters vor, ohne Begründungspflichten für die ordentliche Kündigung einzuführen. Der von § 675h Abs. 2 Satz 2 BGB vorgeschriebenen Mindestkündigungsfrist genügt die Regelung im letzten Satz von Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten, die für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags, z.B. eines laufenden Kontos oder eines Kartenvertrags, eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Monaten vorsieht.
17Das Depotverhältnis ist ebenfalls ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das neben dienstvertraglichen Merkmalen sein Gepräge durch verwahrungsrechtliche Elemente erhält und mangels Zeitbestimmung deshalb nach § 696 Satz 1 BGB grundsätzlich jederzeit auflösbar ist (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 54/90, WM 1991, 317, 318; MünchKommHGB/Einsele, 5. Aufl., Band 6 Bankvertragsrecht, Abschnitt Q Rn. 4 f.; Klanten in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 47 Rn. 5; Binder in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl., Kap. 38 Rn. 3). Die im letzten Satz von Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten auch für die Kündigung eines Depots vorgesehene Mindestkündigungsfrist stellt sich als angemessen dar, weil sie dem Inhaber die Einrichtung eines Depots bei einem anderen Kreditinstitut ermöglicht.
18bb) Eine nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB relevante Abweichung vom gesetzlichen Leitbild lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht mit einem Verweis auf §§ 2, 11 der Satzung der Beklagten und §§ 1, 68 GenG begründen.
19Zwar besteht nach § 1 Abs. 1 GenG das Wesen einer Genossenschaft darin, dass ihr Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Dementsprechend bestimmt § 2 Abs. 1 der Satzung der Beklagten, dass Zweck der Beklagten die wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder ist. Gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung ist Gegenstand des Unternehmens der Beklagten unter anderem die Durchführung von banküblichen und ergänzenden Geschäften, insbesondere die Durchführung des Zahlungsverkehrs sowie der Erwerb, die Veräußerung, Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren. § 11 der Satzung sieht vor, dass jedes Mitglied das Recht hat, nach Maßgabe des Genossenschaftsgesetzes und der Satzung die Leistungen der Genossenschaft in Anspruch zu nehmen.
20Allerdings lässt § 2 Abs. 4 der Satzung auch die Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auf Nichtmitglieder zu und der Geschäftsverkehr der Beklagten mit ihren Mitgliedern beruht ebenso wie der mit Nichtmitgliedern auf vertraglicher Grundlage. Damit spielt er sich außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses ab, es entstehen insoweit rein schuldrechtliche Beziehungen und das Mitglied tritt der Beklagten wie ein außenstehender Dritter gegenüber (vgl. , NJW 1960, 1858, 1859, vom - II ZR 228/87, BGHZ 103, 219, 221 f. und vom - II ZR 1/02, WM 2003, 292, 294). Daraus folgt, dass die Prüfung, ob Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten einen Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1, 2 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ohne Rücksicht darauf vorzunehmen ist, ob der Kunde außerdem Mitglied der Beklagten ist oder nicht.
21Unabhängig davon können aber der Förderzweck der Beklagten, die Rechte ihrer Mitglieder aus § 11 ihrer Satzung sowie die Regelung des § 68 GenG, nach dem ein Mitglied nur zum Schluss eines Geschäftsjahres und nur aus in der Satzung der Genossenschaft bestimmten Gründen ausgeschlossen werden darf, dazu führen, dass die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage von Nr. 19 Abs. 1 der AGB im konkreten Einzelfall gegen § 242 BGB verstößt (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 25).
222. Die Einhaltung der Voraussetzungen für die wirksame Kündigung der Verträge über das Girokonto und die Kreditkarte aus § 675h Abs. 2 BGB ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zweifelhaft und wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt.
233. Die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage von Nr. 19 Abs. 1 der AGB der Beklagten war auch nicht treuwidrig.
24Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Kündigung nicht ohne sachlichen Grund, sondern wegen der Zerrüttung der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien erfolgt. Diese Feststellung wird von der Revision nicht konkret in Zweifel gezogen. Die Revision räumt sogar ein, dass in dem Kündigungsschreiben der Beklagten vom von Entgleisungen und sehr unflätigen Bemerkungen des Klägers gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beklagten die Rede ist. Unter diesen Umständen kann ein Verstoß gegen § 242 BGB hier nicht damit begründet werden, dass die Beklagte mit einer ohne jeden sachlichen Grund erfolgten Kündigungserklärung nach freiem Belieben die Voraussetzung für den Ausschluss des Klägers aus der Genossenschaft wegen Nichtnutzung des Geschäftsbetriebs der Genossenschaft (§ 9 Abs. 1 Buchst. f) der Satzung der Beklagten) geschaffen habe. Außerdem kommt es für die Wirksamkeit der im Februar 2021 erklärten Kündigung nicht darauf an, ob der im November 2021 erklärte Ausschluss des Klägers aus der Genossenschaft den Begründungsanforderungen aus § 68 GenG (vgl. Holthaus/Papstein in Lang/Weidmüller, GenG, 40. Aufl., § 68 Rn. 24; Beuthien/Beuthien, GenG, 16. Aufl., § 68 Rn. 13) bzw. aus § 9 Abs. 4 der Satzung der Beklagten genügt. Der konkrete Fall weist schließlich keine anderen Besonderheiten auf, die nach den allgemein zu § 242 BGB entwickelten Grundsätzen die Kündigung als rechtsmissbräuchlich oder eine Kündigungsfrist von zweieinhalb Monaten als zu kurz bemessen erscheinen ließen (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 30). Insbesondere hat der Kläger nicht vorgetragen, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, ein Girokonto, einen Kreditkartenvertrag und ein Depot bei einem anderen Kreditinstitut einzurichten.
254. Schließlich lässt sich - entgegen der Auffassung der Revision - eine Einschränkung des Kündigungsrechts der Beklagten in Bezug auf das Girokonto des Klägers weder aus der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum "Girokonto für jedermann" (künftig: ZKA-Empfehlung, vgl. dazu Mayen in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 47 Rn. 4 f.; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 2 Rn. 28 ff.) noch aus §§ 30 ff. ZKG herleiten. Mit Inkrafttreten der Regelung über das Basiskonto in diesen Vorschriften im Juni 2016 hat sich die ZKA-Empfehlung erledigt (Bunte, aaO Rn. 34; Büchel in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., Rn. 3.659). Auf §§ 30 ff. ZKG kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, da sich weder aus den Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem Vortrag des Klägers Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich bei den gekündigten Verträgen um Basiskontoverträge gehandelt hätte oder der Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Abschluss eines Basiskontovertrags aus §§ 31 ff. ZKG erfüllt hätte.
Ellenberger Grüneberg Matthias
Derstadt Sturm
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:151024UXIZR50.23.0
Fundstelle(n):
BB 2024 S. 2690 Nr. 47
NWB-Eilnachricht Nr. 47/2024 S. 3238
NWB-Eilnachricht Nr. 47/2024 S. 3238
WM 2024 S. 2184 Nr. 47
ZIP 2024 S. 2698 Nr. 46
UAAAJ-78398