BGH Urteil v. - VIa ZR 321/23

Instanzenzug: Az: I-17 U 3/20vorgehend Az: 15 O 170/18

Tatbestand

1 Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1 (Beklagte) wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2 Er erwarb am von einem Autohaus ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug BMW X1 xDrive18d, das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe N47 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

3 Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen und Freistellung von Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er die Klage wegen Schadensersatzes erweitert und den auf Freistellung gerichteten Antrag weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat nur hinsichtlich der Beklagten zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Berufungsantrag weiter.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg.

I.    

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit das für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist, im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB komme nicht in Betracht. Insofern fehle es an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten. Hinsichtlich des verwendeten Thermofensters bedürfe es besonderer Umstände, weil dieses unter Prüfstandsbedingungen und im gewöhnlichen Fahrbetrieb grundsätzlich gleichermaßen arbeite. Solche Umstände habe der Kläger aber nicht dargetan. Das gelte auch für weitere, behauptete Abschalteinrichtungen. Im Übrigen fehlten greifbare Anhaltspunkte für die aufgestellten Behauptungen. Schließlich habe der Kläger einen Vorsatz der Verantwortlichen der Beklagten nicht hinreichend dargetan.

7Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV komme nicht in Betracht, weil es sich bei den genannten Bestimmungen der EG-FGV nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handele.

II.    

8Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

91.    Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die seitens der Revision erhobenen Einwände greifen nicht durch.

102.    Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

11Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung des sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.    

12Die angefochtene Entscheidung ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

13Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Vor­aussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

C. Fischer                       Krüger                       Götz

                     Rensen                  Katzenstein

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:231024UVIAZR321.23.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-78395