BGH Beschluss v. - 5 StR 503/22

Instanzenzug: Az: 5 StR 503/22 Beschlussvorgehend Az: 5 StR 503/22 Beschlussvorgehend Az: 3 KLs 2/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 829.900 Euro angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des ) den vorgenannten Beschluss des Senats wegen einer Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG aufgehoben, soweit hiervon die im landgerichtlichen Urteil getroffene Einziehungsentscheidung betroffen ist, und die Sache insoweit an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

2Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungsschrift hat auch den Einziehungsausspruch betreffend keinen Rechtfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Form der Erlöse aus den abgeurteilten Betäubungsmittelgeschäften in den Fällen II.2, 3, 5 und 8 bis 11 der Urteilsgründe ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB durch diese rechtswidrigen Taten Erlöse in der genannten Höhe erlangt.

31. Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen solche Vermögensgegenstände der Einziehung, die der Täter durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt unterliegt. Da es sich bei dem Erlangen in diesem Sinne um einen tatsächlichen Vorgang handelt, kommt es auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse nicht an. Soll der Ertrag aus Betäubungsmittelgeschäften oder dessen Wert abgeschöpft werden, sind regelmäßig Feststellungen zur Entgegennahme der Verkaufserlöse und zu deren Verbleib erforderlich, die durch Beweiserwägungen tragfähig belegt werden müssen. Eine unmittelbare Beteiligung an der Übergabe der Erlöse aus den Betäubungsmittelgeschäften ist nicht erforderlich; es genügt, dass der Beteiligte anschließend ungehinderten Zugriff auf das übergebene Geld nehmen kann (vgl. Rn. 10 f. mwN; Rn. 7). Bezogen auf den Erlös aus Betäubungsmittelgeschäften sind konkrete, durch eine entsprechende Beweiswürdigung belegte Feststellungen zur Entgegennahme der Verkaufserlöse und deren Verbleib notwendig (vgl. Rn. 31).

42. Gemessen daran hält die Einziehungsanordnung nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB der rechtlichen Überprüfung stand.

5a) Das Landgericht ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass bei Betäubungsmittelgeschäften nach dem sogenannten Bruttoprinzip der gesamte Verkaufserlös der Einziehung unterliegt (vgl. , NStZ 2019, 272). Es hat festgestellt, dass das durch die Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen II.2, 3, 5 und 8 bis 11 der Urteilsgründe „erlangte Bargeld“ nicht mehr vorhanden war, der Angeklagte die Erlöse aus den Drogenverkäufen mithin erlangt hatte. Zwar findet sich diese Feststellung nicht in dem mit „Feststellungen zur Sache“ überschriebenen Teil der Urteilsgründe. Es entspricht aber der ständigen Rechtsprechung des Bundegerichtshofs, dass die schriftlichen Entscheidungsgründe für die sachlich-rechtliche Nachprüfung durch das Revisionsgericht eine Einheit bilden, deren tatsächliche Angaben berücksichtigt werden müssen, auch wenn sie sich in einem Zusammenhang finden, in dem sie nach dem üblichen Urteilsaufbau nicht erwartet werden; maßgeblich ist mithin der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (st. Rspr.; vgl. nur , BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Feststellungen 1; Beschluss vom – 3 StR 32/23, NStZ 2023, 673). Danach muss der Senat die tatsächliche Angabe in dem Abschnitt über die „Nebenentscheidungen“ berücksichtigen, wonach der Angeklagte das durch den Verkauf der Betäubungsmittel in den vorbenannten Fällen erlöste Bargeld erlangt hatte. Angesichts des Zusammenhangs mit der Höhe der konkreten Verkaufserlöse, in den die Wendung in den Urteilsgründen gestellt ist, ist auszuschließen, dass es sich hierbei lediglich um eine rechtliche Wertung handeln könnte.

6b) Diese in den Urteilsgründen getroffene Feststellung beruht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage.

7Das Landgericht hat im Feststellungsteil der Urteilsgründe in den betreffenden Fällen jeweils ausdrücklich festgestellt, dass das Betäubungsmittelgeschäft zustande gekommen war, in den Fällen 2, 3, 8 und 11 die verkauften Drogen an die Abnehmer gelangten und der Angeklagte in den Fällen 5, 9 und 10 die später veräußerten Drogen zuvor erhalten hatte, wobei er im Fall 9 seinen Kurier anwies, die Drogen an den Käufer zu übergeben. Soweit es eine Durchführung des Drogengeschäftes hingegen nicht festzustellen vermocht hat, hat das Landgericht keine Einziehungsanordnung getroffen.

8Davon, dass in den Fällen eines zustande gekommenen Geschäftes der Kaufpreis tatsächlich bezahlt worden ist, hat sich das Landgericht aufgrund der Einlassung des Angeklagten überzeugen können, der seine Tatbeteiligung – wenn auch lediglich als „Vermittler“ und teils zusätzlich als „Abwickler“ der Geschäfte – gestanden und darüber hinaus eingeräumt hat, bei „erfolgreicher Vermittlung“ vom Käufer eine geldwerte Gegenleistung erhalten oder einen Teil der Kaufpreiszahlung einbehalten zu haben (UA S. 11 f.). Für seine Überzeugung vom Geldfluss in den Fällen eines erfolgreichen Geschäftes hat es sich zudem auf die in den Urteilsgründen dargestellte und gewürdigte Encrochat-Kommunikation des Angeklagten stützen können.

9In den Urteilsgründen ist auch tragfähig belegt, dass der Angeklagte den Kaufpreis jeweils erlangte. Zum einen hat der Angeklagte eingeräumt, den Kaufpreis in einigen Fällen selbst erhalten zu haben, was unabhängig von einem etwaigen Mittelabfluss für ein Erlangen im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB genügt (vgl. , NStZ 2021, 37, 38). Zum anderen hat das Landgericht aus der Encrochat-Kommunikation den möglichen und damit revisionsrechtlich unbedenklichen Schluss gezogen, dass dem Angeklagten in den betreffenden Fällen eines erfolgreichen Geschäftes der Kaufpreis zugeflossen ist. Dass es sich in der Gesamtschau davon überzeugt hat, bei der Einlassung des Angeklagten, er sei bloßer Vermittler gewesen, habe es sich um eine Schutzbehauptung gehandelt, auch um den Einziehungsbetrag möglichst gering zu halten (UA S. 36), ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

103. Das hier gefundene Ergebnis steht im Einklang mit der vom Beschwerdeführer angeführten Entscheidung des Senats vom (5 StR 201/22). Denn dort hat sich dem tatgerichtlichen Urteil – auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe – schon nicht entnehmen lassen, dass in den Fällen, in denen der Senat die Einziehungsanordnung aufgehoben hat, überhaupt ein Betäubungsmittelgeschäft zustande gekommen war. Dieser Umstand ist indes in den Gründen der Entscheidung des Senats aufgrund der Übernahme des die Einziehungsentscheidung betreffenden Teils der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht zum Ausdruck gekommen.

Gericke                         Köhler                         Resch

                von Häfen                     Werner

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:040724B5STR503.22.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-78393