Leitsatz
1. Nimmt der (vorläufige) Sachwalter einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung zurück, nachdem ein Insolvenzgläubiger gegen die Festsetzung der Vergütung sofortige Beschwerde eingelegt hat, wird eine zu Gunsten des (vorläufigen) Sachwalters ergangene erstinstanzliche Entscheidung gegenstandslos und sind ihm grundsätzlich die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
2. Der Wert des Beschwerdegegenstands bestimmt sich auch bei der sofortigen Beschwerde eines Insolvenzgläubigers gegen die Vergütungsentscheidung nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem in der angefochtenen Entscheidung zugebilligten und dem in der Beschwerdeinstanz beantragten Betrag (Bestätigung von , NZI 2006, 250 Rn. 6 und vom - IX ZB 1/04, NZI 2007, 241 Rn. 4; Aufgabe von , NZI 2023, 188 Rn. 6).
Gesetze: § 4 InsO, § 64 Abs 3 S 1 InsO, § 64 Abs 3 S 2 InsO, § 8 Abs 1 InsVV, § 269 Abs 3 S 2 ZPO, § 567 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 84 T 263/19 Beschlussvorgehend Az: 84 T 263/19vorgehend Az: 36a IN 4295/17 Beschluss
Gründe
I.
1Der weitere Beteiligte zu 17 wurde am zum vorläufigen Sachwalter, am zum Sachwalter und mit Aufhebung der Eigenverwaltung am zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. KG (im Folgenden: Schuldnerin) bestellt. Mit Schreiben vom beantragte er beim Insolvenzgericht die Festsetzung seiner Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter und als Sachwalter auf die Mindestvergütung gemäß § 2 InsVV mit Zuschlägen von 65 % aufgrund einer Gesamtzahl von mindestens 700.000 Gläubigern nebst Auslagen und Kosten für die übertragenen Zustellungen und gesonderten Auslagen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 InsVV für die Vermögenschaden-Haftpflichtversicherung sowie Umsatzsteuer.
2Das die Vergütung des Beteiligten zu 17 auf einen Gesamtbetrag von 26.146.690,31 € einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer festgesetzt. Unter Berücksichtigung geleisteter Vorschüsse in Höhe von 8.501.762,05 € ergab sich ein noch der Masse zu entnehmender Betrag von 17.644.928,26 €. Gegen diesen Beschluss haben unter anderem der weitere Beteiligte zu 1, der eine Forderung in Höhe von 428,20 € zur Tabelle angemeldet hat, sowie die weitere Beteiligte zu 13, die Forderungen in Höhe von insgesamt 175.292,83 € zur Tabelle angemeldet und den Erwerb weiterer bereits angemeldeter Forderungen in Höhe von insgesamt 95.937,87 € angezeigt hat, jeweils fristgemäß sofortige Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat den Rechtsmitteln nicht abgeholfen.
3Der Beteiligte zu 17 hat seinen Festsetzungsantrag mit Schreiben vom in Anbetracht des , NZI 2021, 984) zurückgenommen. Auf die Anträge der Beteiligten zu 1 und 13, dem Beteiligten zu 17 die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, hat das Beschwerdegericht in zwei getrennten Beschlüssen entschieden, dass außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten sind und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihren Rechtsbeschwerden erstreben die Beteiligten zu 1 und 13 eine Änderung der Kostenentscheidung.
II.
4Die Rechtsbeschwerden haben Erfolg. Die Rechtsmittel sind aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere nach § 575 Abs. 1 und 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Rechtsbeschwerden sind auch begründet und führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Auferlegung der den Beteiligten zu 1 und 13 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten auf den Beteiligten zu 17.
51. Das Beschwerdegericht hat angenommen, außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren seien nicht zu erstatten, weil weder für eine gesetzliche Erstattungspflicht und deren Feststellung durch Beschluss noch für eine gerichtliche Anordnung der Kostenerstattung eine gesetzliche Grundlage bestehe. Eine entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO komme nicht in Betracht, weil diese Vorschrift ein Klageverfahren zwischen den Beteiligten voraussetze.
62. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
7a) Im Ergebnis zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 17 seinen Vergütungsantrag rechtswirksam zurückgenommen hat und die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts dadurch wirkungslos geworden ist. Insoweit kann dahinstehen, ob sich dies bereits aus dem Antragserfordernis des § 8 Abs. 1 Satz 1 InsVV und dem Dispositionsgrundsatz (vgl. , WRP 2009, 748, 749, zu § 107 Abs. 1 GWB aF) oder aus § 4 InsO in Verbindung mit § 269 Abs. 1 ZPO ergibt (so AG Fulda, NZI 2024, 152). Die Wirksamkeit der Antragsrücknahme hängt jedenfalls nicht von der Zustimmung der Beschwerdegegner nach den zuletzt genannten Vorschriften ab. Dies folgt zwar nicht schon aus dem Fehlen einer mündlichen Verhandlung im Vergütungsfestsetzungsverfahren (so aber Graeber/Graeber, InsVV, 4. Aufl., § 8 Rn. 137); denn auch im Zivilprozess steht im Verfahren ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 und 3 ZPO) die schriftsätzliche Äußerung zur Hauptsache dem mündlichen Verhandeln gleich (MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl., § 269 Rn. 21). Ausschlaggebend ist vielmehr, dass im Verhältnis zwischen antragstellendem Verwalter und Beschwerdeberechtigtem insoweit keine dem Zivilprozess vergleichbare Interessenlage besteht. Die Vorschrift des § 269 Abs. 1 ZPO dient dem Schutz des Beklagten, der sich auf die Klage eingelassen hat. Dieser hat ein Recht auf Entscheidung der Streitsache, das mit Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache entsteht (Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 5. Aufl., § 269 Rn. 2), ihm ohne seine Zustimmung nicht mehr entzogen werden kann (, NJW 1981, 989) und ihn damit vor einer neuen Klage schützt (Anders/Gehle/Anders, ZPO, 82. Aufl., § 269 Rn. 27). Ein vergleichbares Interesse eines beschwerdeberechtigten Insolvenzgläubigers, vor einem neuen Vergütungsfestsetzungsantrag des (vorläufigen) Sachwalters geschützt zu sein, ist nicht anzuerkennen.
8b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Beteiligte zu 17 infolge der Rücknahme seines Antrags verpflichtet, die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 und 13 in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu tragen.
9aa) Die Kostenvorschriften der Zivilprozessordnung lassen sich im Kern auf das Insolvenzverfahren übertragen, wenn ein dem allgemeinen Zivilprozess vergleichbarer Beteiligtenstreit vorliegt (vgl. Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl., § 4 Rn. 22; HK-InsO/Sternal, 11. Aufl., § 4 Rn. 7). In einem solchen Fall sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung auf das Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar, soweit nicht die besonderen Verfahrensvorschriften der Insolvenzordnung vorgreiflich sind, oder die Anwendbarkeit mit dem besonderen Charakter des Insolvenzverfahrens unvereinbar wäre (vgl. Schmidt/Stephan, InsO, 20. Aufl., § 4 Rn. 3).
10bb) Die Voraussetzungen eines Beteiligtenstreits sind vorliegend gegeben. Das Verfahren der Vergütungsfestsetzung gemäß § 64 InsO und § 8 InsVV beginnt mit Antragstellung, Gewährung rechtlichen Gehörs und gerichtlicher Entscheidung (vgl. Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 5. Aufl., Teil A § 15 Rn. 3). Ein kontradiktorischer Charakter kommt ihm allerdings erst mit Einlegung einer sofortigen Beschwerde durch den Schuldner oder einen Gläubiger zu.
11cc) Die somit im Beschwerdeverfahren des Schuldners oder eines Gläubigers eröffnete analoge Anwendung der Kostenvorschriften umfasst auch die Regelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO. Bei dieser handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zu Grunde liegenden Prinzips, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Nimmt der Kläger seine Klage zurück, begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen (, NJW 2004, 223). Ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimmt, ist ohne Bedeutung (, NJW-RR 2005, 1662, 1663). Der Insolvenzverwalter (hier: der (vorläufige) Sachwalter), der seinen Vergütungsantrag nach Einlegung eines Rechtsmittels durch den Schuldner oder einen Insolvenzgläubiger zurücknimmt, befindet sich in einer vergleichbaren Lage.
12dd) Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, den Antragsteller im Fall der Rücknahme des Antrags nicht mit den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdegegners zu belasten. Will der erstinstanzlich erfolgreiche Antragsteller eine ihm ungünstige Entscheidung über die sofortige Beschwerde durch Antragsrücknahme verhindern, so hat er kein anerkennenswertes Interesse daran, nicht mit außergerichtlichen Kosten der Gegenseite belastet zu werden. Diese Kosten geraten infolge der Rücknahme nicht in Wegfall. Könnte der Antragsteller seinen Vergütungsantrag vor Entscheidung des Beschwerdegerichts jederzeit ohne eine für ihn nachteilige Kostenfolge zurücknehmen, ginge der Insolvenzgläubiger als Beschwerdeführer selbst bei einem an sich erfolgversprechenden Rechtsmittel ein nicht zu rechtfertigendes Kostenrisiko ein.
13c) Einer Kostenentscheidung zugunsten des Beteiligten zu 1 steht die zwischen den Beteiligten streitige Frage nicht entgegen, ob ein Erfolg der Beschwerde angesichts der zur Tabelle angemeldeten Forderung zu einer Verbesserung der Quote von nicht mehr als 200 € führen würde. Zum einen kommt es auf die Frage der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde infolge der Rücknahme des Festsetzungsantrags nicht an. Zum anderen war auch die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 zulässig. Allerdings hat der Senat im Beschluss vom (IX ZB 15/22, NZI 2023, 188 Rn. 6; kritisch hierzu Vill, ZInsO 2023, 1506, 1514 f) darauf hingewiesen, dass sich der Wert des Beschwerdegegenstands nach der Differenz zu der im Erfolgsfall höheren Quote des Gläubigers richtet. An dieser Auffassung ist nicht festzuhalten. Der gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 InsO, § 567 Abs. 2 ZPO erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands bestimmt sich im Hinblick auf die nach dem Gesetz nur entsprechende Anwendung des § 567 Abs. 2 ZPO nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem in der angefochtenen Entscheidung zugebilligten und dem in der Beschwerdeinstanz beantragten Betrag (, NZI 2012, 619 Rn. 10; vgl. auch , NZI 2006, 250 Rn. 6; vom - IX ZB 19/10, ZIP 2013, 226 Rn. 11). Die unrichtige Festsetzung der Vergütung durch das Insolvenzgericht führt zu einem rechtlichen Nachteil des Insolvenzgläubigers in Höhe des Betrags, um welchen die Vergütung zu hoch festgesetzt worden ist (vgl. aaO Rn. 7; im Ergebnis ebenso Haarmeyer/Mock, Vergütung in Krise, Sanierung und Insolvenz, 7. Aufl., § 8 InsVV Rn. 197; Zimmer in Kraemer/Vallender/Vogelsang, Handbuch zur Insolvenz, 2023, A. Vergütung im Festsetzungsverfahren VII. Festsetzungsverfahren Rn. 89, Zimmer, InsVV, 2. Aufl., § 8 Rn. 171). Da es für die Beschwerdeberechtigung gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO nicht darauf ankommt, ob eine zur Tabelle angemeldete Forderung tatsächlich besteht (vgl. , NZI 2007, 241 Rn. 7), ist es sachlich nicht zu rechtfertigen, für die Feststellung der Zulässigkeit des Rechtsmittels die Ermittlung einer individuellen Quotenverbesserung zu verlangen. Letzteres würde überdies bei der - einheitlich zu treffenden - Entscheidung über den Vergütungsantrag zu einer Zuständigkeitsaufspaltung auf den Beschwerderechtszug einerseits und das Erinnerungsverfahren gemäß § 11 Abs. 2 RPflG andererseits führen können.
III.
14Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO.
Schoppmeyer Röhl Selbmann
Harms Weinland
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:101024BIXZB26.22.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-78106