BGH Urteil v. - VIa ZR 450/22

Instanzenzug: Az: 28 U 8637/21vorgehend LG München I Az: 41 O 5375/21

Tatbestand

1 Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2 Er erwarb am ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug BMW 550d, das mit einem ebenfalls von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe N57 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.

3 Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Kraftfahrzeugs, Zahlung von Deliktszinsen, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Freistellung von Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit dem Rechtsmittel verfolgt er - abgesehen von dem die Zahlung von Deliktszinsen betreffenden Berufungsantrag zu II - seine im zweiten Rechtszug gestellten Anträge weiter. Der Senat hat die Revision im beantragten Umfang zugelassen.

Gründe

4Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.    

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Die Beklagte hafte nicht gemäß §§ 826, 31 BGB auf Schadensersatz. Denn der Kläger habe die Voraussetzungen einer vorsätzlich sittenwidrigen Täuschung durch die Beklagte nicht dargetan. Die Verwendung eines Thermofensters könne allein die Sittenwidrigkeit nicht begründen, und die Verwendung anderer Abschalteinrichtungen habe der Kläger "ins Blaue hinein" behauptet.

7Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV komme nicht in Betracht, weil die genannten Bestimmungen der EG-FGV das geltend gemachte Interesse nicht schützten.

II.    

8Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

91.    Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insofern auch keine Einwände.

102.    Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

11Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.    

12Die angefochtene Entscheidung ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist deshalb insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

13Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Vor­aussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

C. Fischer                 Krüger                 Götz

                Rensen               Katzenstein

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:231024UVIAZR450.22.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-78019