BGH Beschluss v. - XI ZR 177/23

Instanzenzug: Az: XI ZR 177/23vorgehend Az: I-4 U 130/22vorgehend Az: 22 O 42/19

Gründe

1Die Gegenvorstellung führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der Streitwertfestsetzung.

21. Die gegen die Wertfestsetzung in dem Beschluss vom gerichtete Gegenvorstellung des Beklagten ist zulässig, insbesondere innerhalb der analog geltenden sechsmonatigen Frist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG (Senatsbeschluss vom - XI ZR 225/22, juris Rn. 1 mwN)erhoben worden. In entsprechender Anwendung der § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG, § 78 Abs. 5 ZPO bedarf es auch nicht der Mitwirkung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts (Senatsbeschluss vom - XI ZR 417/19, juris Rn. 2 mwN).

32. In der Sache ist die Streitwertfestsetzung wie tenoriert abzuändern.

4a) Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beträgt 147.000 €.

5Gemäß § 47 Abs. 3 GKG ist Streitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert. Nach dem hiernach heranzuziehenden § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG ist die Beschwer maßgebend, wenn - wie hier - das Verfahren endet, ohne dass der Rechtsmittelführer einen Antrag oder eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung eingereicht hat. Der Beklagte hatte sich mit seiner zurückgenommenen Nichtzulassungsbeschwerde - bei interessengerechter Auslegung - nur gegen die Berufungsentscheidung gewandt, soweit damit die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen worden ist. Die Zurückweisung betrifft die erstinstanzliche Entscheidung über die Klage und die Hilfsaufrechnung.

6aa) 147.000 € sind für die auf entsprechende Zahlung nebst Zinsen (§ 43 Abs. 1 GKG) gerichtete Klage anzusetzen.

7bb) Die hilfsweise erklärte Aufrechnung mit der bestrittenen Schmerzensgeldforderung erhöht den Streitwert nicht. Über sie ist keine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergangen (§ 45 Abs. 3 GKG).

8Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt eine vorsorglich zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nur dann zu einer Erhöhung der Beschwer, wenn das Berufungsgericht das Bestehen der Gegenforderung verneint hat und im Falle der Rechtskraft des Berufungsurteils das Nichtbestehen der Gegenforderung nach § 322 Abs. 2 ZPO rechtskräftig festgestellt wäre. Hat das Berufungsgericht die Hilfsaufrechnung des Beklagten jedoch als unzulässig zurückgewiesen, so führt dies nicht zu einer nach § 322 Abs. 2 ZPO rechtskraftfähigen Entscheidung über die behauptete Gegenforderung (BGH, Beschlüsse vom - XI ZR 217/01, MDR 2001, 1256, 1257 mwN, vom - VII ZR 36/17, BauR 2018, 145 Rn. 10 und vom - VII ZR 44/18, NZBau 2022, 412 Rn. 5). Eine Entscheidung in der Sache kommt etwa in Betracht, wenn die Aufrechnung wegen fehlender Substantiierung nicht durchgreift (, NJW 2015, 955 Rn. 48 mwN), nicht aber, wenn die zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht hinreichend bestimmt sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom , aaO Rn. 12 und vom - VIII ZR 255/20, WM 2021, 2262 Rn. 22). Lässt das Gericht die Zulässigkeit der Aufrechnung offen, ist über die Gegenforderung nicht rechtskräftig entschieden (, WM 1988, 1322, 1323 und Urteil vom - VIII ZR 355/89, WM 1991, 731, 732; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 322 Rn. 157; Büscher in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 322 Rn. 262; Gehle in Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 322 Rn. 123a; MünchKommZPO/Gottwald, 6.  Aufl., § 322 Rn. 204; Saenger/Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 322 Rn. 46; Völzmann-Stickelbrock in Prütting/Gehrlein, ZPO, 16. Aufl., § 322 Rn. 71; Zöller/ Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., § 322 Rn. 19; aA BeckOK ZPO/Gruber, 53. Ed. , § 322 Rn. 69.1).

9So liegt es jedoch hier. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Gegenforderung nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei, weshalb es nicht darauf ankomme, in welcher Reihenfolge der Beklagte die beiden Klageforderungen teilweise zum Erlöschen habe bringen wollen, da für die Bestimmung der Reihenfolge nach § 396 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 366 Abs. 2 BGB weitere Angaben erforderlich gewesen wären. Hiermit hat das Berufungsgericht zwar in der Sache entscheiden wollen, zugleich hat es jedoch rechtsfehlerhaft die Zulässigkeit der Aufrechnung offengelassen.

10b) Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 5.250 €.

11Auch insofern ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG die Beschwer maßgebend, nachdem das Verfahren geendet hat, ohne dass der Beklagte einen Antrag oder eine Rechtsbeschwerdebegründung eingereicht hat. Der Beklagte hatte sich mit seiner zurückgenommenen Rechtsbeschwerde - bei interessengerechter Auslegung - nur gegen die Berufungsentscheidung gewandt, soweit damit die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen worden ist. Die Verwerfung betrifft die erstinstanzliche Abweisung der Widerklage, die darauf gerichtet war, den Kläger zur Rechnungslegung gemäß § 259 BGB zu verurteilen über die Berechnung der 199.500 €, die dieser im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem im vorliegenden Verfahren ergangenen Vorbehaltsurteil erhalten hat.

12Für den Gläubiger des Rechnungslegungsanspruchs bemisst sich die Beschwer mit einem nach § 3 ZPO zu schätzenden Bruchteil des Leistungsanspruchs, der vorbereitet werden soll (BGH, Beschlüsse vom - II ZR 47/16, juris Rn. 3 und vom - VII ZR 21/23, BauR 2023, 2127 Rn. 12; vgl. zum Auskunftsanspruch , NJW 1997, 1016 sowie Beschlüsse vom - XII ZB 465/11, NJW 2011, 3790 Rn. 11, vom - III ZR 62/14, juris Rn. 2 und vom - XII ZB 80/18, NJW-RR 2018, 901 Rn. 11). Dabei richtet sich der Bruchteil danach, inwieweit der Berechtigte auf die Rechnungslegung angewiesen ist, und bewegt sich regelmäßig zwischen einem Zehntel und einem Viertel (BGH, Beschlüsse vom , aaO und vom , aaO; vgl. zum Auskunftsanspruch aaO und Beschluss vom , aaO).

13Hiernach ergibt sich ein Wert von 5.250 €. Der Beklagte hatte beabsichtigt, mit seiner Widerklage auf Rechnungslegung einen Anspruch nach § 717 ZPO vorzubereiten. Dabei ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen, dass aus seiner Sicht unklar war, wie sich der vollstreckte Betrag von 199.500 € errechnet, soweit er die titulierte Hauptforderung von 147.000 € übersteigt. Von der danach maßgeblichen Differenz in Höhe von 52.500 € (§ 43 Abs. 2 GKG) ist ein Zehntel anzusetzen.

Ellenberger                  Grüneberg                 Matthias

                  Derstadt            Schild von Spannenberg

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:100924BXIZR177.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-77893