OFD Frankfurt/M. - S 2253 A - 00115 - 0357 - St 24

Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten bei Wohnungsüberlassungen an nahe Angehörige sowie an Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses

1.1 Allgemeines

Die nachfolgenden Ausführungen in Tz. 1.2 sind in allen Fällen einer verbilligten Überlassung (z. B. unter nahen Angehörigen) einer Wohnung zu Wohnzwecken im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu beachten.

Werden Wohnungen z. B. im Rahmen eines Dienstverhältnisses (verbilligt) überlassen, so gelten die unter Tz. 2 beschriebenen Ermittlungsmethoden für die ortsüblichen Vergleichsmieten entsprechend (vgl. ofix: EStG/8/64).

1.2 Verbilligte Vermietung im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

Nach § 21 Abs. 2 EStG ist seit dem Veranlagungszeitraum (VZ) 2012 die Nutzungsüberlassung einer zu Wohnzwecken genutzten Wohnung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen, wenn das für die Nutzungsüberlassung gezahlte Entgelt weniger als 66 % der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt.

Ab VZ 2021 hat die Aufteilung zu erfolgen, wenn das Entgelt weniger als 50 % der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt. Beträgt das Entgelt zwischen 50 % und weniger als 66 %, ist die Einkunftserzielungsabsicht zu prüfen (Totalüberschussprognose). Als Hilfestellung zur Durchführung der Totalüberschussprognose steht die Word-Vorlage „25 3029 0 - Vermietung und Verpachtung Totalüberschussprognose“ zur Verfügung.

Grundsätzliche Voraussetzung für die Anerkennung von Mietverhältnissen unter nahen Angehörigen ist, dass der Mietvertrag zivilrechtlich wirksam geschlossen worden ist und tatsächlich wie vereinbart durchgeführt wird; dabei müssen Vertragsinhalt und Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (Fremdvergleich), vgl. ofix: EStG/4/61.

Für die Ermittlung der maßgeblichen Miete ist von ortsüblichen Marktmieten für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung auszugehen. Die ortsübliche Marktmiete umfasst die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten (vgl. R 21.3 EStR und ofix: EStG/21/50).

Beispiel:

Ein Steuerpflichtiger vermietet eine zuvor fremdvermietete Wohnung an seine Tochter. Das Mietverhältnis ist zivilrechtlich wirksam und wird auch wie vereinbart durchgeführt. Die Wohnung war zuvor für 500 € zzgl. 150 € Umlagen fremdvermietet. Die Tochter übernimmt sämtliche Umlagen und zahlt darüber hinaus eine Miete in Höhe von 285 €.

Die tatsächlich gezahlte Warmmiete beträgt 66,9 % der ortsüblichen Warmmiete und ist somit steuerrechtlich anzuerkennen. Bei einem Vergleich der Kaltmieten zueinander zahlt die Tochter lediglich 57 %.

Die Ermittlung der ortsüblichen Miete ist somit maßgebend für die Beurteilung, ob eine verbilligte Wohnraumüberlassung vorliegt. Diese Ermittlung gestaltet sich in der Praxis oftmals schwierig. Es geht darum, eine ortsübliche Vergleichsmiete ggf. im Rahmen einer sachgerechten Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO zu ermitteln. Die ermittelte ortsübliche Warmmiete sollte dann auch in einem sich ggf. anschließenden Einspruchs- oder finanzgerichtlichen Verfahren belastbar sein.

Die nachfolgenden Ausführungen sollen für die Finanzamtspraxis Hilfestellungen geben, wie eine ortsübliche Miete ermittelt werden kann. Dabei werden zunächst die Ermittlungsmöglichkeiten der „Kaltmiete“, anschließend Ermittlungsmöglichkeiten der umlagefähigen Kosten beschrieben. Die nachfolgenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dem Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, die tatsächliche ortsübliche Miete für nach Lage, Art und Ausstattung vergleichbare Wohnungen nachzuweisen.

Die Festsetzungsnahen Daten sind zu pflegen, die im Rahmen der Veranlagungstätigkeiten gewonnenen Erkenntnisse und Feststellungen sind dort zu vermerken (vgl. hierzu ofix: EStG/21/42 und ofix: EStG/21/21).

2. Ermittlung der ortsüblichen Kaltmiete

Die Ermittlung der ortsüblichen Kaltmiete erfolgt in dem nachfolgend dargestellten abgestuften Verfahren. Die Ermittlungen der Kaltmieten sollten in der dargestellten Reihenfolge durchgeführt werden.

2.1 Rückgriff auf Mietspiegel der Städte und Gemeinden

Die ortsübliche Miete kann grundsätzlich anhand der örtlichen Mietspiegel ermittelt werden. Nach § 558c BGB sollen die Städte und Gemeinden Mietspiegel erstellen, wenn hierfür ein öffentliches Interesse besteht. Vereinzelt erstellen Kommunen auch qualifizierte Mietspiegel (§ 558d BGB) oder Mietdatenbanken (§ 558e BGB). Soweit Mietspiegel, qualifizierte Mietspiegel oder Mietdatenbanken vorhanden sind, bestehen keine Bedenken, die entsprechenden Werte steuerlich anzusetzen. Mietspiegel bzw. vergleichbare Übersichten existieren für die Bereiche der Städte Frankfurt, Darmstadt (2018, 2020, 2022), Offenbach, Hanau (bis ; bis ; bis ) und Wiesbaden (2016, 2021). Auch über den Hessenfinder lassen sich diverse aktuelle Mietspiegel abrufen.

Enthält der Mietspiegel Rahmenwerte, ist jeder der Mietwerte als ortsüblich anzusehen, den der Mietspiegel im Rahmen der Spanne zwischen mehreren Mietwerten für vergleichbare Wohnungen ausweist. Es bestehen keine Bedenken, wenn der Überlassende (z. B. Vermieter, Arbeitgeber) den unteren Rahmenwert des Mietspiegels entsprechend der Entscheidung des BStBl 2006 II, S. 71, als örtlichen Mietpreis zugrunde legt. Auch bei den unteren Rahmenwerten sind örtlich bedingte Wertsteigerungen oder Wertminderungen in Form von Zuoder Abschlägen zu berücksichtigen. Ein Abschlag vom Mietwert kommt etwa dann in Betracht, wenn sich Beeinträchtigungen dadurch ergeben, dass eine enge räumliche (bauliche) Verbindung der zur Verfügung gestellten Wohnung mit den zur Erfüllung der beruflichen Pflichten bestimmten Räumen besteht, sofern diese Beeinträchtigung nicht schon bereits bei der Wohnflächenberechnung Berücksichtigung fand. Sieht der anzuwendende Mietspiegel für vergleichbare Wohnungen keine Bandbreite zwischen mehreren Mietwerten vor, ist der im Mietspiegel für vergleichbare Wohnungen ausgewiesene Durchschnittswert anzusetzen. Aus Vereinfachungsgründen sind in solchen Fällen keine allgemeinen Zu- oder Abschläge vorzunehmen.

2.2 Rückgriff auf die Mietwertkalkulatoren der Ämter für Bodenmanagement und Geoinformation (Mika)

Liegt kein Mietspiegel vor, so können die Mietwertkalkulatoren der hessischen Ämter für Bodenmanagent und Geoinformation zu Rate gezogen werden. Sie werden inzwischen flächendeckend für alle Regionen zur Verfügung gestellt (vgl. Schaubild „Regionale Zuständigkeitsbereiche“) und auch im Rahmen von finanzgerichtlichen Verfahren anerkannt.

Anhand der vier Haupteinflussgrößen (maßgeblicher Bodenrichtwert (vgl. hierzu ofix: EStG/21/70), Baujahr, Ausstattung und Wohnfläche) errechnet Mika die durchschnittliche Wohnraummiete. Der Mietpreis-Kalkulator basiert auf einer mathematisch-statistischen Auswertung der überwiegend in den Kaufpreissammlungen der betroffenen Gutachterausschüsse aufgenommen Mietdaten. Bei der statistischen Auswertung wird auch das Spektrum der Haupteinflussgrößen untersucht und die Anwendung auf dieses Spektrum begrenzt, da nur insoweit aussagekräftiges bzw. vergleichbares Datenmaterial vorliegt. Die Anwendung ist weitestgehend selbst erklärend.

Die Online-Variante gibt die Werte zum aktuellen Stichtag wieder. Der Bodenrichtwert wird hierbei automatisch anhand der eingegebenen Grundstücksdaten aus BORIS Hessen ausgelesen. Die Nutzung von Mika Online ist wie die Nutzung der weiteren Produkte der Plattform Geodaten online für die Finanzverwaltung kostenlos. Trotz des anderslautenden Hinweises „zahlungspflichtig bestellen“ erfolgt tatsächlich keine Rechnung. Zur Nutzung bedarf es lediglich eines Benutzerkontos, das von der ADV-Stelle eingerichtet wird. Das Ergebnis der Abfrage kann unter „Meine Daten“ und „Aufträge“ durch Klicken auf den Pfeil ganz rechts abgerufen werden.

Zu den vorausgehenden Stichtagen steht lediglich die Offline-Version für die nachfolgend genannten Regionen zur Verfügung. Um die Nettokaltmiete zu ermitteln, sind Eingaben auf dem Blatt „Berechnung“ vorzunehmen. In der Anwendung wird pro Gemarkung ein generalisierter Bodenwert unterstellt. Dieser ist mithilfe von BORIS zu überprüfen und im Falle der Abweichung manuell einzugeben. Das Ergebnis der Abfrage wird auf dem Registerblatt „Ergebnis“ angezeigt.


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Jahr
2015
2017
2019
2021
2023
Region 1
Kassel-Korbach
Mika ohne Stadt Kassel
Mika
Mika
Mika
Mika
Region 2
Homberg (Efze)
Mika
Mika
Mika
Mika
Mika
Region 3
Gießen-Marburg
Mika
Mika
Mika
Mika
Mika
Region 4
Fulda
Mika
Mika
Mika
Mika
Mika
Region 5
Frankfurt-Wiesbaden-Limburg
Mika ohne Städte Frankfurt und Wiesbaden
Mika ohne Städte Frankfurt und Wiesbaden
Mika ohne Städte Frankfurt und Wiesbaden
Mika ohne Städte Frankfurt und Wiesbaden
Mika ohne Städte Frankfurt, Bad Homburg, Oberursel und Wiesbaden
Mika Oberursel
Region 6
Hanau-Büdingen
Mika ohne Stadt Hanau
Mika ohne Stadt Hanau
Mika ohne Stadt Hanau
Mika ohne Stadt Hanau
Mika ohne Stadt Hanau
Region 7
Darmstadt-Offenbach-Heppenheim
Mika ohne Städte Darmstadt und Offenbach
Mika ohne Städte Darmstadt und Offenbach
Mika ohne Städte Darmstadt und Offenbach
Mika ohne Städte Darmstadt und Offenbach
Mika ohne Städte Darmstadt und Offenbach

Da Mika nur alle zwei Jahre aktualisiert wird, ist für Veranlagungszeiträume, die zwischen diesen beiden Jahren liegen, auf das letzte vor dem Veranlagungszeitraum liegende Jahr zurückzugreifen.

2.3 Ermittlung anhand der Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen

Sowohl in den Fällen, in denen eine vergleichbare Miete nach den Tz. 2.1 oder 2.2 nicht ermittelt werden konnte, als auch in den Fällen, in denen die nach den vorstehenden Grundsätzen ermittelte vergleichbare Miete noch verifiziert werden soll, bietet sich eine Internetrecherche an. Beispielsweise kann man sich unter https://www.immobilienscout24.de/ einen Überblick über die zur Zeit zur Verfügung stehenden zu vermietenden Immobilien im Umkreis des betreffenden Objekts verschaffen. Es empfiehlt sich, entsprechende Ausdrucke zu den Akten zu nehmen, da die Ermittlung der vergleichbaren Miete auch im Nachhinein nachvollziehbar sein sollte. Die Internetrecherche bietet eine gute Möglichkeit, die vergleichbare Miete nach sachgerechten Maßstäben zu schätzen. Hierfür können die qm-Preise für in der Nähe belegenen Objekte gebildet und ggf. noch Zu- und Abschläge für bestimmte Ausstattungsmerkmale (z. B. großer Garten, Wintergarten etc.) gemacht werden.

Nach dem , BStBl 2021 II S. 479 ist die ortsübliche Miete unter Berücksichtigung eines breiten Spektrums von Vergleichswohnungen zu ermitteln, d.h. es müssen die Entgelte für zumindest drei vergleichbare Wohnungen zugrunde gelegt werden (§ 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB). Eine vergleichbare, im gleichen Haus liegende, fremdvermietete Wohnung kann allein genauso nicht mehr als Maßstab für die Ortsüblichkeit herangezogen werden wie der zuvor vereinbarte Mietpreis, wenn die Wohnung vor der Überlassung an nahe Angehörige an fremde Dritte vermietet war (Abkehr vom , BFH/NV 2009, 146).

2.4 Ermittlung mit Hilfe eines Bausachverständigen

Greift keine der vorstehend dargestellten Methoden, kommt eine Ermittlung der Miete durch Sachverständigengutachten in Betracht. Eine entsprechende Anfrage ist an den Bausachverständigen des jeweiligen Finanzamts zu richten.

3. Ermittlung und Berücksichtigung der umlagefähigen Kosten

Der BFH stellt bei der Vergleichsberechnung auf die tatsächlich vereinbarten Mieten im Vergleich zur ortsüblichen Miete ab (vgl. , BStBl 1997 II S. 605). Für die Berechnung der Entgeltlichkeitsquote sind die Warmmieten zugrunde zu legen (vgl. , BStBl 2016 II S. 835). Diese beinhalten die Kaltmieten, zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung (BetrKV) umlagefähigen Nebenkosten (vgl. R 21.3 EStR). Zu den umlagefähigen Kosten gehören nach § 2 BetrKV insbesondere die Grundsteuer, die Kosten für die Wasserversorgung, Entwässerung, Heizung, Straßenreinigung und Müllbeseitigung, die Beleuchtung, Gartenpflege, Schornsteinreinigung, Sach- und Haftpflichtversicherung und für den Hauswart. Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung gehören nach § 1 BetrKV nicht dazu.

Bezogen auf die vereinbarte Miete, sind alle umlagefähigen Kosten in die Vergleichsberechnung einzubeziehen, die tatsächlich gezahlt worden sind. Der BFH entschied hierzu mit Urteil vom – IX R 7/20, BStBl 2021 II S. 479, dass auch solche Nebenkosten einzubeziehen sind, die unmittelbar vom Mieter getragen wurden, denn diese sind dem Grundsatz nach ebenfalls umlagefähig.

Da die Prüfung, ob eine verbilligte Vermietung an nahe Angehörige vorliegt, in der Regel nach Ablauf des betreffenden Veranlagungszeitraums erfolgt, kann die tatsächliche Höhe der für das Objekt zu leistenden Umlagen ermittelt werden. Auch wenn die Umlagen nicht weiter belastet werden, so stehen dem Steuerpflichtigen die für die Ermittlung der Höhe der Umlagen notwendigen Unterlagen zur Verfügung und können somit vorgelegt werden. Sind keine getrennten Zähler vorhanden, so können die Umlagen anhand der tatsächlichen Kosten und einer Aufteilung dieser nach der Anzahl der Bewohner bzw. nach den Flächen aufgeteilt und somit sachgerecht geschätzt werden.

Werden die Umlagen tatsächlich umgelegt, so kann eine entsprechende Endabrechnung bei dem Steuerpflichtigen angefordert werden.

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