Unterbringung eines Betreuten: Verlängerung der regelmäßigen Höchstfrist der Unterbringung
Gesetze: § 1831 Abs 1 Nr 1 BGB, § 329 Abs 1 S 1 FamFG
Instanzenzug: LG Bayreuth Az: 52 T 39/24vorgehend AG Bayreuth Az: 7 XVII 894/23
Gründe
I.
1Der im Jahr 1969 geborene Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung seiner Unterbringung.
2Bei dem Betroffenen besteht eine Alkoholabhängigkeit mit schwerwiegenden somatischen Folgeerkrankungen (Leberzirrhose, Wernicke-Korsakow-Syndrom). Für ihn wurde eine Betreuung eingerichtet und ein Berufsbetreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis auch die Entscheidung über eine Unterbringung umfasst.
3Am begab sich der Betroffene in einem Zustand akuter Intoxikation freiwillig in ein Bezirkskrankenhaus. In der Folgezeit wurde zunächst seine öffentlich-rechtliche Unterbringung angeordnet und sodann im Wege einstweiliger Anordnung seine zivilrechtliche Unterbringung genehmigt. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Beschluss vom die Unterbringung des Betroffenen durch den Betreuer in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer geeigneten Einrichtung bis einschließlich zum genehmigt. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen; hiergegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
4Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
51. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass sich eine Unterbringung als unumgänglich erweise, weil dem Betroffenen andernfalls ein erheblicher gesundheitlicher Schaden drohe. Zwar habe die persönliche Anhörung des Betroffenen eine beginnende Krankheitseinsicht und damit einhergehend eine beginnende Verbesserung seines Gesundheitszustands gezeigt. Allerdings sei ihm der Grad seiner Erkrankung weiterhin nicht klar. Er könne krankheitsbedingt die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen. Im Übrigen hat das Landgericht auf den Beschluss des Amtsgerichts Bezug genommen, in welchem zur Dauer der Unterbringung ausgeführt ist, dass die diesbezügliche Empfehlung des Sachverständigen berücksichtigt worden sei.
62. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
7a) Die getroffenen Feststellungen tragen zwar die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Denn unter Bezugnahme auf das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten hat das Landgericht die derzeitige Situation rechtsbeschwerderechtlich beanstandungsfrei als für den Betroffenen lebensbedrohlich erachtet und damit die für eine Genehmigung der Unterbringung erforderliche ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben bejaht (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 280/18 - FamRZ 2019, 552 Rn. 12 mwN zu § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.
8b) Zutreffend beanstandet die Rechtsbeschwerde indessen, dass das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen für länger als ein Jahr nicht ausreichend dargelegt hat.
9aa) Gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Befristung auf längstens ein Jahr stellt damit eine gesetzliche Höchstgrenze für die Dauer der Unterbringung dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden darf. Wird über die regelmäßige Höchstfrist der Unterbringung von einem Jahr hinaus eine Unterbringung von bis zu zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, ist nach der Rechtsprechung des Senats diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen. Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben. Dabei erfordert das im Gesetz genannte Merkmal der „Offensichtlichkeit“, dass die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten (Senatsbeschluss vom - XII ZB 219/23 - FamRZ 2024, 299 Rn. 12 f. mwN).
10bb) Vorliegend ist zum ersten Mal die Unterbringung des Betroffenen in der Hauptsache genehmigt worden. Konkrete Anknüpfungspunkte für die Annahme, dass auch nach Ablauf der gesetzlichen Regelhöchstdauer von einem Jahr noch eine Unterbringungsbedürftigkeit bestehen wird, lassen sich den Beschlüssen der Vorinstanzen nicht entnehmen. Das Amtsgericht hat insoweit die Ausführungen des Sachverständigen berücksichtigt, der - allerdings ohne nähere Begründung - eine Unterbringung für „zunächst“ zwei Jahre empfohlen hat. Aus dem Gutachten ergibt sich lediglich, dass eine Alternative zu einer geschlossenen Unterbringung aktuell nicht bestehe. Weshalb die Unterbringungsdauer jedoch von vornherein auf zwei Jahre festgesetzt werden muss, wird nicht deutlich.
113. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur Nachholung der Feststellungen zur erforderlichen Unterbringungsdauer an das Landgericht zurückzuverweisen.
12Bei der erneuten Entscheidung wird das Beschwerdegericht auch zu berücksichtigen haben, dass für die Dauer der Unterbringung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Erstellung des Sachverständigengutachtens abzustellen ist und die Frist nicht erst mit der gerichtlichen Entscheidung beginnt (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 236/15 - FamRZ 2016, 1065 Rn. 23 mwN).
Klinkhammer Botur
Krüger
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:280824BXIIZB207.24.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-77818