BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 16/24

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Hamm Az: 1 AGH 31/23 Urteil

Gründe

I.

1Der im Jahr 1977 geborene Kläger ist seit April 2006 im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen und derzeit in einer anwaltlichen Partnerschaftsgesellschaft in D.         tätig. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte seine Zulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).

2Der Kläger hat gegen den ihn am zugestellten Widerrufsbescheid am elektronisch beim Oberlandesgericht Hamm (Rechtsprechung) Klage erhoben. Das Oberlandesgericht hat die Klageschrift an den (beim Oberlandesgericht ansässigen) Anwaltsgerichtshof weitergeleitet, auf dessen Geschäftsstelle sie am eingegangen ist. Die von ihm in der Klageschrift angekündigten Anträge und Klagebegründung hat der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof am nicht eingereicht.

3Die Beklagte hat am einen Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom (622 GS 911/23 [609 Js 1689/21] AG Aachen nebst Berichtigungsbeschluss vom ) vorgelegt, mit dem gegen den Kläger gemäß § 132a StPO i.V.m. § 70 StGB ein vorläufiges Berufsverbot verhängt worden war, und mit Klageerwiderung vom die Abweisung der Klage beantragt. Der Kläger hat daraufhin unter dem die Verlegung des Verhandlungstermins wegen der kurzfristigen Überlassung der weiteren Unterlagen beantragt. Nachdem der Berichterstatter ihm mitgeteilt hatte, dass der Termin aufrechterhalten bleibe und ihm, sollte es im vorliegenden Verfahren entgegen der bisherigen Einschätzung auf das strafrechtliche Berufsverbot ankommen, rechtliches Gehör durch Einräumung eines Schriftsatznachlasses gewährt werde, hat der Kläger den Berichterstatter und den Präsidenten des Anwaltsgerichtshofs Dr. L.              als "Vorsitzenden" mit Schriftsatz vom als befangen abgelehnt.

4Der Anwaltsgerichtshof hat den Befangenheitsantrag zu Beginn der mündlichen Verhandlung am in Abwesenheit des Klägers unter Mitwirkung des abgelehnten Berichterstatters wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig verworfen und die Klage mit am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündetem Urteil wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig und zudem in der Sache unbegründet abgewiesen.

5Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs sowie - vorsorglich - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist.

II.

6Der Zulassungsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

71. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

8Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 34/23, juris Rn. 8 und vom - AnwZ (Brfg) 43/23, juris Rn. 6 mwN). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 66/18, juris Rn. 5; vom - AnwZ (Brfg) 34/23 Rn. 8 und vom - AnwZ (Brfg) 43/23, juris Rn. 6).

9Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

10a) Der Anwaltsgerichtshof konnte das Verfahren trotz der Verhängung des vorläufigen Berufsverbots gegen den Kläger fortsetzen und über die Klage entscheiden. Das vorläufige Berufsverbot hat zu keiner Verfahrensunterbrechung gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 244 Abs. 1 Fall 2 ZPO geführt, weil der Kläger weiterhin ordnungsgemäß anwaltlich vertreten war.

11Die Verhängung eines (vorläufigen) Berufsverbots führt zwar zu einer Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 244 Abs. 1 Fall 2 ZPO, wenn ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt die Befugnis zur Selbstvertretung in einem laufenden Anwaltsprozess verliert. Insoweit gehen die besonderen Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Eintritt und die Wirkungen einer Verfahrensunterbrechung auch der in § 155 Abs. 5 BRAO enthaltenen allgemeinen Regelung vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZB 39/89, BGHZ 111, 104, 108 und vom - AnwZ (Brfg) 6/19, ZInsO 2020, 1127 Rn. 10; ebenso Weyland/Reelsen, BRAO, 11. Aufl., § 155 BRAO Rn. 10; Johnigk in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 155 BRAO Rn. 10).

12Hier liegt aber kein Fall der Selbstvertretung durch den Kläger vor, da die Klage laut Klageschrift nicht allein durch den Kläger, sondern ausdrücklich durch seine Sozietät "                                                                           " als sich für ihn bestellende Prozessbevollmächtigte erhoben worden ist. Dementsprechend sind auch sämtliche Ladungen und Mitteilungen des Anwaltsgerichtshofs sowohl dem Kläger persönlich (als Partei durch Postzustellungsurkunde) als auch seiner Sozietät (als anwaltliche Bevollmächtigte mittels Empfangsbekenntnis) zugestellt worden. Damit war (und ist) der Kläger auch nach Verlust seiner Befugnis zur Selbstvertretung weiterhin ordnungsgemäß durch die Partnerschaftsgesellschaft bzw. die ihr angehörenden postulationsfähigen anwaltlichen Sozien vertreten.

13b) Ob der Anwaltsgerichtshof die Klage zu Recht wegen Versäumung der Klagefrist (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) als unzulässig angesehen hat und ob dem Kläger insoweit evtl. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre, bedarf keiner Entscheidung.

14Denn der Anwaltsgerichtshof hat die Klage jedenfalls in der Sache zutreffend mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO am erfüllt waren. An der Richtigkeit dieser Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel.

15aa) Der Kläger wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass der Anwaltsgerichtshof aus den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger den Schluss auf seinen Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 1 BRAO gezogen hat. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

16(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt ein Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (B) 119/09, juris Rn. 12; vom - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4; vom - AnwZ (Brfg) 40/13, juris Rn. 4; vom - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 4; vom - AnwZ (Brfg) 68/19, juris Rn. 6 und vom - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 14). Leistet der Rechtsanwalt über einen längeren Zeitraum Zahlungen nur unter dem Druck von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, spricht das nicht nur bei Verbindlichkeiten in größerem Ausmaß für einen Vermögensverfall, sondern (gerade) auch dann, wenn der Rechtsanwalt es sogar wegen vergleichsweise geringfügiger Forderungen zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hat kommen lassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 30/13, juris Rn. 4; vom - AnwZ (Brfg) 22/14, juris Rn. 5; vom - AnwZ (Brfg) 26/15, juris Rn. 3 und vom - AnwZ (Brfg) 61/16, juris Rn. 5; Urteil vom - AnwZ (Brfg) 63/18, juris Rn. 42).

17(2) Ausgehend davon hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht darauf abgestellt, dass bis zum fünf Zwangsvollstreckungsverfahren wegen Forderungen in einem Gesamtwert von 19.165,93 € gegen den Kläger betrieben worden waren, in denen der Kläger die Forderungen (nur) in Höhe von 17.620,72 € beglichen hatte, so dass im Zeitpunkt des Widerrufs noch ein laufender Zwangsvollstreckungsauftrag wegen einer durch Urteil des Landgerichts Aachen vom (8 O 425/22 LG Aachen) titulierten Forderung der R.                                                                                       GmbH in Höhe von 1.545,72 € offen stand. Dass der Anwaltsgerichtshof dies als hinreichende Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall des Klägers angesehen hat, ist nach den oben dargelegten Grundsätzen der Senatsrechtsprechung nicht zu beanstanden.

18Ergänzend dazu lässt sich - ohne dass es hierauf noch entscheidend ankäme - anführen, dass in dem Urteil des Landgerichts Aachen vom (8 O 425/22 LG Aachen) nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs eine weitere Forderung der R.                                                                              GmbH in Höhe von 101.657,57 € tituliert worden war, bezüglich derer zwar erst nach Erlass des Widerrufsbescheids ein Vollstreckungsauftrag erteilt wurde, im Zeitpunkt des Widerrufs somit aber gleichwohl bereits ein Titel (und damit ein Beweisanzeichen im obigen Sinne) gegen den Kläger erwirkt worden war.

19bb) Ebenfalls zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof weiter festgestellt, dass der Kläger den aus diesen Beweisanzeichen folgenden Schluss auf seinen Vermögensverfall nicht entkräftet hat. Das gilt auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens in der Begründung seines Zulassungsantrags.

20(1) Lassen Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Vollstreckungshandlungen den Schluss auf einen Vermögensverfall zu, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids gegen ihn bestanden und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (vgl. Senat, Urteil vom9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 51/13, juris Rn. 14; Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 68/19, juris Rn. 6 und vom - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 24). Dabei ist er kraft seiner Mitwirkungslast gemäß § 32 Satz 1 BRAO§ 26 Abs. 2 VwVfG  im Widerrufsverfahren und im anschließenden gerichtlichen Verfahren gehalten, darzulegen, ob und wie er die gegen ihn gerichteten Forderungen tilgen kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 20; vom - AnwZ (Brfg) 1/17, juris Rn. 9 und vom - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 24). Außerdem bedarf es - auch zur Entkräftung vorliegender Beweisanzeichen - der Vorlage eines vollständigen und detaillierten Verzeichnisses der Gläubiger und Verbindlichkeiten und konkreten Darlegung nachhaltig geordneter Vermögens- und Einkommensverhältnisse (Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 32/19, ZInsO 2019, 2520 Rn. 7 und vom - AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 25).

21(2) Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt. Er hat weder im Widerrufsverfahren noch im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof oder in der Begründung seines Zulassungsantrags Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen gemacht. Auch die von ihm erhobenen Einwände gegen die Annahme seines Vermögensverfalls greifen nicht durch.

22(a) Dass der Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs nicht im Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen war, hat der Anwaltsgerichtshof berücksichtigt, war aber für seine Entscheidung unerheblich, weil er den Vermögensverfall des Klägers nicht aufgrund der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO sondern aufgrund der oben genannten Beweisanzeichen gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 1 BRAO bejaht hat.

23(b) Der Einwand des Klägers, dass er "wegen der Hauptforderung" zwischenzeitlich einen erheblichen Anteil der Verbindlichkeiten abgetragen habe, so dass die Restforderung nur noch ca. 100.000 € betrage und am18. Dezember 2023 ein Ratenzahlungsplan mit der Gläubigerin vereinbart worden sei, ist für die im vorliegenden Verfahren vorzunehmende Beurteilung unerheblich, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Widerrufsvoraussetzungen nach ständiger Rechtsprechung des Senats der Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens am ist; spätere Entwicklungen sind erst in einem etwaigen Wiederzulassungsverfahren zu berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 39/21, ZInsO 2022, 1461 Rn. 6 mwN).

24(c) Anderes ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Einwand des Klägers, die Forderung eines ehemaligen Mandanten habe nicht in der behaupteten Höhe von 15.000 € bestanden, es habe sich um ein hoch streitiges Verfahren vor dem Landgericht Aachen gehandelt (8 O 486/21 LG Aachen), dessen Verfahrensakte beigezogen werden sollte, und die Forderung sei bereits vor dem Widerruf seiner Zulassung zurückgeführt worden.

25Soweit der Kläger damit die Berechtigung der gegen ihn titulierten Forderung in Frage stellen will, steht dem entgegen, dass Titeln und ausgebrachten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine Tatbestandswirkung zukommt, aufgrund derer sie im Widerrufsverfahren nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft werden (vgl. dazu etwa Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 71/17, ZInsO 2018, 1637 Rn. 5 und vom - AnwZ (Brfg) 39/21, ZInsO 2022, 1461 Rn. 9 mwN). Hinsichtlich der Höhe der Vollstreckungsforderung aus diesem Titel ergibt sich aus der (in dem vom Anwaltsgerichtshof beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten enthaltenen) Verfahrensübersicht des Gerichtsvollziehers S.            vom , dass aufgrund des Urteils des Landgerichts Aachen vom (8 O 486/21 LG Aachen) ein Zwangsvollstreckungsauftrag in Höhe von 12.218,43 € gegen den Kläger erteilt worden war, worauf der Kläger die Forderung beglichen hatte. Letzteres hat der Anwaltsgerichtshof auch berücksichtigt, zu Recht aber nicht für erheblich erachtet, weil das nichts daran ändert, dass der Kläger die Zahlung erst unter dem Druck der Zwangsvollstreckung geleistet hat.

26(d) Soweit der Kläger geltend macht, er müsse letztlich für Verbindlichkeiten seines ehemaligen Kollegen geradestehen, ist dies bereits deshalb unerheblich, weil für den Widerruf nicht entscheidend ist, aus welchen Gründen der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist und ob er dies verschuldet hat oder nicht (vgl. Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 10/17, juris Rn. 23; vom - AnwZ (Brfg) 38/20, ZInsO 2021, 1437 Rn. 16 und vom - AnwZ (Brfg) 29/21, ZInsO 2022, 86 Rn. 10).

27(e) Die strafrechtlichen Vorhaltungen und laufenden Ermittlungsverfahren gegen den Kläger hat der Anwaltsgerichtshof zwar im Tatbestand seiner Entscheidung ausführlich wiedergegeben, entgegen der Ansicht des Klägers bei der Feststellung des Vermögensverfalls aber ausdrücklich unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung - zu Recht - nicht berücksichtigt.

28(f) Schließlich greift auch der Einwand des Klägers, es sei ihm wegen der zeitgleichen Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden "teils nur schwerlich möglich, voll umfassend zu den jeweiligen Vorwürfen" Stellung zu nehmen, "ohne sich selbst unnötig zu belasten", nicht durch. Inwiefern die - nach den obigen Grundsätzen der Senatsrechtsprechung erforderliche - umfassende Darlegung seiner Vermögensverhältnisse und finanziellen Situation zum Zeitpunkt des Widerrufs eine unzumutbare Selbstbelastung für den Kläger in strafrechtlicher Hinsicht mit sich bringen sollte, erschließt sich nicht und wird vom Kläger auch nicht näher erläutert.

29cc) Keine ernstlichen Zweifel bestehen an der weiteren Feststellung des Anwaltsgerichtshofs, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Klägers nicht gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 1 BRAO auszuschließen ist.

30(1) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7 und vom - AnwZ (Brfg) 21/23, ZInsO 2023, 2388 Rn. 6). Von einem solchen Ausnahmefall kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 19/22, juris Rn. 7 und vom - AnwZ (Brfg) 21/23, ZInsO 2023, 2388 Rn. 6). Will der betroffene Rechtsanwalt weiterhin anwaltlich tätig werden, ist es daher von besonderer Bedeutung, dass er rechtlich abgesicherte Maßnahmen trifft, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Hierzu gehört eine wirksame Kontrolle. Denn Maßnahmen, die zwar inhaltlich zum Schutz der Mandanteninteressen geeignet sind, deren Einhaltung aber nicht wirksam kontrolliert werden oder die jederzeit - unkontrolliert - beendet werden können, sind zum Ausschluss der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht tauglich (vgl. AnwZ (Brfg) 43/21, juris Rn. 8).

31(2) Hierzu hat der Kläger, der weiterhin einer anwaltlichen Partnerschaftsgesellschaft als selbständiger Rechtsanwalt angehört, weder im behördlichen Widerrufsverfahren, noch im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof oder mit der Begründung seines Zulassungsantrags vorgetragen.

322. Dem Anwaltsgerichtshof ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Insbesondere beruht die Entscheidung entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf einer Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

33a) Ein Verfahrensfehler oder Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht darin, dass der Anwaltsgerichtshof dem Antrag des Klägers vom15. November 2023 auf Verlegung des Verhandlungstermins vom17. November 2023 nicht stattgegeben hat.

34Der vom Kläger persönlich (unter Verwendung seines privaten Briefkopfs) gestellte Verlegungsantrag war zwar trotz des gegen ihn verhängten vorläufigen Berufsverbots nach § 155 Abs. 5 Satz 1 BRAO als wirksam anzusehen. Der Anwaltsgerichtshof hat aber zutreffend einen erheblichen Grund für eine Terminverlegung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO verneint.

35Dagegen macht der Kläger ohne Erfolg geltend, die Beklagte habe mit ihren Schriftsätzen kurz vor dem Termin weitere erhebliche Unterlagen vorgelegt, welche insbesondere die Gründe des angeordneten Widerrufs der Zulassung ergänzten und im Ergebnis sogar zu ersetzen drohten. Das trifft nicht zu. Das Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung vom zum Vermögensverfall des Klägers und die von ihr damit eingereichten Unterlagen waren dem Kläger sämtlich bereits aus dem behördlichen Widerrufsverfahren bekannt. Soweit die Beklagte sich in der Klageerwiderung zusätzlich auf das von ihr mit Schriftsatz vom vorgelegte vorläufige Berufsverbot vom berufen hat, hatte der Berichterstatter des Anwaltsgerichtshofs den Kläger darauf hingewiesen, dass es nach vorläufiger - zutreffender (s.o.) - Einschätzung darauf nicht ankommen werde und ihm andernfalls ein Schriftsatznachlass zur Stellungnahme eingeräumt würde. In Anbetracht dessen bestand kein Anlass, den anberaumten Termin zu verlegen.

36b) Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin, dass der Anwaltsgerichtshof das Ablehnungsgesuch des Klägers vom unter Beteiligung des abgelehnten Berichterstatters zu Beginn der mündlichen Verhandlung wegen Rechtsmissbräuchlichkeit als unzulässig verworfen hat.

37(1) Die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig unter Mitwirkung des abgelehnten Richters ist nur zulässig, wenn das Gesuch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, etwa wenn alle Richter eines Gerichts abgelehnt werden oder das Gesuch nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können. Dazu zählen auch nur der Verschleppung oder als taktisches Mittel für verfahrensfremde Zwecke dienende Ablehnungsgesuche (vgl. BVerfG, NJW 2007, 3771, 3772; NVwZ-RR 2008, 289, 291; Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 10/18, juris Rn. 7; vom - AnwZ (Brfg) 3/21, juris Rn. 28, 37 und vom - AnwZ (Brfg) 23/23, juris Rn. 25).

38(2) Diese Voraussetzungen hat der Anwaltsgerichtshof hier zu Recht bejaht.

39Das Ablehnungsgesuch gegen den Präsidenten des Anwaltsgerichtshofs Dr. L.           war bereits deshalb unzulässig, weil dieser als Vorsitzender lediglich mit Verfügung vom den Verhandlungstermin auf den bestimmt hatte, an der mündlichen Verhandlung und Entscheidung im Verfahren aber nicht beteiligt war.

40Das Ablehnungsgesuch gegen den Berichterstatter war ersichtlich unbegründet. Der Kläger hat seine Besorgnis der Befangenheit letztlich nur damit begründet, dass der Berichterstatter nach vorläufiger Einschätzung nicht seiner - des Klägers - Rechtsauffassung folgen wollte, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens auf eine Aufarbeitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn ankomme bzw. dessen Auswirkungen auch im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen seien. Die Zugrundelegung einer der Partei ungünstigen Rechtsauffassung rechtfertigt indes nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 54 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 2 ZPO. Die Annahme einer solchen Besorgnis kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung so grob fehlerhaft ist, dass sich bei vernünftiger und besonnener Betrachtungsweise der Eindruck der Voreingenommenheit gegenüber einer Partei aufdrängt (BGH, Beschlüsse vom - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 Rn. 7; vom - VI ZB 54/21, juris Rn. 4; vom - AnwZ (Brfg) 10/22, juris Rn. 27 und vom - VI ZR 126/23, juris Rn. 3). Das war hier nicht der Fall. Hinzu kommt, dass der Kläger bis zu seinem Verlegungsantrag weder einen Klageantrag angekündigt noch eine Klagebegründung eingereicht hatte. Vor diesem Hintergrund diente sein Ablehnungsgesuch ersichtlich nur der Verhinderung der bevorstehenden mündlichen Verhandlung und damit - rechtsmissbräuchlich - der Verfahrensverschleppung.

41c) Kein Verfahrensfehler liegt schließlich darin, dass der Anwaltsgerichtshof in Abwesenheit des Klägers verhandelt und entschieden hat, da der Kläger, seine Prozessbevollmächtigten und die Beklagte mit der Ladung ordnungsgemäß auf diese Möglichkeit nach § 112c Abs. 1 BRAO, § 102 Abs. 2 VwGO hingewiesen worden sind.

423. Weitere Zulassungsgründe werden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

III.

43Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Limperg             Remmert              B. Grüneberg

             Lauer         Niggemeyer-Müller

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140624BANWZ.BRFG.16.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-77763