BGH Beschluss v. - 3 StR 261/24

Instanzenzug: Az: 12 KLs 2090 Js 15019/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 1. der Urteilsgründe) und wegen bewaffneten „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ (Fall II. 2. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Strafkammer hat - soweit für die Revisionsentscheidung von Bedeutung - die nachfolgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

3a) Am führte der Angeklagte per Telegram-Chat verbindliche Verkaufsverhandlungen über 100 Gramm Cannabisblüten mit einem Wirkstoffgehalt von 13 % Tetrahydrocannabinol (THC). Zu der für den Folgetag geplanten Übergabe des Rauschgifts kam es nicht. Dieses Verhalten hat das Landgericht als minder schweren Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eingeordnet und seiner Strafbemessung gemäß § 29a Abs. 2 BtMG einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zugrunde gelegt (Fall II. 1. der Urteilsgründe).

4b) Am verwahrte der Angeklagte einen Handelsbestand von 265,5 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 18,8 % Amphetaminbase im Küchenbereich der von ihm genutzten Wohnung und in unmittelbarer räumlicher Nähe hierzu mehrere zur Verteidigung der Betäubungsmittel bestimmte Messer. Als er beim Verlassen des Hauses einer Kontrolle unterzogen wurde, führte er zudem zum Handeltreiben bestimmte Kleinmengen Marihuana, Haschisch und Amphetamin mit sich. Auch insoweit hat das Landgericht einen minder schweren Fall angenommen und den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unter Anwendung des Strafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG - Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren - verurteilt (Fall II. 2. der Urteilsgründe).

52. Der Schuldspruch im letztgenannten Fall ist dahin zu ändern, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist. Der Strafausspruch unterliegt, obwohl die Tat fast ausschließlich Amphetamin zum Gegenstand hat, der Aufhebung.

6a)  Zur Begründung seines Antrags auf Änderung des Schuldspruchs in diesem Fall hat der Generalbundesanwalt das Folgende ausgeführt:

„Allerdings führt die ergangene Gesetzesänderung zum Umgang mit Cannabis zum zur Anwendbarkeit der Neuregelung (§ 2 Abs. 3 StGB). Hinsichtlich des hier in Rede stehenden Handeltreibens mit Cannabis sind nämlich die Rechtsfolgen des Konsumcannabisgesetzes (vgl. § 34 KCanG), verglichen mit denen des Betäubungsmittelgesetzes (§§ 29 f. BtMG), deutlich milder (, juris Rn. 6; , juris Rn. 4). […] Im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte somit des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Handelsbestand Amphetamin) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (Handelsbestand Marihuana und Haschisch) schuldig gemacht.

Der Schuldspruchberichtigung steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte ersichtlich nicht anders und erfolgreicher hätte verteidigen können (vgl. BeckOK StPO/Wiedner, 50. Ed. , StPO § 354 Rn. 43).“

7Dem tritt der Senat bei und ergänzt, dass die Zusätze „unerlaubt“ und „in nicht geringer Menge“ beim bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln entbehrlich sind (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 216/24, juris Rn. 6; vom - 3 StR 355/20, juris Rn. 2 mwN).

8b) Der betreffende Einzelstrafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil der vertypte Strafmilderungsgrund des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bei der Strafrahmenbestimmung nicht erkennbar bedacht worden ist. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte zur Überzeugung des Landgerichts seinen - zwischenzeitlich verstorbenen - Drogenlieferanten benannt. Ob er dies bereits vor oder erst nach dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses getan hat (§ 31 Satz 3 BtMG in Verbindung mit § 46b StGB; vgl. hierzu Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 31 Rn. 31 ff.), ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Im Hinblick darauf, dass eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 31 Abs. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB eine Absenkung der Strafuntergrenze auf das gesetzliche Minimum zur Folge gehabt hätte, wäre eine nähere Erörterung erforderlich gewesen. Dass das Landgericht den Gesichtspunkt der Benennung des Lieferanten innerhalb des angewendeten Strafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG allgemein strafmildernd berücksichtigt hat, reicht nicht aus.

9Die insoweit getroffenen Feststellungen bleiben bestehen, weil sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche Feststellungen ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

103. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe unterliegt in Gänze der Aufhebung. Der nach § 2 Abs. 3 StGB gebotene konkrete Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 278/24, juris Rn. 13; vom - 3 StR 201/24, juris Rn. 7 mwN; Urteile vom - 3 StR 412/22, NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 8 f.; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 327) führt - entgegen der in der Zuschrift des Generalbundesanwalts geäußerten Rechtsauffassung - nicht zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Strafe auch nach dem Inkrafttreten der Neuregelung aus dem Strafrahmen des § 29a Abs. 2 StGB zuzumessen ist. Diesem Strafrahmen entspräche nur derjenige des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, während derjenige des Grundtatbestands des Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG dem Angeklagten günstiger wäre. Zwar bezieht sich die Tat auf eine nicht geringe Menge Cannabis. Es ist allerdings nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, ob das Tatgericht mit Blick auf die lediglich geringe Überschreitung des auch im Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes gültigen Grenzwertes der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 278/24, juris Rn. 12; vom - 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 8; vom - 2 StR 480/23, StV 2024, 587 Rn. 27 ff.; vom - 4 StR 5/24, NStZ-RR 2024, 249, 250; vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 7; vom - 4 StR 50/24, StV 2024, 595 Rn. 6 ff.; vom - 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216 f.; vom - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.) um das 0,7-fache und den weiteren Umstand, dass es zu einer Lieferung des Rauschmittels nicht gekommen ist, von einer Anwendung des Regelbeispiels gleichwohl abgesehen hätte. Bei dieser Sachlage kann bereits der Schuldspruch keinen Bestand haben.

11Die zu Fall II. 1. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen bleiben ebenfalls bestehen, weil sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Auch sie können um solche Feststellungen ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

124. Die Einziehungsentscheidungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

13Zu der Berichtigung der eingezogenen Amphetaminmenge und der Aufhebung der angeordneten Einziehung eines Mobiltelefons/Handys Samsung und deren Entfall hat der Generalbundesanwalt das Folgende ausgeführt:

„Soweit die Kammer insgesamt 276,22 Gramm Amphetamin eingezogen hat, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen. Selbst wenn man das in der Umhängetasche befindliche Amphetamin (1,76 Gramm) zu dem in der Wohnung aufgefundenen Amphetamin (265,50 Gramm) hinzuaddiert, erhält man nicht die oben angegebene Summe. Die Einziehungsentscheidung ist daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO dahingehend zu berichtigen, dass 265,50 Gramm Amphetamin (Trockengewicht: 118,99 Gramm) eingezogen sind (vgl. BeckOK StPO/Wiedner, 51. Ed. , StPO § 354). Da die Cannabisprodukte aus der Umhängetasche nicht eingezogen wurden und der Angeklagte die Umhängetasche herausverlangte (vgl. UA S. 28 unten), ist davon auszugehen, dass der Inhalt der Umhängetasche von dem Verzicht des Angeklagten umfasst war.

Aus der Urteilsbegründung ergibt sich, dass die Kammer das Mobiltelefon des Angeklagten gerade nicht einziehen wollte (UA S. 28), weshalb die Einziehung insofern zu entfallen hat (vgl. BeckOK StPO/Wiedner, 51. Ed. , StPO § 354). Im Übrigen ist die Einziehungsentscheidung nicht zu beanstanden.“

14Dem schließt sich der Senat ebenfalls an.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110924B3STR261.24.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-77755