BGH Beschluss v. - 3 StR 171/24

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 3 KLs 9/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, mit Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erhielten der Angeklagte und ein Mitangeklagter von einem Lieferanten zu vier verschiedenen Gelegenheiten Marihuana im jeweils höheren Kilogrammbereich und verkauften es anschließend gewinnbringend. Jeder der beiden hatte seinen eigenen Kundenstamm, arbeitete auf eigene Rechnung und vermischte „sein“ neues Marihuana jeweils mit dem bei ihm noch vorhandenen Restbestand. Beim vierten Geschäft bezog der Mitangeklagte - neben dem Marihuana - Betäubungsmittel von dem Lieferanten, darunter 900 Gramm Amphetamin, 314 Gramm Ecstasy und 124 Gramm MDMA, die ebenfalls zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt waren. Der Angeklagte transportierte jeweils die gesamte angelieferte Drogenmenge zur von beiden genutzten Bunkerwohnung. In dieser lagen im Zeitraum von Portionierung und Abverkauf der vierten Lieferung griffbereit ein geladener Revolver und ein Butterflymesser. Außerdem fuhr der Angeklagte den Mitangeklagten regelmäßig zu dessen Abnehmern. Bei der letzten gemeinsamen Auslieferungsfahrt führte er ein Pfefferspray mit sich.

II.

3Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Prüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuld- und Aufhebung des Strafausspruchs.

41. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Angeklagten für seinen Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109). Diese Rechtsänderung ist nunmehr gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Tat nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom - 6 StR 24/24, juris Rn. 5; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321).

5Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, was die ersten drei Lieferungen betrifft, unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes jeweils ein Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG und eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis des Mitangeklagten gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, §§ 27, 52 StGB. Die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG sind jeweils erfüllt, weil sich sämtliche Handlungen auf nicht geringe Mengen bezogen (zum Grenzwert von 7,5 Gramm THC s. etwa , juris Rn. 9 mwN). Das Regelbeispiel ist im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 481/23, juris Rn. 7; vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 5; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN).

6Das Geschehen um die vierte Lieferung stellt sich als bewaffnetes Handeltreiben mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG in Tateinheit mit Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben des Mitangeklagten mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB und Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB dar.

7Alle Taten stehen, wie vom Landgericht zutreffend angenommen, in Tateinheit zueinander, § 52 StGB.

8Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Patzak/Möl-linger, NStZ 2024, 321, 327) für den Angeklagten günstiger als diejenige nach dem Tatzeitrecht; sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich. Denn die Strafkammer hat § 30a Abs. 1 BtMG zur Anwendung gebracht und ihrer Strafzumessung den dort normierten Rahmen von fünf bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe zugrunde gelegt. § 34 Abs. 4 KCanG sieht demgegenüber Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.

9Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

102. Der Strafausspruch unterliegt angesichts der nunmehr gebotenen Anwendung des milderen Strafrahmens der Aufhebung.

11a) Nicht beizupflichten ist dagegen den Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts, es verstoße gegen das Doppelverwertungsverbot, die besondere Gefährlichkeit des - hier mit gleich sechs Patronen geladenen - Revolvers strafschärfend heranzuziehen.

12Zwar hat der Bundesgerichtshof früher für § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF wiederholt entschieden, dass es mit § 46 Abs. 3 StGB nicht in Einklang zu bringen sei, die Verwendung einer Schusswaffe als Schärfungsgrund zu berücksichtigen (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 1/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Raub 2; vom - 2 StR 551/95, juris mwN). Die Norm sah vor der Änderung durch das 6. Strafrechtsreformgesetz allerdings auch nur eine solche als Tatmittel vor.

13Den Tatbestand der § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG erfüllt dagegen neben der Schusswaffe auch jeder andere Gegenstand, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Eine gesteigerte Gefährlichkeit muss dieser nicht aufweisen (st. Rspr.; s. etwa , BGHR BtMG § 30a Gegenstand 2). Das Beisichführen etwa eines einfachen Schlagwerkzeugs oder Pfeffersprays unterfällt dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Cannabis daher ebenso wie zum Beispiel die Verwendung eines aufmunitionierten Maschinengewehrs. Damit umfassen die Vorschriften Tatmodalitäten, die sich in ihrer Gefährlichkeit erheblich unterscheiden. In einem solchen Fall verbietet es § 46 Abs. 3 StGB nicht, die Erfüllung der vergleichsweise intensiveren Tatvariante durch Mitsichführen einer - hier sogar bereits mit sechs Patronen geladenen und damit unmittelbar einsatzbereiten - Schusswaffe, durch deren Begehung das geschützte Rechtsgut besonders stark gefährdet wird, straferschwerend zu berücksichtigen (vgl. zum Raub etwa , BGHR StGB § 46 Abs. 3 Raub 6; zu § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 127/07, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 8; vom - 1 StR 560/19, juris Rn. 5; vom - 2 StR 123/24, juris Rn. 3; Weber, BtMG, 6. Aufl., § 30a Rn. 279; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 30a Rn. 122 ff.; vgl. aber auch ; Beschluss vom - 2 StR 144/05, juris Rn. 6).

14b) Die Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, dass es sich bei Marihuana um eine weiche Droge handelt, und damit einen unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr statthaften Strafzumessungsgrund herangezogen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 10; vom - 6 StR 116/24, NStZ-RR 2024, 215, 216; vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 5), liegt darin keine Tatsachenfeststellung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, wenn sie den bisherigen nicht widersprechen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110924B3STR171.24.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-77741