BGH Beschluss v. - 3 StR 352/24

Instanzenzug: LG Duisburg Az: 32 KLs 31/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S.            wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Entziehung elektrischer Energie, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Den Angeklagten A.       hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt sowie deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Angeklagten erheben mit ihren Revisionen jeweils die Sachrüge. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen weitgehenden Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte S.          mit Marihuana und Kokain.

3Bei neun näher dargelegten Taten im Zeitraum zwischen dem 16. Januar und dem veräußerte er insgesamt 12.470 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 955,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) und 140 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 112 Gramm Kokainhydrochlorid (unter II. 2. der Urteilsgründe).

4Zudem betrieb er spätestens ab Ende des Jahres 2022 zusammen mit einem Mittäter eine Marihuana-Plantage. Der benötigte Strom wurde über ein Zuleitungskabel zwischen dem Hausanschluss und dem Zählerschrank bezogen und nicht durch den Zähler erfasst. Neben einem Raum mit vier großen Aufzuchtzelten befand sich ein Schlafraum mit zwei Betten für auf der Plantage tätige Arbeiter. Etwa Mitte Februar 2023 wurden rund 41 Kilogramm Marihuana mit 5.576 Gramm THC geerntet. Aus der Ernte kam es bis zum zu drei Verkäufen von insgesamt acht Kilogramm Marihuana; weitere rund sechs Kilogramm Marihuana wurden bei der Durchsuchung einer Wohnung des Angeklagten S.         am gefunden (insgesamt unter II. 3. der Urteilsgründe).

5Nach der Ernte der Cannabis-Pflanzen wurden neue Pflanzen angebaut. Um den bezog der Angeklagte A.       einen Schlafraum auf der Plantage, um bei der zeitnah erwarteten Ernte für einen Lohn von 250 € bis 300 € zu helfen. Ihm war bewusst, dass das Marihuana weitestgehend dem gewinnbringenden Weiterverkauf dienen sollte und er die erfolgreiche Durchführung dadurch gewährleistete, dass er sich zur Erntehilfe bereiterklärt und bereits die Unterkunft bezogen hatte. Vor der Ernte wurde jedoch das Objekt am durchsucht. Es fanden sich 1.668 Pflanzen mit einer Gesamtmenge von 46 Kilogramm Marihuana und rund 6.400 Gramm THC (unter II. 4. der Urteilsgründe).

6Am Tag der Durchsuchung bewahrte der Angeklagte S.          in einer anderen Wohnung rund 703 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 681 Gramm Kokainhydrochlorid und 2.789 Gramm Marihuana mit 488 Gramm THC auf. In einem Kleiderschrank befand sich unmittelbar neben dem Kokain und einer Tüte mit Marihuana eine nicht geladene Pistole FN 125 Kaliber 7,65 Browning nebst acht Patronen (unter II. 5. der Urteilsgründe).

7Der Angeklagte S.          hatte jeweils mindestens 90 Prozent des Kokains und Marihuanas für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen.

82. Die Schuld- und Strafaussprüche haben keinen Bestand, weil nach Urteilsverkündung das Cannabisgesetz vom (BGBl. I Nr. 109) mit Wirkung vom in Kraft getreten und gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO im Revisionsverfahren zu berücksichtigen ist. Davon bleiben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unberührt (§ 353 Abs. 2 StPO). Da diese jedoch eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht zulassen und ergänzungsbedürftig sind, scheidet eine Umstellung des Schuldspruchs durch den Senat entsprechend dem Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts aus. Hierzu im Einzelnen:

9a) Soweit der Angeklagte S.          in Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen eines einheitlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, tritt zu einem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) hinsichtlich des Kokains ein Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG hinzu, dem - auch bei dem Regelbeispiel der nicht geringen Menge (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG) - ein geringerer Unrechts- und Schuldgehalt zukommt (s. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 159/24, juris Rn. 4; vom - 3 StR 167/24, juris Rn. 6).

10In Bezug auf den Betrieb der Cannabisplantage bis zur jeweiligen Ernte (unter II. 3. und 4. der Urteilsgründe) käme bei dem Angeklagten S.         grundsätzlich statt eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein Handeltreiben mit Cannabis, hier jeweils in Tateinheit mit Entziehung elektrischer Energie (§ 248c Abs. 1 StGB), in Betracht (vgl. zum Verhältnis zum Anbau insoweit , NStZ-RR 2024, 249, 250 mwN; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 34 KCanG Rn. 53 f.). Hinsichtlich der nicht zum Verkauf bestimmten Mengen träten tateinheitlich der Anbau und - im Fall der Ernte (unter II. 3.) - das Herstellen von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KCanG hinzu (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 98/24, juris Rn. 11; vom - 3 StR 278/24, juris Rn. 8 ff.).

11Dementsprechend läge bei dem Angeklagten A.      eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis und zum Anbau von Cannabis vor (vgl. zur Zusage BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 65/24, juris Rn. 6 mwN).

12In Fall II. 5. der Urteilsgründe könnte für den Angeklagten S.          grundsätzlich ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG - hinsichtlich des zum Verkauf bestimmten Kokains - in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - hinsichtlich des restlichen Kokains -, mit bewaffnetem Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG), mit Besitz von Cannabis - hinsichtlich der nicht zum Verkauf bestimmten Menge - und mit Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG) sowie von Munition (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b WaffG) gegeben sein.

13b) Indes ist eine abschließende Beurteilung, wie vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt, allein aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht möglich.

14aa) In Bezug auf den Betrieb der Cannabis-Plantage lassen die Urteilsgründe keine Bewertung zu, ob insbesondere der Angeklagte S.         als Mitglied einer Bande im Sinne von § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG, § 30a Abs. 1 BtMG handelte (vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Beschlüsse vom - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325; vom - 3 StR 363/10, NStZ-RR 2011, 58; Urteil vom - 2 StR 176/17, juris Rn. 15). Anlass zu einer näheren Prüfung geben die Feststellungen, dass die Plantage auf mehrere Ernten gerichtet war, es zu zwei Anbauvorgängen kam, der Angeklagte S.          die Plantage zusammen mit einem weiteren Mittäter betrieb, zudem einer der Mitangeklagten über die erste Ernte hinaus mit der Aufzucht befasst war sowie weitere Arbeiter im Rahmen organisierter Abläufe tätig wurden.

15bb) Ferner ist die konkurrenzrechtliche Einordnung der verschiedenen Handlungen des Angeklagten S.         näher zu klären. So erschließt sich nicht ohne Weiteres, wieso die in seiner einen Wohnung sichergestellten rund sechs Kilogramm Marihuana aus der Ernte der Marihuana-Plantage stammen und insofern - folgerichtig - damit zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden, während das am selben Tag in seiner anderen Wohnung sichergestellte Marihuana gesondert betrachtet und dessen Herkunft nicht erörtert wird. Sollte es auch aus der Ernte herrühren, könnte es ebenso der Bewertungseinheit unterfallen (zu einem insgesamt bewaffneten Handeltreiben , NStZ 2012, 340; vom - 2 StR 74/17, juris Rn. 10), in welche das zugleich aufbewahrte Kokain allerdings nicht einbezogen werden könnte (s. , juris Rn. 6). Insofern kommt aber wegen teilidentischer Ausführungshandlungen, namentlich in Bezug auf die Bewaffnung, Tateinheit in Betracht (vgl. , juris Rn. 13 mwN).

16c) Einer etwaigen Änderung der Schuldsprüche zum Nachteil der Angeklagten stünde das Verbot der Schlechterstellung nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht entgegen, da sich dieses lediglich auf Art und Höhe der Rechtsfolgen bezieht. Im Übrigen ist die Verfolgung nicht wirksam auf einzelne Straftatbestände beschränkt worden (§ 154a StPO), da die im Rahmen der Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft lediglich pauschal genannte Verfolgungsbeschränkung unter den gegebenen Umständen zu unbestimmt und daher unwirksam ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 321/11, NStZ-RR 2012, 50, 51; vom - 4 StR 461/13, juris Rn. 6; Urteil vom - 3 StR 286/23, juris Rn. 16). Das Landgericht selbst hat das Verfahren nur hinsichtlich eines weiteren, ein Handeltreiben des Angeklagten S.         im Mai 2022 betreffenden Anklagepunktes gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

17d) Mit der Aufhebung der Schuldsprüche geht die Aufhebung der Strafaussprüche einher. Mithin kommt es nicht darauf an, dass die Strafzumessungserwägungen insofern Bedenken begegnen, als das Landgericht einerseits keine minder schweren Fälle angenommen, andererseits ausgeführt hat, das Tatbild weiche derart vom Durchschnitt ab, „dass die Anwendung des Normalstrafrahmens als nicht mehr geboten erscheint“.

18e) Die auf einer geänderten Gesetzeslage beruhende Urteilsaufhebung hat keine Revisionserstreckung auf die nicht revidierenden Mitangeklagten zur Folge (vgl. , juris Rn. 8 mwN).

Schäfer            Hohoff            Anstötz

           Erbguth           Voigt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110924B3STR352.24.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-77738