BGH Beschluss v. - 2 StR 269/24

Instanzenzug: Az: 21 KLs 13/23

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie „unerlaubten“ Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass drei Monate der Strafe vor der Maßregel zu vollstrecken sind.

2 Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

3 1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils führt zu einer Neufassung des Schuldspruchs.

4 a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts besaß der Angeklagte am eine Gesamtmenge von 11,1 g Amphetamin, die zum Eigenkonsum bestimmt war (Fall I. 2. a) der Urteilsgründe). Am wurden bei dem Angeklagten 2.352,02 g Amphetamin, 295,7 g Amphetaminsulfatzubereitung und 375,91 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 50,5 g THC aufgefunden. Der Angeklagte wollte diese Rauschmittel gewinnbringend weiterveräußern (Fall I. 2. b) der Urteilsgründe).

5 b) Gegenstand der Verurteilung im Fall I. 2. b) der Urteilsgründe ist auch das Handeltreiben des Angeklagten mit Marihuana und damit Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 4, 8 KCanG. Der Schuldspruch ist daher an die Änderungen durch das am in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) anzupassen, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO als milderes Recht bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist. Dass sich die Tat auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen hat (vgl. dazu , NJW 2024, 420, 421 f.), weswegen das gesetzliche Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG vorliegt, bedarf keiner Kennzeichnung in der Urteilsformel (vgl. nur Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl., Rn. 45, 50 mwN).

6 c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

7 2. Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht. Der Senat kann im Hinblick auf die im Fall I. 2. b) der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe angesichts der großen Menge an Amphetamin, die die Menge des ebenfalls zum gewinnbringenden Verkauf bestimmten Marihuanas um ein Vielfaches übersteigt, ausschließen, dass die Tathandlung des Angeklagten in Bezug auf diese Droge bei der Bestimmung des Schuldumfangs und damit bei der Findung der verhängten Strafe mitentscheidend war (vgl. , Rn. 6).

8 3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält indes revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

9 Zwar besteht bei dem Angeklagten eine langjährige polyvalente Betäubungsmittelabhängigkeit, die den von der Neufassung des § 64 Satz 1 StGB vorausgesetzten Begriff einer Substanzkonsumstörung erfüllt (vgl. näher BT-Drucks. 20/5913, S. 69). Die bisherigen Feststellungen belegen aber nicht, dass die Taten des Angeklagten im Sinne der Neuregelung „überwiegend“ hierauf zurückgehen. Von einer überwiegenden Verursachung der Tat durch den Hang ist vor allem in den Fällen auszugehen, in denen die Tat auf Drogenhunger oder die Notwendigkeit zum Erwerb des Rauschmittels zur Vermeidung von Entzugserscheinungen zurückgeht („klassische Beschaffungskriminalität“), aber auch, wenn aggressive Handlungen infolge der Abhängigkeit oder Intoxikation begangen worden sind (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 47). Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs muss das Tatgericht – gegebenenfalls unter sachverständiger Hilfe – positiv feststellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 188/23, Rn. 7; vom – 3 StR 343/23, Rn. 12 und vom – 5 StR 545/23, Rn. 2).

10 Das Landgericht hat bei seiner Prüfung diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht durchgängig beachtet und deshalb seine Feststellungen nicht daran ausgerichtet. Die vom Landgericht getroffene Feststellung, der über keine nennenswerten anderweitigen Einkünfte im Tatzeitraum verfügende Angeklagte habe „mit den Drogen gehandelt, um seinen eigenen Konsum zu finanzieren“, belegt zwar eine Mitursächlichkeit des nicht unerheblichen Konsums des Angeklagten für seine Straftat, nicht belegt ist jedoch mit Blick auf die Menge der gehandelten Betäubungsmittel im Vergleich zu der benötigten Eigenkonsummenge inwieweit sein Konsum überwiegende Ursache für die verfahrensgegenständliche Tat war.

11 Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf daher erneuter Prüfung und Entscheidung. Die Aufhebung der Unterbringungsanordnung entzieht der Anordnung über den Vorwegvollzug die Grundlage. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

12 4. Sollte das neue Tatgericht erneut die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anordnen und über einen Vorwegvollzug nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB entscheiden, wird es zu beachten haben, dass die erlittene Untersuchungshaft bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs außer Betracht zu bleiben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 458/21, Rn. 15; vom – 1 StR 601/19, Rn. 4, und vom – 3 StR 29/19, Rn. 2).

Zeng                           Appl                           Meyberg

                  Lutz                         Herold

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140824B2STR269.24.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-77737