BGH Urteil v. - VIa ZR 290/22

Instanzenzug: Az: 19 U 1848/21vorgehend LG München II Az: 12 O 1650/20

Tatbestand

1 Der Kläger hat die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er erwarb im Mai 2017 von einem Autohaus einen von der Beklagten hergestellten neuen VW T6 California Beach 2.0 TDI, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist, zum Kaufpreis von 43.250 € nebst Zubehör für weitere 1.190 €.

2 Das Landgericht hat die auf Erstattung des Kaufpreises zuzüglich der Kosten für Zubehör abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs und Feststellung des Annahmeverzugs gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben.

3 Nach Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Kläger seine Berufungsanträge weiterverfolgt hat, hat der Kläger am das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 102.600 km für 43.500 € an einen Dritten weiterveräußert.

4 Nachdem der Senat mit Beschluss vom die Revision zugelassen hat, hat der Kläger mit Schriftsatz vom den Rechtsstreit im Hinblick auf die dort mitgeteilte Veräußerung für erledigt erklärt, weil er das Fahrzeug für einen den geltend gemachten Schaden übersteigenden Verkaufspreis veräußert habe und sein Schaden damit entfallen sei. Die Beklagte ist der Erledigungserklärung entgegengetreten, weil bereits im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses kein Schaden bestanden habe.

Gründe

5Die einseitige Erledigungserklärung des Klägers, die dahin auszulegen ist, es werde die Feststellung begehrt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, ist zwar zulässig, aber unbegründet.

I.

6Die Feststellungsklage ist zulässig. Eine einseitige Erledigungserklärung stellt eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung dar (, NJW 2002, 442; Beschluss vom - VIII ZR 38/21, NJW-RR 2022, 1023 Rn. 39). Eine solche einseitige Erledigungserklärung ist im Revisionsverfahren jedenfalls dann zulässig, wenn das Ereignis, das die Hauptsache erledigt haben soll, unstreitig ist (Urteil vom - VI ZR 80/18, BGHZ 222, 196 Rn. 16 mwN So liegt es hier. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug im Januar 2024 für 43.500 € mit einem Kilometerstand von 102.600 km veräußert hat.

II.

7Die Feststellungsklage ist unbegründet, weil die Klage bereits vor Eintritt des behaupteten erledigenden Ereignisses - der Weiterveräußerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs - unbegründet war (vgl. zum maßgebenden Zeitpunkt , VersR 1993, 627; Urteil vom - III ZR 16/18, WM 2020, 853 Rn. 9). Dem Kläger stand im Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrzeugs ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

81. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

92. Soweit das Berufungsgericht einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat, hat es zwar übersehen, dass die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist, wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32). Danach kann einem Fahrzeugkäufer nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20).

10Ein solcher Differenzschaden bestand aber jedenfalls im Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrzeugs im Januar 2024 nicht mehr, so dass die Klage schon vor dem behaupteten erledigenden Ereignis unbegründet war. Im Wege der Vorteilsausgleichung sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs schadensmindernd auf den Differenzschaden anzurechnen, wenn und soweit sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen ( VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 80). Nach dem im Revisionsrechtszug unstreitigen Parteivorbringen, das der Senat berücksichtigen darf (vgl. , VersR 2023, 796 Rn. 29 mwN), überstiegen Restwert und geschuldete Nutzungsentschädigung vor der Weiterveräußerung im Januar 2024 sogar den vom Kläger gezahlten Kaufpreis einschließlich Zubehör. Der Kläger hat das Fahrzeug nahezu sieben Jahre nach der Anschaffung für einen 940 € unter dem bei Erwerb gezahlten Betrag veräußert. Zwar ist dNutzungsentschädigung diese Differenz.

C. Fischer                   Möhring                      Liepin

               Vogt-Beheim              Katzenstein

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180924UVIAZR290.22.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-77574