Tatbestand
1Mit Verfügung vom wurde Oberst i.G. ... als ehrenamtlicher Richter für die Entscheidung in dem Wehrbeschwerdeverfahren des Antragstellers wegen Versetzungsangelegenheiten herangezogen. Oberst i.G. ... hat am mitgeteilt, seiner Auffassung nach gegenüber dem Antragsteller befangen zu sein. Dieser habe über viele Jahre hinweg Beschwerden, Eingaben und Klagen gegenüber Dritten zu unterschiedlichen Themen initiiert. In verschiedenen Verwendungen habe er, der ehrenamtliche Richter, Kenntnis von diesen Vorgängen bekommen oder sei direkt mit den den Antragsteller betreffenden Vorgängen beschäftigt gewesen. Er sei sich daher nicht sicher, ob er in diesem konkreten Fall ein neutrales Urteil fällen könne.
2Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Bundesministerium der Verteidigung sieht die Besorgnis der Befangenheit durch die Befassung des ehrenamtlichen Richters mit einer Vielzahl von anderen Beschwerde-, Eingaben- und Petitionsangelegenheiten des Antragstellers in der Vergangenheit nicht begründet. Der Antragsteller hat keine Stellungnahme abgegeben und auf telefonische Nachfrage der Geschäftsstelle der Wehrdienstsenate angegeben, diese auch nicht zu beabsichtigen.
Gründe
3Über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen ist im Antragsverfahren vor den Wehrdienstgerichten nach den gemäß § 23a Abs. 2 WBO entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 54 VwGO i. V. m. §§ 41 bis 49 ZPO zu entscheiden.
4Oberst i.G. ... ist weder kraft Gesetzes von der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter ausgeschlossen noch hat er mit seiner E-Mail vom von einem Verhältnis Anzeige gemacht, das seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt. Einer Befreiung aus sonstigen Gründen steht der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), der auch für die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter gilt, entgegen.
51. Nach dem in der E-Mail vom mitgeteilten Sachverhalt sind in der Person von Oberst i.G. ... keine gesetzlichen Ausschließungsgründe nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 41 ZPO, nach § 54 Abs. 2 VwGO oder nach § 77 WDO (i. V. m. § 80 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 WDO) gegeben. Er hat insbesondere nicht an dem dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt.
62. Er hat auch keine Konstellation angezeigt, die seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 und § 48 ZPO rechtfertigt.
7Eine Selbstanzeige ist hiernach begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters im Sinne des § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 und § 48 ZPO zu rechtfertigen. Dies setzt voraus, dass ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis haben kann, der Richter werde in seiner Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt; insoweit genügt schon der "böse Schein" ( 1 WB 13.17 - Rn. 10 m. w. N.). Für sich allein nicht ausreichend ist, dass der (ehrenamtliche) Richter den Verfahrensbeteiligten kennt oder dass zwischen dem (ehrenamtlichen) Richter und dem Verfahrensbeteiligten dienstliche Beziehungen oder Kontakte bestanden oder bestehen; insoweit enthalten § 54 Abs. 2 VwGO und § 77 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 und 3 WDO abschließende Ausschließungs-Regelungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 28.09 - NZWehr 2010, 162 <163> und vom - 1 WB 35.14 - Rn. 7). Dienstliche Beziehungen zu einem Verfahrensbeteiligten können aber dann eine Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sie besonders eng sind oder sich zu einem engen persönlichen Verhältnis entwickelt haben ( 2 WD 14.13 - Rn. 4 m. w. N.).
8Oberst i.G. ... hat von einem solchen Verhältnis keine Anzeige gemacht. Seinem Vorbringen ist lediglich zu entnehmen, dass er in der Vergangenheit häufig mit Rechtsbehelfen des Antragstellers in anderen Angelegenheiten befasst gewesen ist. Ein enges persönliches oder dienstliches Verhältnis folgt aus diesem Umstand nicht. Der Antragsteller hat in Kenntnis der Selbstanzeige keinen Befangenheitsantrag gestellt oder seine Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht. Dass der ehrenamtliche Richter Zweifel an seiner Fähigkeit äußert, in dem konkreten Fall ein neutrales Urteil zu fällen, ist unerheblich, weil es nicht darauf ankommt, ob der Richter sich selbst für befangen hält ( 1 WB 5.13 - Rn. 13 m. w. N.). Von jedem Richter wird erwartet, dass er sich über die Sach- und Rechtslage in einem neuen Verfahren ein von Entscheidungen in anderen Verfahren desselben Antragstellers unbeeinflusstes Urteil bildet. Dass der ehrenamtliche Richter transparent auf seine vorangegangenen Kontakte mit dem Antragsteller hinweist, belegt, dass er sich seiner Verantwortung für eine neutrale Entscheidung bewusst und in der Lage ist, seine Meinungsbildung im Verfahren von emotionalen und unsachlichen Einflüssen frei zu halten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:170924B1WB8.24.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-77430