Instanzenzug: Az: 21 U 5683/22vorgehend LG München I Az: 41 O 11884/21
Gründe
I.
1Der Kläger erwarb im August 2019 von der Beklagten (vormals Beklagte zu 1) ein Wohnmobil H. 600 zum Kaufpreis von 44.000 €. Das Basisfahrzeug, ein F. 130 PS (Abgasnorm Euro 6), das über einen 2,3-Liter-Dieselmotor mit 96 kW verfügt, wurde von der am hiesigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 2 hergestellt. Der Kläger behauptet das Vorliegen mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen. Er begehrt deshalb von der Beklagten als Verkäuferin die Minderung des Kaufpreises und von der vormaligen Beklagten zu 2 als Herstellerin Schadensersatz.
2Das Landgericht hat die gegenüber der Beklagten unter anderem auf Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Minderungsbetrags, mindestens jedoch in Höhe von 11.000 €, nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Auch die Klage gegen die vormalige Beklagte zu 2, die unter anderem auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 51.263 € nebst Zinsen abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, gerichtet war, ist erstinstanzlich ohne Erfolg geblieben.
3Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers in demselben Beschluss gegenüber der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und gegenüber der vormaligen Beklagten zu 2 gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.
4Im Verhältnis zur Beklagten möchte der Kläger mit der beabsichtigten Revision, deren Zulassung er mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, den Anspruch auf Zahlung eines Minderungsbetrags von mindestens 11.000 € nebst Zinsen weiterverfolgen. Bezüglich der Verwerfung der Berufung gegen die vormalige Beklagte zu 2 hat der Kläger zudem Rechtsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat das Rechtsbeschwerdeverfahren zuständigkeitshalber an den VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs abgegeben.
II.
5Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den Betrag von 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
6Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO zu ermitteln. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 268/21, juris Rn. 5; vom - VIII ZR 255/20, NJW 2022, 194 Rn. 15; jeweils mwN). Hiernach beläuft sich die Beschwer des Klägers nur auf 11.000 €.
71. Durch die Abweisung der Klage bezüglich des von ihm weiterverfolgten Minderungsanspruchs ist der Kläger in Höhe des von ihm geltend gemachten Mindestbetrags von 11.000 € beschwert (vgl. , NZM 2019, 65 Rn. 4 mwN).
82. Anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint, ist diese Beschwer nicht um den Betrag der Beschwer zu erhöhen, deren Beseitigung der Kläger gegenüber der ehemaligen Beklagten zu 2 im Wege der Rechtsbeschwerde verfolgt.
9a) Der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts enthält der Sache nach zwei getrennte Entscheidungen, nämlich einerseits eine Verwerfung der Berufung gegen die vormalige Beklagte zu 2 gemäß § 522 Abs. 1 ZPO und andererseits eine Zurückweisung der Berufung gegen die Beklagte gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Dies hat zur Folge, dass der Kläger, der sich gegen beide Entscheidungen wehren möchte, - anders als in der von der Nichtzulassungsbeschwerde herangezogenen Fallgestaltung der Wertaddition bei dem gegen zwei Streitgenossen übereinstimmend eingelegten Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde (siehe hierzu Senatsbeschluss vom - VIII ZR 369/19, juris Rn. 17) - zwei unterschiedliche Rechtsbehelfe einzulegen hatte und diese auch eingelegt hat, nämlich einerseits das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung gegen die vormalige Beklagte zu 2 (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und andererseits den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich der Zurückweisung der Berufung gegen die Beklagte (§ 522 Abs. 3, § 544 ZPO). Für jedes dieser Rechtsmittelverfahren ist die Beschwer gesondert danach zu bemessen, welche Änderung der Entscheidung des Berufungsgerichts der Kläger in diesem Verfahren erreichen kann und möchte. Eine Zusammenrechnung der Werte der Beschwer aus den verfahrensrechtlich und inhaltlich getrennten Rechtsmittelverfahren kommt dabei nicht in Betracht.
10b) Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde - nicht daraus, dass dann, wenn eine Partei eine vom Berufungsgericht beschränkt zugelassene Revision und zugleich im Umfang der Nichtzulassung eine hiergegen gerichtete Beschwerde einlegt, die Beschwer der zugelassenen Revision und der Nichtzulassungsbeschwerde für die Bestimmung des Werts der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer zusammenzurechnen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZR 91/18, NZM 2019, 630 Rn. 4; vom - I ZR 196/05, NJW-RR 2007, 417 Rn. 11 [jeweils zu § 26 Nr. 8 EGZPO aF]; vom - VIII ZR 371/18, WuM 2020, 785 Rn. 21 [zu § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO]). Denn diese Konstellation ist mit der hier vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar. Maßgeblich für die Zusammenrechnung der Werte bei der Kombination von Revision und Nichtzulassungsbeschwerde ist, dass die Regelung des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht isoliert auf den Wert der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern auf den mit der Revision geltend zu machenden Wert der Beschwer abstellt, und im Fall der Zulassung der Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin zusammen mit der bereits eingelegten Revision ein einheitliches Rechtsmittel vorliegt (vgl. , aaO). Diese Erwägungen gelten in der im Streitfall vorliegenden Konstellation nicht. Denn allein die Beschwer, die durch die Zulassung der Revision und das anschließende Revisionsverfahren beseitigt werden soll, ist im Sinne des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO "mit der Revision" geltend zu machen, nicht jedoch die Beschwer, deren Beseitigung die Rechtsbeschwerde dient. Bei den hier statthaften Rechtsmitteln einer Nichtzulassungsbeschwerde und einer Rechtsbeschwerde handelt es sich durchgehend um zwei unterschiedliche Rechtmittel, die eigenständigen Verfahrensregeln unterliegen und zu einem voneinander unabhängigen Verfahrensabschluss führen. Auch im Falle der Zulassung der Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin und eines Erfolgs der Rechtsbeschwerde entstünde - anders als bei der Kombination einer teilweise zugelassenen Revision mit einer Nichtzulassungsbeschwerde - kein einheitliches Rechtsmittel.
11c) Das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) gebietet - entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde - eine Hinzurechnung der aus der Verwerfung der Berufung gegen die vormalige Beklagte zu 2 resultierenden Beschwer zu der im vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wegen Abweisung der Klage gegen die Beklagte bestehenden Beschwer ebenfalls nicht.
12Ohne Erfolg beruft sich die Nichtzulassungsbeschwerde insoweit darauf, dass die Verwerfung der Berufung gegen die vormalige Beklagte zu 2 - wie von dem Kläger mit der Rechtsbeschwerde hiergegen geltend gemacht - in verfahrensfehlerhafter und grundrechtsverletzender Weise erfolgt sei und bei zutreffender Behandlung auch der Berufung gegen die vormalige Beklagte zu 2 als zulässig in der Revisionsinstanz ein einheitliches Verfahren vorgelegen hätte mit der Folge der Zusammenrechnung der Werte der Beschwer und damit der Erreichung der Beschwerdesumme nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Denn es ist allein im Rahmen des insoweit statthaften Rechtsmittels der Rechtsbeschwerde zu prüfen, ob das Berufungsgericht die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der gegen die vormalige Beklagte zu 2 gerichteten Klage rechtsfehlerfrei als unzulässig verworfen hat.
13Die Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde führte dem widersprechend zu einer vorweggenommenen Prüfung des Erfolgs der gegen die vormalige Beklagte zu 2 gerichteten Rechtsbeschwerde im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der vorliegenden, gegen die Beklagte gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde. Ein solches Vorgehen ist indes auch unter Berücksichtigung des Verfahrensgrundrechts eines wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht geboten. Denn dadurch, dass vorliegend wegen der in der Revisionsinstanz gegebenen Trennung des bis dahin einheitlichen Verfahrens in ein Rechtsbeschwerde- und ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren für letzteres die erforderliche Beschwer nicht erreicht wird, wird dem Kläger - entgegen der Auffassung der Beschwerde - nicht der Zugang zur Rechtsmittelinstanz in einer aus Sachgründen nicht mehr zur rechtfertigenden Weise abgeschnitten. Vielmehr ist die Trennung des Verfahrens im Revisionsrechtszug in zwei unterschiedliche Rechtsmittelverfahren mit einer jeweils eigenständig zu bestimmenden Beschwer die - verfassungsrechtlich unbedenkliche - gesetzliche Folge der Verfahrensweise des Berufungsgerichts, das - was auch die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Frage stellt - unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung verfahrensrechtlich zulässig durch einen einheitlichen Beschluss die Berufung gegen die Beklagte zu 2 gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen und die Berufung gegen die Beklagte zu 1 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückgewiesen hat.
III.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO.
Dr. Bünger Dr. Liebert Dr. Schmidt
Wiegand Dr. Matussek
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:130824BVIIIZR139.23.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-77246