Instanzenzug: Az: 21 U 1886/21vorgehend LG Ingolstadt Az: 31 O 2112/20
Tatbestand
1Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Sie erwarb im Mai 2014 kreditfinanziert einen von der Beklagten hergestellten neuen Audi A6 Avant 3.0 TDI Quattro S-tronic, der mit einem V6-Monoturbo-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.
2Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Nettokaufpreises zuzüglich der Finanzierungskosten abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, auf Feststellung des Annahmeverzugs und auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision hat die Klägerin ihre Berufungsanträge zunächst weiterverfolgt. Zuletzt hat sie die Erledigung des Rechtsstreits erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Gründe
3Die Revision der Klägerin hat mit den ursprünglichen Anträgen (vgl. , WM 2022, 1738 Rn. 15) Erfolg. Die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin ist schon mangels Darlegung eines - unstreitigen (vgl. , BGHZ 141, 307, 316; Urteil vom - VI ZR 80/18, BGHZ 222, 196 Rn. 16 mwN) - erledigenden Ereignisses in dieser Instanz nicht zu berücksichtigen.
I.
4Das Berufungsgericht, das einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV nicht geprüft hat, hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Es bestünden keine Ansprüche aus § 826 BGB. Soweit die Klägerin zu Abschalteinrichtungen mit Ausnahme des "Thermofensters" vorgetragen habe, sei der Vortrag prozessual unerheblich. Hinsichtlich des "Thermofensters" könne zugunsten der Klägerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass dieses eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle. Ein objektiver Verstoß gegen Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 allein reiche für eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aber nicht aus. Es müssten weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Solche habe die Klägerin nicht vorgetragen.
II.
6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
71. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
9Danach kann der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Klägerin bei richtiger rechtlicher Bewertung mithin nicht zurückweisen dürfen, ohne ihr Gelegenheit zu geben, den von ihr geltend gemachten Schaden im Sinne des Differenzschadens darzulegen.
III.
10Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
C. Fischer Möhring Götz
Liepin Vogt-Beheim
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:021024UVIAZR287.21.0
Fundstelle(n):
JAAAJ-76627