Leitsatz
1. Ist der Aufenthalt eines Ausländers bestandskräftig auf den Bezirk einer Ausländerbehörde beschränkt, kann er einen gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen Ort nicht mehr begründen (Bestätigung von BGH, Beschlüsse vom - V ZB 194/09, FGPrax 2010, 156 Rn. 13, vom - V ZB 13/11, InfAuslR 2012, 74 Rn. 5).
2. Der Ausländer ist gemäß § 62 Abs. 3b Nr. 7 AufenthG 2022 dem behördlichen Zugriff entzogen, wenn er nach Bekanntwerden seines Aufenthaltsorts diesen wechselt und der neue Aufenthaltsort der Ausländerbehörde (erneut) nicht bekannt ist.
Gesetze: § 51 Abs 6 AufenthG 2022, § 61 AufenthG 2022, § 62 Abs 3 S 1 Nr 1 AufenthG 2022, § 62 Abs 3b Nr 5 AufenthG 2022, § 62 Abs 3b Nr 7 AufenthG 2022, § 3 Abs 1 VwVfG
Instanzenzug: Az: 53 T 22/22vorgehend Az: 40 XIV 52/22
Gründe
1I. Die Betroffene, eine thailändische Staatsangehörige, reiste am mit einem Schengenvisum nach Frankreich ein und hielt sich seither im Schengenraum auf. Ihr Visum lief am ab. Am stellte die Polizei anlässlich einer Verkehrskontrolle in S fest, dass sich die Betroffene unerlaubt im Bundesgebiet aufhielt. Ihr Pass wurde einbehalten und sie erhielt die Auflage, sich am bei der beteiligten Behörde zu melden. Der Auflage kam die Betroffene nicht nach. Die beteiligte Behörde erließ am eine Ausweisungsverfügung mit Abschiebungsandrohung und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an. Die Verfügung konnte der Betroffenen unter der von ihr bei der Kontrolle angegebenen Anschrift nicht zugestellt werden, weil sie dort nicht zu ermitteln war. Als die Betroffene am erneut - dieses Mal von der Polizei in B - aufgegriffen wurde, wurden ihr die Ausweisungsverfügung und eine Anlaufbescheinigung vom , durch die ihr Aufenthalt bis zur Ausreise auf den Landkreis R der beteiligten Behörde beschränkt wurde, mit der Aufforderung zur Vorsprache bei der beteiligten Behörde übergeben. Die Ausweisungsverfügung wurde bestandskräftig; die Vorsprache erfolgte nicht. Die Betroffene wurde zur Festnahme ausgeschrieben und am in H festgenommen.
2Mit Beschluss vom ordnete das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde Abschiebungshaft bis zum an. Nachdem eine von der Betroffenen bei der beteiligten Behörde beantragte Aufenthaltserlaubnis abgelehnt worden war, stellte die Betroffene am einen Asylantrag. Die für den geplante Abschiebung fand daraufhin nicht statt. Die Haft wurde mit bis zum verlängert. Am wies das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend Bundesamt) den Asylantrag als offensichtlich unbegründet zurück. Am ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung bis zur Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren an. Daraufhin wurde die für diesen Tag vorgesehene Abschiebung abgebrochen.
3Auf den am gleichen Tag gestellten Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am die Haft bis zum verlängert. Dagegen hat die Betroffene am gleichen Tag Beschwerde eingelegt und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft beantragt. Mit Beschluss vom hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt die Betroffene, die Beschlüsse des und des Beschwerdegerichts vom aufzuheben, und festzustellen, dass der Vollzug der Haft die Betroffene ab dem in ihren Rechten verletzt hat.
4II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.
51. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Abschiebungshaft sei zu Recht angeordnet worden. Es liege ein zulässiger Haftantrag vor. Die Betroffene habe sich zuletzt in S aufgehalten und sei dort aufgegriffen worden, so dass an der örtlichen Zuständigkeit der beteiligten Behörde kein Zweifel bestehe. Die Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig, die Ausreisepflicht sei vollstreckbar und es bestehe der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3b Nr. 7, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Es stehe nicht fest, dass die Abschiebung innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nicht durchgeführt werden könne. Die Verzögerungen durch den Abbruch der Abschiebungsmaßnahme am habe die beteiligte Behörde nicht zu vertreten. Sie habe mitgeteilt, dass die Abschiebung binnen vier Wochen erfolgen könne. Aus diesem Grund sei die Haft bis zum befristet worden. Die Haftdauer sei auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und des Beschleunigungsgebots nicht zu beanstanden.
62. Das hält der rechtlichen Nachprüfung für den Haftzeitraum vom 12. bis , mithin bis zum Tag vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts stand. Zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung fehlte es aber für die Annahme, eine Abschiebung sei gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG 2022 innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nicht ausgeschlossen, an einer ausreichenden Grundlage.
7a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde liegt ein zulässiger Haftantrag vor.
8aa) Keinen Erfolg hat die Rüge der Rechtsbeschwerde, es fehle an der örtlichen Zuständigkeit der beteiligten Behörde, weil die Betroffene im Landkreis R keinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe, sondern in H wohnhaft gewesen sei. Die beteiligte Behörde ist die für die Beantragung der Abschiebungshaft sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsbehörde.
9(1) Die Zuständigkeit der den Haftantrag stellenden Verwaltungsbehörde ist nach § 417 Abs. 1 FamFG unabdingbare Voraussetzung für die richterliche Haftanordnung und von Amts wegen zu prüfen. Sachlich zuständig ist gemäß § 71 AufenthG die Ausländerbehörde. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus den jeweiligen Landesgesetzen. Maßgeblich für die Zuständigkeit ist der Zeitpunkt der Haftantragstellung (, juris Rn. 6 mwN).
10(2) Danach war die beteiligte Behörde die gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG, § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG, § 71 AufenthG in Verbindung mit § 2 Nr. 1 AllgZustVO-Kom (in der 2022 geltenden Fassung), § 51 Abs. 6, § 61 AufenthG sachlich und örtlich zuständige Ausländerbehörde.
11(a) Örtlich zuständig ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, und die nicht § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwVfG unterfallen, die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a VwVfG. In Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG ergibt, ist gemäß Nummer 4 der Vorschrift die (Ausländer-)Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
12(b) So lag es zunächst hier, nachdem die Betroffene am im Bezirk der beteiligen Behörde angetroffen worden war. Ein anderweitiger gewöhnlicher Aufenthalt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom - 13 ME 181/17, DVBl 2018, 268 Rn. 28) bestand zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Betroffene hielt sich nach ihren Angaben bei der Vernehmung am ab einem nicht näher benannten Zeitpunkt nach Weihnachten 2019 bis zu ihrem Aufgreifen am vorrangig in B auf. Dass sie dort erkennbar nicht nur vorübergehend verweilte, sondern auf unabsehbare Zeit lebte, macht sie selbst nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich, zumal sie am eine Adresse in H angab (K Straße 344). Unter dieser konnte sie in der Folge aber nicht erreicht oder von der Post ermittelt werden. Sie stimmt auch nicht mit der Adresse überein, an der die Betroffene sodann ab einem nicht genauer bezeichneten Zeitpunkt nach Ausbruch der Corona-Pandemie gewohnt haben will (K Straße 394 in H). Die beteiligte Behörde hat folglich aufgrund der gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG, § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG begründeten Zuständigkeit die Ausweisungsverfügung erlassen und sodann in der der Betroffenen ausgehändigten Anlaufbescheinigung vom den Aufenthalt der Betroffenen gemäß § 51 Abs. 6 in Verbindung mit § 61 Abs. 1 AufenthG in der am geltenden Fassung räumlich auf den Landkreis R beschränkt. Nachdem sich die Betroffene dagegen in der Folge nicht gewendet hat, erlangte die Beschränkung Bestandskraft. Dadurch wurde der Landkreis R der (einzig) legale Verbleibensort der Betroffenen, die einen gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen Ort nicht mehr begründen konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 194/09, FGPrax 2010, 156 Rn. 13; vom - V ZB 13/11, InfAuslR 2012, 74 Rn. 5; OVG Lüneburg, aaO Rn. 28 f.; , juris Rn. 17; Grotkopp, Abschiebungshaft, 2020, Rn. 357; Bergmann/Putzar-Sattler in Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Aufl., Vor § 62 AufenthG Rn. 9; Bumiller in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 13. Aufl., § 417 Rn. 4; Kaniess, Abschiebungshaft, 2024, Kapitel 12 Rn. 11). In der Folge konnte es daher nicht mehr zu einem Zuständigkeitswechsel kommen. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hatte die Betroffene allerdings auch in tatsächlicher Hinsicht keinen gewöhnlichen Aufenthalt in H.
13bb) Im Übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit des Haftantrags der beteiligten Behörde nach den dafür bestehenden Maßgaben (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 24/22, juris Rn. 9 f. mwN; vom - XIII ZB 42/21, juris Rn. 20 mwN; vom - XIII ZB 41/22, juris Rn. 8 f.; vom - XIII ZB 65/22, Rn. 7 bis 10 mwN) keine Bedenken. Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, der Haftantrag vom enthalte keine Angaben dazu, aus welchen tatsächlichen Gründen die beteiligte Behörde davon habe ausgehen dürfen, dass eine Abschiebung bis zum unter Berücksichtigung des Aussetzungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts möglich sein werde, ist dem kein Erfolg beschieden.
14(1) Im Haftantrag führt die beteiligte Behörde aus, dass die seit dem in Haft befindliche Betroffene am hätte abgeschoben werden können. Die Abschiebung sei nach der Stellung des Asylantrags am auf den umgebucht worden. Nachdem der Asylantrag am als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, sei die begonnene Abschiebung am 11. Augst 2022 abgebrochen worden, weil das Verwaltungsgericht am gleichen Tag die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage bis zur Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angeordnet habe. Es sei davon auszugehen, dass eine Entscheidung kurzfristig getroffen werde. Nach aktueller Auskunft der Landesaufnahmebehörde sei eine Abschiebung innerhalb von vier Wochen möglich.
15(2) Diese Angaben zur Erforderlichkeit der Haftdauer und zur Durchführbarkeit der Abschiebung reichen aus und ermöglichen diesbezügliche Rückfragen des Haftrichters. Entgegen der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus den zusätzlichen Darlegungen der beteiligten Behörde im Anhörungstermin, wonach die genannte Vorlaufzeit angesichts der aktuellen Flugsituation und der Kontaktaufnahme mit den thailändischen Behörden erforderlich sei, sowie aus den Angaben zu den zuvor zweifach gebuchten und abgesagten Abschiebungsterminen, dass eine Durchführung der Abschiebung mit einer jeweiligen Vorlaufzeit von drei bis vier Wochen möglich war, wobei am noch die von der Behörde kurzfristig erwartete Entscheidung des Verwaltungsgerichts abgewartet werden musste. Ob die Angaben inhaltlich tragfähig sind, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Haftantrags (vgl. BGH, Rn. 10).
16b) Entgegen der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht aufgrund der von ihm vorgenommenen Gesamtwürdigung den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3b Nr. 7 AufenthG in der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung (nachfolgend AufenthG 2022) zutreffend bejaht. Nach § 62 Abs. 3b Nr. 7 AufenthG besteht ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr, wenn der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, dem behördlichen Zugriff entzogen ist, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
17aa) Das Beschwerdegericht hat unter anderem unter Verweis auf seinen im Beschwerdeverfahren gegen die Haftanordnung vom ergangenen Beschluss vom ausgeführt, da der Aufenthalt der Betroffenen mehr als zwei Jahre nicht habe ermittelt werden können und sie dem behördlichen Zugriff entzogen gewesen sei, sei anzunehmen, dass sie keinen Aufenthaltsort habe, an dem sie sich regelmäßig aufhalte. Die Betroffene habe sich trotz Kenntnis der Ausweisungsverfügung und Erläuterungen in einer ihrer verständlichen Sprache zur Anlaufadresse und Ausweisung bei der beteiligten Behörde nicht gemeldet. Außerdem sei die Aussage der Betroffenen, sie wolle nicht nach Thailand zurückkehren, sondern mit dem Mann zusammenleben, der sie heiraten wolle, unter Würdigung der Gesamtumstände dahin zu verstehen, dass sie damit zum Ausdruck gebracht habe, nicht freiwillig ausreisen und sich auch nicht für eine behördliche Durchsetzung der Rückkehrpflicht zur Verfügung halten zu wollen. Es sei daher davon auszugehen, dass sie sich der Abschiebung durch Flucht entziehen werde.
18bb) Der Einwand der Rechtsbeschwerde, der Aufenthaltsort der Betroffenen sei unschwer festzustellen sowie der beteiligten Behörde bekannt gewesen, trifft demgegenüber nicht zu. Wie ausgeführt, hatte die Betroffene bei ihrem Aufgriff am eine unzutreffende Anschrift angegeben. Tatsächlich hielt sie sich nach ihren Angaben bei der am erfolgten Vernehmung in B auf. Obwohl am ihr Pass einbehalten worden war, sie die Ausweisungsverfügung und zwei Anlaufbescheinigungen erhalten hatte, und sie am in einer ihr verständlichen Sprache über die Anlaufadresse belehrt worden war, meldete sie sich in der Folge nicht bei der beteiligten Behörde. Soweit sie in der Folge in H gewohnt haben will, wurde sie dort anlässlich der Vollstreckung eines in anderer Sache ergangenen Durchsuchungsbefehls am angetroffen und festgenommen, und nicht etwa - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - weil der beteiligten Behörde ihr Aufenthaltsort bekannt gewesen wäre. Das Beschwerdegericht hat vor diesem Hintergrund zutreffend angenommen, dass die Betroffene, die nach ihrem Aufgreifen jeweils ihren tatsächlichen Aufenthalt wechselte, dem behördlichen Zugriff im Sinn von § 62 Abs. 3b Nr. 7 AufenthG entzogen war. Aufgrund der von ihm vorgenommenen Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der Äußerungen der Betroffenen bei der Anhörung hat das Beschwerdegericht eine Fluchtgefahr rechtsfehlerfrei bejaht.
19c) Schließlich greift für den Zeitraum bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts auch die Rüge der Rechtsbeschwerde nicht durch, es fehle an der gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG 2022 erforderlichen Prognose der Durchführbarkeit der Abschiebung.
20 Nach § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG 2022 muss das Haftgericht zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Prognose anstellen, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate erfolgen kann. Für die Anordnung von Abschiebungshaft ist erst Raum, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergeben hat, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder zunächst eine zuverlässige Prognose nicht getroffen werden kann. Erweist sich, dass die Abschiebung innerhalb von drei Monaten voraussichtlich nicht bewerkstelligt werden kann, muss untersucht werden, ob der Ausländer dies zu vertreten hat; ist dies nicht der Fall, darf Haft nicht angeordnet werden. Die Prognose muss sich grundsätzlich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe erstrecken, die der Zurückschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (, NJW 2009, 2659 Rn. 22 f.). Dazu muss das Gericht nach § 26 FamFG die erforderlichen Ermittlungen anstellen. Für die Überprüfung der vom Amtsgericht angestellten Prognose ist dessen Kenntnisstand im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen (, juris Rn. 7 mwN).
21bb) Nach diesen Maßgaben ist die auf der Grundlage des Kenntnisstandes vom vorgenommene Prognoseentscheidung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Da das Bundesamt den am aus der Haft heraus gestellten Asylantrag am als offensichtlich unbegründet abgelehnt hatte, lag nicht fern, dass - wie die beteiligte Behörde im Haftantrag ausgeführt hatte - eine baldige Entscheidung im Eilrechtsschutzverfahren erwartet werden konnte. Nachfragen zur voraussichtlichen Verfahrensdauer beim Verwaltungsgericht versprachen angesichts des Umstands, dass der Antrag erst am bei diesem eingegangen und es am späten Nachmittag zunächst zur Rechtswahrung die aufschiebende Wirkung für die Dauer des einstweiligen Rechtschutzverfahrens angeordnet hatte, am Morgen des (noch) keinen Erfolg und waren daher nicht erforderlich.
22d) Nach den oben genannten Grundsätzen (Rn. 20) hätte das Beschwerdegericht aber nicht annehmen dürfen, der Ausschlussgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG 2022 liege auch weiterhin nicht vor, denn es stehe nicht fest, dass die Abschiebung innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten aus Gründen, die die Betroffene nicht zu vertreten hat, nicht durchgeführt werden könne. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass es für diese Annahme im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an einer ausreichenden Grundlage fehlte. Zwar hatte das Beschwerdegericht beim Verwaltungsgericht angefragt, ob im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Entscheidung ergangen sei und daraufhin die Antwort erhalten, es laufe noch eine dem Bundesamt eingeräumte Äußerungsfrist. Aus dem angefochtenen Beschluss geht aber nicht hervor, auf welcher Tatsachenbasis das Beschwerdegericht annimmt, das Ergehen einer Entscheidung bis zum erscheine nicht ausgeschlossen.
233. Danach ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben, soweit das Beschwerdegericht die Beschwerde für den Zeitraum ab dem zurückgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Falls ein Prognosemangel ohne weitere Ermittlungen nicht auszuschließen ist, wird es zunächst aufzuklären haben, ob und gegebenenfalls wann die Betroffene abgeschoben worden ist. Sollte sich danach ein etwaiger Prognosemangel nicht ausgewirkt haben, wird die Beschwerde schon aus diesem Grund (auch) für den Zeitraum ab dem zurückzuweisen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 19; vom - XIII ZB 24/21, juris Rn. 9 mwN).
244. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe hat keinen Erfolg, weil die Betroffene keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und daher die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gemäß § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 ZPO nicht dargetan hat.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:170924BXIIIZB71.22.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-76567