Instanzenzug: LG Kleve Az: 131 KLs 25/23
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Den Angeklagten H. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten M. zu einer solchen von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt sowie mehrere Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Sachrügen gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Zu dem für die nachfolgende revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Teil des Tatgeschehens hat das Landgericht festgestellt:
3Der Angeklagte H. erhielt von unbekannten Hintermännern in B. 7.455,68 Gramm Marihuana. Dieses transportierte er in deren Auftrag nach L. und verbrachte es dort in die Wohnung des Angeklagten M. , um es zwischenzulagern. Der Angeklagte H. zeigte dem Angeklagten M. das Marihuana und teilte ihm mit, er werde es zu einem späteren Zeitpunkt nach Ha. verbringen. Der Angeklagte M. war zwar amtlich unter einer anderen Anschrift gemeldet, hielt sich aber auch in der Bunkerwohnung auf. Diese hatte er zuvor zur Unterstützung der Drogengeschäfte des Angeklagten H. angemietet und diesem hierfür zur Verfügung gestellt. Den Angeklagten war bekannt, dass das Cannabis zum Weiterverkauf bestimmt war. Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten M. wurde das Marihuana sichergestellt.
II.
4Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt bei beiden Angeklagten jeweils zur Änderung des Schuldspruchs, soweit dieser die auf das verfahrensgegenständliche Marihuana bezogene Tat betrifft, und zur Aufhebung der für diesen Fall jeweils festgesetzten Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafen.
51. Hinsichtlich dieser Tat ist der Schuldspruch infolge des Inkrafttretens des Konsumcannabisgesetzes vom (BGBl. 2024 I Nr. 109) zu ändern und überdies um den Besitztatbestand zu ergänzen.
6Der Schuldspruch hat keinen Bestand, soweit die Angeklagten für ihren Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden sind. Denn nach der Urteilsverkündung ist am das Konsumcannabisgesetz in Kraft getreten. Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach ihr unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit des hier zu beurteilenden Geschehens nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom - 6 StR 24/24, juris Rn. 5; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321).
7a) Danach ist auf der Grundlage der vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die betreffende Tat als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) in Tateinheit mit Besitz von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) zu werten.
8aa) Die Angeklagten sind auch des Besitzes von Cannabis schuldig. Indem der Angeklagte H. das Marihuana mit einem Fahrzeug von B. nach L. transportierte, hatte er über einen nicht unerheblichen Zeitraum die tatsächliche Sachherrschaft hierüber inne und erfüllte damit den Besitztatbestand (vgl. , NStZ-RR 2008, 212; vom - 4 StR 393/97, NStZ-RR 1998, 148, 149). Aufgrund der Lagerung des Marihuanas in seiner Wohnung gilt dies ebenfalls für den Angeklagten M. . Denn Besitzer im Sinne von § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG ist nicht nur der Eigenbesitzer, sondern auch der Fremdbesitzer, der die tatsächliche Verfügungsgewalt für einen anderen ausübt und keine eigene Verfügungsgewalt in Anspruch nehmen will; das gilt insbesondere für den Verwahrer (vgl. , juris Rn. 7; Beschluss vom - 3 StR 131/21, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 9 Rn. 9 mwN). Das Handeln des Angeklagten M. ging dabei über die bloße Billigung der Lagerung des Marihuanas in seiner Wohnung hinaus, denn er hatte diese zur Unterstützung der Drogengeschäfte des Angeklagten H. zuvor angemietet und ihm hierfür zur Verfügung gestellt.
9bb) Der verbotene Besitz von Cannabis steht zur Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit; er wird nicht verdrängt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 82/24, juris Rn. 4; vom - 5 StR 550/23, juris Rn. 9; vom - 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216; vom - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 5 mwN).
10b) Die neue Rechtslage ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Beschluss vom - 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Urteil vom - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 8 ff.; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN) angesichts der milderen einschlägigen Strafrahmen für die Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht; sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich.
11Der Schuldspruch ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die hinsichtlich dieser Tat umfassend geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht zudem einer Ergänzung des Schuldspruchs um den Tatbestand des Besitzes von Cannabis nicht entgegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 167/24, juris Rn. 14; vom - 3 StR 121/24, juris Rn. 13 mwN).
122. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der Aussprüche über die für die vorgenannte Tat festgesetzten Einzelstrafen hinsichtlich beider Angeklagten zur Folge. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes auf eine jeweils mildere Strafe erkannt hätte (vgl. § 337 Abs. 1 StPO). Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht den Gesamtstrafen die Grundlage, so dass diese ebenfalls keinen Bestand haben.
13Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Denn diese sind insgesamt frei von Rechtsmängeln getroffen worden. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.
143. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die getroffenen Feststellungen zur das Kokain betreffenden Kurierfahrt am werden durch die Beweiswürdigung belegt und tragen den Schuldspruch wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 25 Abs. 2 StGB in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB. Auch die Einziehungsentscheidungen sind frei von Rechtsfehlern; sie werden insbesondere von der geänderten Rechtslage nach dem Konsumcannabisgesetz nicht berührt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:200824B3STR248.24.0
Fundstelle(n):
KAAAJ-75941