Instanzenzug: Az: 13 KLs 593 Js 63913/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs.
3a) Nach den Feststellungen des Landgerichts schloss sich der Angeklagte im September 2021 einer Gruppe an, die mittels eines Pkw-Lieferdienstes gewinnbringend Betäubungsmittel an Kunden im Bereich des nördlichen H. er Stadtrands verkaufte. Im Rahmen der Bandenabrede agierte er im Zeitraum von September 2021 bis mindestens zum an elf Tagen als Auslieferungsfahrer für die Gruppe. Dabei führte er zu Schichtbeginn stets ein Grundsortiment von Betäubungsmitteln mit sich. Dieses bestand aus mindestens 20 Verkaufseinheiten Kokain zu 0,5 g (Wirkstoffgehalt mindestens 65 Prozent Kokainhydrochlorid), 20 Verkaufseinheiten Cannabis zu 5 g (Wirkstoffgehalt mindestens 14 Prozent Tetrahydrocannabinol), 7 Verkaufseinheiten Amphetamin zu 8 g (Wirkstoffgehalt mindestens 15 Prozent Amphetaminbase) sowie 2 Verkaufseinheiten mit jeweils 8 Ecstasy-Tabletten, die mindestens 105 mg MDMA (Methylendioxymetamfetamin) pro Tablette enthielten.
4Die für die Auslieferungsfahrten notwendigen Betäubungsmittel erhielt der Angeklagte absprachegemäß zuvor an sechs unterschiedlichen Tagen von dem gesondert Verfolgten M. S. und an zwei weiteren Tagen von dem gesondert Verfolgten H. . Obwohl der Angeklagte bei den einzelnen Fahrerschichten jeweils einen Großteil der Betäubungsmittel an Endkunden verkaufte, waren stets Restbestände vorhanden. Er verfügte mithin durchgängig über Betäubungsmittel, die für den bandenmäßigen Verkauf vorgesehen waren.
5b) Der Schuldspruch wegen bandenmäßigem Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen) bedarf der Ergänzung. Denn am ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) in Kraft getreten (BGBl. I 2024 Nr. 109), was der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen hat; nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis dem hier milderen Konsumcannabisgesetz (; vgl. insoweit zur nicht geringen Menge und zur Tenorierung ).
6Nach neuer Rechtslage ist das vom Landgericht festgestellte Tatgeschehen, nachdem sich jede Schicht des Angeklagten allein schon mit Blick auf das Kokain weiterhin auch als Handeln mit einer nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln darstellt, als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) in Tateinheit mit bandenmäßigem Handeltreiben mit Cannabis (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG) in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen – was insoweit keiner Tenorierung bedarf – zu würdigen. Dass sich die Tat auch auf Cannabis in nicht geringer Menge bezog, bedarf keiner Kennzeichnung in der Urteilsformel, da der Qualifikationstatbestand des Bandenhandels mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG stets voraussetzt, dass die Tat eine nicht geringe Menge betrifft (vgl. ).
7Das neue Recht erweist sich hier gegenüber der vom Landgericht angewandten Norm als das mildere im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB. Die Strafkammer hat einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zugrunde gelegt, den sie der Strafdrohung für minder schwere Fälle des bandenmäßiges Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 3 BtMG) entnommen und dabei für die Strafrahmenuntergrenze eine Sperrwirkung des Tatbestands nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen hat. Der Senat kann ausschließen, dass sich im vorliegenden Fall aus dem neu hinzutretenden Tatbestand des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis eine – wegen § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB (vgl. hierzu allgemein ) gegebenenfalls für die gesamte Tat maßgeblich werdende – höhere Strafdrohung ergeben könnte.
8Zwar droht § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG für bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis sogar eine Strafe von nicht unter zwei Jahren Freiheitsstrafe an. Ob stattdessen der Strafrahmen für minder schwere Fälle anzuwenden ist, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, ist dagegen eine grundsätzlich vom Tatgericht zu entscheidende Wertungsfrage (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 154/24 Rn. 10; vom – 3 StR 167/24).
9Im vorliegenden Fall wäre bei korrekter Anwendung der Strafnormen des Betäubungsmittelgesetzes aber neben der vom Landgericht angesprochenen Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG zusätzlich diejenige des § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zu beachten gewesen, der wie § 34 Abs. 4 KCanG einen Strafrahmen von zwei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht (vgl. nur Rn. 15). Dass die Strafkammer, nachdem sie bereits einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG bejaht hat, auch noch einen solchen nach § 30 Abs. 2 BtMG angenommen hätte, ist angesichts der hohen tatgegenständlichen Betäubungsmittelmenge auszuschließen, worauf auch die Verneinung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG hindeutet. Bei Anwendung des KCanG ergibt sich folglich maximal derselbe Strafrahmen wie derjenige, der bei korrekter Anwendung aus dem Betäubungsmittelgesetz folgt. Nachdem der Gesetzgeber den Handel mit Cannabis als weniger erheblich betrachtet als denjenigen mit anderen Betäubungsmitteln, stellt sich das neue Recht daher als das mildere dar (vgl. Rn. 6).
10Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
112. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Nachdem 20 der vom Angeklagten jeweils im Auto mitgeführten 49 Verkaufseinheiten Cannabis enthielten, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass dem auf den Umgang mit Cannabis entfallenden Schuldumfang wesentliche Bedeutung für die Bemessung der Strafe zukam.
123. Die Sache bedarf insoweit daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Sollte das neue Tatgericht erneut einen minder schweren Fall des bandenmäßigen Handeltreibens nach § 30a Abs. 3 BtMG annehmen, wird es neben der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG auch diejenige des § 30 Abs. 1 BtMG in den Blick zu nehmen haben. Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen sind rechtsfehlerfrei. Sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und gegebenenfalls durch solche ergänzt werden, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
Cirener Gericke Mosbacher
Köhler Werner
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300724B5STR272.24.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-75792