Online-Nachricht - Donnerstag, 12.09.2024

Körperschaftsteuer | Vorteilseignung einer vGA aufgrund ersparten Aufwands (BFH NV)

Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung in Form einer verhinderten Vermögensmehrung kann sich eine Vorteilseignung daraus ergeben, dass der Gesellschafter eigenen Aufwand erspart. Die Aufwandsersparnis kann sich auch aus dem Verzicht auf die Vereinbarung eines Erstattungs- bzw. Ausgleichsanspruchs ergeben (, NV; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) sind nach ständiger Rechtsprechung Vermögensminderungen (verhinderte Vermögensmehrungen), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst sind, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. mit § 8 Abs. 1 KStG auswirken und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung stehen.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des einkommenserhöhenden Ansatzes einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung im Jahr 2011.

Die Klägerin (GmbH) ist Teil eines Konzerns mit einer in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ansässigen Muttergesellschaft, die X, die mittelbar über zwischengeschaltete Gesellschaften zu 100 % am Kapital der Klägerin beteiligt ist.

Die X wies die Klägerin an, einen Auftrag für einen ausländischen Kunden Y in Venezuela aufgrund eines Wirtschaftsembargos nicht mehr weiter zu bearbeiten. Der ausländische Kunde verklagte die Klägerin in Venezuela darauf u. a. auf Schadensersatz.

Die Klägerin bildete in ihren Jahresabschlüssen wegen etwaiger an Y zu leistender Schadensersatzzahlungen eine Rückstellung. Zusätzlich zahlte die Klägerin im Streitjahr Verfahrenskosten für das Schiedsverfahren.

In der Zeit von Mai 2014 bis Juli 2017 führte der Beklagte (FA) bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung durch. Der Prüfer und ihm folgend das FA sahen zum Streitjahr in der Zahlung der Verfahrenskosten sowie der Schadensersatzforderung (Aufstockung der Rückstellung) eine vGA, weil die Auftragsstornierung allein im Interesse der Konzernmutter erfolgt sei. Das FA erließ deshalb gegenüber der Klägerin einen Änderungsbescheid über Körperschaftsteuer für 2011 mit einem um eine vGA erhöhten zu versteuernden Einkommen.

Ein Einspruch blieb ohne Erfolg. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Schleswig-Holsteinische statt (Urteil vom - 1 K 16/19, EFG 2021 S. 578). Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision.

Die Richter des I. Senats des BFH sahen die Revision als begründet an. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG:

  • Das FG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass im Streitfall eine verhinderte Vermögensmehrung bereits wegen ihrer fehlenden Eignung ausscheide, einen sonstigen Bezug i. S. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung bei der Gesellschafterin auszulösen. Deshalb hat es die erforderlichen Feststellungen dazu, ob eine Vermögensverschiebung von der Klägerin an ihre Gesellschafterin durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, bisher nicht getroffen.

  • Das FG hat im Hinblick auf die von der Klägerin gezahlten Gerichtskosten und die Zuführung zur Rückstellung für drohende Schadensersatzansprüche eine vGA in Form der Vermögensminderung zu Recht verneint. Denn diese Vermögensminderungen waren nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Die Klägerin leistete die Zahlung aufgrund einer eigenen rechtlichen Verpflichtung an einen fremden Dritten und folglich nicht aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen; Entsprechendes gilt mit Blick auf das Risiko, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden (dem Ergebnis zustimmend z. B. Schmitz-Herscheidt, NWB 2021 S. 2089).

  • Das FG hat jedoch eine vGA unter dem Gesichtspunkt einer verhinderten Vermögensmehrung wegen fehlender Vorteilseignung (sonstiger Bezug i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) rechtsfehlerhaft verneint, weil es die Rechtsgrundsätze des BFH zur Situation der Vermögensverlagerung durch eine Aufwandsersparnis beim Gesellschafter nicht beachtet hat.

  • Eine Vorteilseignung kann sich bei einer vGA in Form einer verhinderten Vermögensmehrung insbesondere daraus ergeben, dass der Gesellschafter eigenen Aufwand erspart, weil die Gesellschaft ihn trägt. Eine solche Aufwandsersparnis kann sich auch aus dem Verzicht auf die Vereinbarung eines Erstattungs- bzw. Ausgleichsanspruchs ergeben. Dabei setzt eine verhinderte Vermögensmehrung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zwingend eine Nutzungs- oder Ressourcenüberlassung an den Gesellschafter voraus.

  • Eine solche Aufwandsersparnis kommt auch im Streitfall in Betracht. Sollte X die Klägerin durch eine erteilte Weisung zu einem Vertragsbruch veranlasst haben, ohne dafür eine fremdübliche Gegenleistung zu erbringen, hätte sie insoweit Aufwand erspart. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde einen geschlossenen Vertrag einhalten, wenn er zu dessen Bruch nicht aufgrund äußerer Umstände (z. B. gesetzliches Verbot) oder zur Verhinderung eines bei Vertragsdurchführung (ex ante) drohenden größeren Schadens gezwungen wäre. Andernfalls hätte ein Nichtgesellschafter einen solchen Geschäftsleiter allenfalls dann zu einem Vertragsbruch bewegen können, wenn er die Übernahme des damit verbundenen Schadensrisikos und einen angemessenen Gewinnausgleich verbindlich zugesagt hätte.

  • Erreicht ein Gesellschafter dieses Ziel stattdessen aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen ohne entsprechende Zusagen, erspart er insoweit eigenen Aufwand. Die Ausführungen des FG, dass die Muttergesellschaft das Ergebnis der von der Klägerin erbrachten „Leistungen“ nicht habe auf eigene Kosten herbeiführen können, tragen diesem Umstand nicht in der gebotenen Weise Rechnung; X hätte der Klägerin eine Schadensübernahme und einen Gewinnausgleich verbindlich zusagen können, um sie zum Vertragsbruch zu bewegen.

  • Das Streitjahr wäre auch das Jahr, in dem eine vGA zeitlich zu berücksichtigen wäre. Der Ansatz einer verhinderten Vermögensmehrung ist dem Zeitpunkt zuzuordnen, in dem der Vermögensvorteil, der zu erzielen unterlassen wurde, hätte bilanziert werden müssen. Hätte die Klägerin im Streitfall eine vorherige Zusage der X zur Schadensübernahme zur Voraussetzung des Vertragsbruchs gemacht, wäre ihr Steuerbilanzgewinn im Streitjahr höher gewesen. Für die von ihr geleisteten Verfahrenskosten hätte ihr ein zu aktivierender Erstattungsanspruch gegenüber X zugestanden. Die im Streitjahr vorgenommene Rückstellungserhöhung hätte nicht erfolgen dürfen, weil insoweit Rückgriffsansprüche zur Kompensation heranzuziehen wären.

  • Der Senat kann wegen fehlender entsprechender Feststellungen des FG nicht abschließend darüber entscheiden, ob die verhinderte Vermögensmehrung auf Seiten der Klägerin ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis gehabt hat. Das FG hat diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

Quelle: , NV; NWB Datenbank (pz)

Fundstelle(n):
OAAAJ-74959