Online-Nachricht - Donnerstag, 12.09.2024

Handelsrecht | Außenwirkung eines Haftungsausschlusses (FG)

Ein Haftungsausschluss i. S. von § 28 Abs. 2 HGB kann nur dann Außenwirkung haben, wenn die Bekanntmachung unverzüglich nach dem Wechsel des Unternehmensträgers vorgenommen wird. Nach einem Zeitraum von weit über sieben Monaten seit Geschäftsübernahme muss aber davon ausgegangen werden, dass sich die an die tatsächliche Geschäftsübernahme anknüpfende Verkehrsauffassung, der neue Unternehmensträger trage auch die Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, zwischenzeitlich verfestigt hat, und dass dieser Umstand von einer demnächst erfolgenden Bekanntmachung eines Haftungsausschlusses nicht mehr beseitigt werden kann ().

Sachverhalt:

Streitig war eine Inhaftungnahme nach § 28 HGB.

  • Die Mutter der Klägerin unterhielt in X einen Hotel- und Gaststättenbetrieb mit Wellnessbereich. Mit Vertrag vom trat die Klägerin in das Unternehmen ihrer Mutter ein. Hierzu gründeten ihre Mutter und sie eine als „A GbR …” bezeichnete Gesellschaft Eine Haftungsbegrenzung einer der Gesellschafterinnen sah der Gesellschaftsvertrag nicht vor.

  • Am vereinbarten die Gesellschafterinnen in einer „1. Änderung zum Gesellschaftsvertrag”, dass die Tätigkeit der Gesellschaft erst am beginnen sollte. Zu diesem Zeitpunkt bestand der Betrieb der Mutter der Klägerin aus fünf Gebäuden auf mehreren Grundstücken. Dort betrieb die Mutter der Klägerin vier Gästehäuser und zwei Gaststätten.

  • Anfang 2016, als die Klägerin in den Betrieb eintrat, war bereits der weitere Ausbau der Anlage begonnen. Nach den Angaben der Klägerin ging es um Investitionen in Höhe von ca. zwei Mio. €, mit denen das Zimmer- und Wellnessangebot erweitert und verbessert werden sollte.

  • Nach dem Eintritt der Klägerin in den Betrieb legten die Gesellschafterinnen in einer auf den datierten „2. Änderung/Ergänzung” zum Gesellschaftsvertrag nieder, es werde klargestellt, dass bei der Vereinbarung des Gesellschaftsvertrages Übereinstimmung darin bestanden habe, dass die GbR nicht für Verpflichtungen der Mutter der Klägerin aufzukommen habe.

  • Streitig war, wann dem Beklagten diese Vereinbarung bekannt gemacht wurde. In den Vollstreckungsakten des Beklagten findet sich hierzu eine ausgedruckte Mail vom , als deren Anhang das Dokument über die zweite Änderung zum Gesellschaftsvertrag abgeheftet ist.

  • Zahlreiche Versuche, offen gebliebene Steuerschulden des ehemaligen Einzelunternehmens bei der Mutter der Klägerin beizutreiben, führten nur in begrenztem Umfang zum Erfolg.

  • Schließlich nahm der Beklagte die Gesellschaft mit Bescheid v. gem. § 28 Abs. 1 HGB für die offen gebliebenen Altverbindlichkeiten aus dem Einzelunternehmen in Haftung.

  • Vor Ablauf der im Haftungsbescheid gesetzten Zahlungsfrist trat die Klägerin aus der Gesellschaft aus, die hierdurch ohne Liquidation beendet wurde. Die Mutter der Klägerin beglich als Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft die Schuld aus dem Haftungsbescheid vom nicht.

  • Kurz nach ihrem Austritt trat die Klägerin wieder in das Einzelunternehmen ihrer Mutter ein, wobei diesmal ein Haftungsausschluss für Altverbindlichkeiten in das Handelsregister eingetragen wurde. Die Klägerin und ihre Mutter gründeten hierzu eine KG mit der Klägerin als Kommanditistin.

  • Die Mutter der Klägerin ließ auch in der Folgezeit die dem Haftungsbescheid vom zu Grunde liegenden Steuerschulden unbeglichen. Vollstreckungsversuche blieben wiederum weitestgehend ohne Erfolg.

  • Mit dem streitgegenständlichen Haftungsbescheid vom nahm der Beklagte die Klägerin für die Haftungsschuld der erloschenen Gesellschaft als deren ehemalige Gesellschafterin in Haftung.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Hierzu führte das Finanzgericht aus:

  • Nach § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet; diese Vorschrift umfasst auch die Haftungsansprüche nach zivilem Recht.

  • Nach § 128 Satz 1 HGB a. F. haften die Gesellschafter einer OHG i. S. des § 105 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Dieser Haftung unterliegt auch die Klägerin, denn sie war nach ihrem Eintritt in das Einzelunternehmen ihrer Mutter Gesellschafterin einer OHG.

  • Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist nach § 105 HGB immer OHG, für deren Schulden sämtliche Gesellschafter unbeschränkt und persönlich haften, es sei denn, ihnen gelänge der Beweis, dass ihre Gesellschaft eine andere gesetzlich anerkannte Gesellschaftsform besitzt.

  • Ob ein Betrieb (hier ein Hotelbetrieb mit mehreren Gästehäusern, zwei Restaurants und Wellnessangebot) nach Art und Umfang eine kaufmännische Organisation erfordert, kann nur aufgrund einer Gesamtbetrachtung des einzelnen Betriebes entschieden werden, wobei dessen Besonderheiten und auch die Eigenarten der Branche zu beurteilen sind. Dabei sind insbesondere Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, die Anzahl der Mitarbeiter sowie die Größe und Organisation des Betriebes zu berücksichtigen.

  • Die Voraussetzungen für die Anwendung von § 105 Abs. 1 HGB waren bei der von der Klägerin und ihrer Mutter gegründeten Gesellschaft erfüllt. Insbesondere war der Betrieb des Einzelunternehmens, in den die Klägerin mit der Gesellschaftsgründung eintrat, auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet.

  • In den Akten des Beklagten ist ein Eingang der zweiten Änderungsvereinbarung zum Gesellschaftsvertrag erst für Ende Mai 2017 verzeichnet. Das spricht dagegen, dass den Beklagten eine frühere Mitteilung über den Haftungsausschluss erreicht hat. Die Mitteilung zum Ende des Monats Mai 2017, siebzehn Monate nach dem Eintritt der Klägerin in das Geschäft ihrer Mutter, konnte nach den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen keinen Haftungsausschluss mehr bewirken.

Quelle: Sächsisches FG, Urteil v. 22.2.2ß024 - 6 K 865/20; NWB Datenbank (Sti)

Fundstelle(n):
ZAAAJ-74883