Instanzenzug: Az: 33 KLs 17/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt. Vier Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe hat es als Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Der Angeklagte wendet sich gegen das Urteil mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3Der Angeklagte war faktischer Geschäftsführer der A. GmbH (im Folgenden: A. GmbH) mit Sitz in D. . Gemeinsam mit weiteren Beteiligten vermarktete er seit 2012 über die A. GmbH Finanzprodukte. Zu diesem Zweck wurden Exposés über „zertifizierte Nachrangdarlehen“ erstellt und diese fortan in verschiedenen „Serien“ unter fortlaufenden Jahrgängen unter Zuhilfenahme von Vermittlern namens der A. GmbH an Privatanleger vertrieben. Eine externe Zertifizierung erfolgte nicht; allein die A. GmbH erstellte selbst bei jedem Vertragsabschluss ein „Zertifikat“ über die von ihr als „zertifizierte Nachrangdarlehen“ beworbenen Finanzprodukte.
4Auf das – nach Abzug von mehr als 10 % Emissionskosten verbleibende – Investitionskapital wurden den Anlegern je nach Vertragsart variierende Zinsen in garantierter Höhe zwischen 3,5 % und 9 % p.a. zugesichert. Die Exposés des betreffenden Nachrangdarlehens wurden jeweils zum Vertragsinhalt; nicht ausschließbar wurden die Anleger über das Risiko eines Verlusts ihrer Einlagen bis hin zum Totalverlust aufgeklärt.
5Im Zeitraum vom bis zum erfolgten 99 Abschlüsse verschiedener Nachrangdarlehensverträge zwischen der A. GmbH und Privatanlegern, die jeweils – im Einzelnen festgestellte – Beträge an die A. GmbH zahlten. In manchen Fällen erfolgten „Zinszahlungen“; nach Kündigung der Darlehensverträge erhielten einige Anleger Erstattungen ihrer Anlagebeträge. In den meisten Fällen „verblieb die Valuta bei der Gesellschaft“. Weitere Feststellungen zu der konkreten rechtlichen Ausgestaltung der Nachrangdarlehen, dem Zeitraum der Darlehensvalutierung und etwaigen Kündigungstatbeständen hat das Landgericht nicht getroffen.
6Im Dezember 2015 wurde die A. GmbH auf die übernehmende Au. AG mit Sitz in Liechtenstein verschmolzen, deren Alleinaktionär und einzelvertretungsberechtigter Verwaltungsrat der Angeklagte war. Mit Eintragung der Verschmelzung am erlosch die A. GmbH.
7„Spätestens ab dem beschloss der Angeklagte, die Anlegergelder zumindest zum Teil auch entgegen dem vertraglich vereinbarten Zweck der Darlehensverträge zu verwenden“. Zwischen dem und dem tätigte der Angeklagte bei fünf Gelegenheiten Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen der liechtensteinischen Au. AG zu Zwecken der privaten Lebensführung. In einem Fall bezahlte der Angeklagte Kaufpreis und Erwerbsnebenkosten für zwei von seiner Ehefrau erworbene Ferienwohnungen aus den Mitteln der AG. In drei weiteren Fällen veranlasste der Angeklagte Darlehenszahlungen in einer Gesamthöhe von 837.500 € auf eigene Konten bzw. auf Konten seiner Ehefrau. Im fünften Fall veranlasste er eine rechtsgrundlose Direktzahlung der Au. AG von 150.000 € an seine Ehefrau S. K. . „Durch die einzelnen Zahlungen wurde das Vermögen der Au. AG, das sich aus den Einnahmen durch die ‚zertifizierten‘ Nachrangdarlehen speiste, im Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Zahlungen gemindert“.
8Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Untreue in fünf Fällen zulasten der Anleger der A. GmbH bewertet. Als faktischer Geschäftsführer habe er eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Anlegern gehabt. Durch die Einbeziehung der Exposés hätten die Nachrangdarlehen eine Zweckbindung dergestalt aufgewiesen, dass die Darlehensnehmerin „berechtigt und verpflichtet gewesen sei, in Devisengeschäfte, mittelständische Unternehmen und auch eigene Immobilien der A. Gesellschaft zu investieren“. Da es den Darlehensgebern darauf angekommen sei, dass die Anlagegelder im Sinne der Exposés verwendet würden, seien den Nachrangdarlehen auch auftragsähnliche Elemente und Elemente einer Geschäftsbesorgung einbeschrieben gewesen. Abweichend vom klassischen Darlehen begründe dies eine Vermögensbetreuungspflicht zugunsten der Anleger. Indem der Angeklagte „die von den Darlehensgebern überwiesenen Beträge“ für private Zwecke verwendete, habe er seine Vermögensbetreuungspflicht rechtswidrig und schuldhaft verletzt.
9Dem Angeklagten waren mit der zugelassenen Anklageschrift 99 Taten des Betrugs zum Nachteil der Darlehensgeber zur Last gelegt worden. Die Strafverfolgung hinsichtlich 94 dieser Taten hat die Strafkammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die als Untreue abgeurteilten fünf Taten beschränkt. Hinsichtlich dieser fünf Taten hat sie das Verfahren zudem gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf die Vorwürfe nach § 266 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 StGB beschränkt.
II.
10Der Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) in fünf Fällen steht kein Verfahrenshindernis entgegen. Sie hält jedoch revisionsrechtlicher Prüfung in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht stand.
111. Die abgeurteilten Taten sind Gegenstand der Anklageschrift und des entsprechenden Eröffnungsbeschlusses. Ein Verfahrenshindernis im Sinne der §§ 206a Abs. 1, 354 Abs. 1 Var. 2 analog StPO liegt daher nicht vor:
12a) Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Dortmund vom wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, sich des Betrugs in 99 Fällen schuldig gemacht zu haben. Der Angeklagte sei hinreichend verdächtig, als faktischer Geschäftsführer der A. GmbH zwischen Oktober 2012 und Ende 2017 hochverzinsliche „Anlageverträge“ mit geschädigten Privatanlegern abgeschlossen zu haben. Wie von vornherein geplant, seien mit den angelegten Beträgen keine Erträge erwirtschaftet worden. Vielmehr habe der Angeklagte von den Geldbeträgen, die von 2012 bis 2016 ein Gesamtvolumen von ca. 59 Mio. € erreicht gehabt hätten, für sich und seine Familie einen Gesamtbetrag von ca. 4,6 Mio. € beiseitegeschafft.
13Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft ‒ unter näherer Darlegung des anklagegegenständlichen „Schneeballsystems“ – weiter ausgeführt, dass es dem Angeklagten nur darauf angekommen sei, die von den Anlegern in Empfang genommenen Geldbeträge zur Finanzierung des eigenen Lebensbedarfs und zur Maximierung eigener Gewinne zu verwenden. Die Eheleute K. hätten „von den A. -Gesellschaften […] mehrere Darlehen [erhalten], deren Rückzahlungen nicht festgestellt wurden [und] niemals geplant [gewesen seien]“. Von der in Liechtenstein ansässigen Au. AG seien Gelder in sechsstelliger Höhe an Familienangehörige des Angeklagten überwiesen worden. Unter der Überschrift „Vermögensabflüsse an den Angeklagten und seine Familienangehörigen“ hat die Staatsanwaltschaft daher die einzelnen, im landgerichtlichen Urteil als Untreuehandlungen gewürdigten Zahlungen der Au. AG an den Angeklagten und seine Ehefrau in den Blick genommen.
14Im Eröffnungsbeschluss wie im Rahmen von Verständigungsgesprächen während der Hauptverhandlung hat die Kammer den Angeklagten darauf hingewiesen, dass „bei den angeklagten Taten tateinheitlich jeweils der Tatvorwurf der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (Treubruchtatbestand) in Betracht kommen könnte“.
15b) Gegenstand der Urteilsfindung ist die Tat im verfahrensrechtlichen Sinne (§ 264 Abs. 1 StPO). Diese bestimmt sich nach dem von der zugelassenen Anklage umschriebenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Zur Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO gehört dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten zur Last gelegte Geschehensablauf. Sie erstreckt sich vielmehr auf das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet (st. Rspr.; vgl. , NStZ 2023, 252; Beschluss vom – 2 StR 261/20 Rn. 7; Beschluss vom – 4 StR 555/18, NStZ 2020, 46 Rn. 5). Dabei wird die prozessuale Tat in der Regel durch den Tatort, die Tatzeit und das Tatbild umgrenzt. Eine besondere Bestimmung erfährt sie zudem durch das Täterverhalten, die ihm innewohnende Angriffsrichtung und die Identität der Tatopfer (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 5 StR 236/21, NStZ 2022, 409 Rn. 10; Urteil vom – 5 StR 99/20, NStZ-RR 2020, 377, 378; Beschluss vom – 4 StR 555/18, NStZ 2020, 46 Rn. 5; Beschluss vom – 4 StR 200/18, NStZ-RR 2018, 353, 354). Bei der Bestimmung des Umfangs der angeklagten Tat ist die Anklageschrift auszulegen. In die Auslegung findet auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen Eingang (vgl. , BGHSt 46, 130, 134 mwN).
16c) Gemessen hieran ist das als Untreue ausgeurteilte Geschehen Teil der angeklagten prozessualen Tat. Die Staatsanwaltschaft hat im Anklagesatz dargelegt, dass die aus Sicht der Anklage vom Angeklagten geplante und ins Werk gesetzte Mittelbeschaffung und Mittelverwendung – zu der die Entnahme von Liquidität aus dem Vermögen der Au. AG rechnet – Teil eines einheitlichen historischen Geschehens ist, das sie der Kognition des Gerichts unterstellt wissen wollte, und dies als Ergebnis ihrer Ermittlungen eingehend ausgeführt. Demnach stellte sich das Täterverhalten als ein einem einheitlichen Plan folgender Vorgang des Einwerbens und „Abschöpfens“ von Anlegergeldern mittels eines undurchsichtigen Unternehmens- und Vertragsgeflechts zum persönlichen Vorteil des Angeklagten und seiner Familie dar.
17Gleiches gilt für die Angriffsrichtung, die sich gemäß der maßgeblichen Anklage auf allen „Verwertungsstufen“ gegen die Anleger richtet. Auch die Tatzeiträume divergieren nicht. Die abgeurteilten Taten fallen in den von der Anklage umfassten Zeitraum von 2012 bis Ende 2017 und überschneiden sich teils zeitlich mit den als Betrug angeklagten Vertragsschlüssen. Eine wirksame Anklage und ein darauf bezogener Eröffnungsbeschluss liegen vor.
182. Die Verurteilung wegen Untreue in fünf Fällen zum Nachteil der Anleger der A. GmbH kann gleichwohl nicht bestehen bleiben.
19a) Die Urteilsgründe ergeben bereits nicht, dass der A. GmbH gegenüber den Darlehensgebern eine Vermögensbetreuungspflicht oblag, die dem Angeklagten als faktischem Geschäftsführer der GmbH gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB zuzurechnen gewesen wäre.
20aa) Der Tatbestand der Untreue setzt in beiden Alternativen voraus, dass dem Täter gegenüber dem Vermögensinhaber eine Vermögensbetreuungspflicht obliegt, die eine besondere Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Für jedermann geltende Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, reichen für deren Begründung nicht aus. Eine Strafbarkeit wegen Untreue setzt daher voraus, dass dem Täter die Vermögensbetreuung als Hauptpflicht oder wenigstens als eine mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung obliegt. Zudem muss ihm die übertragene Tätigkeit Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbstständigkeit belassen. Da der hier einzig in Betracht kommende Treubruchtatbestand sich nur gegen Angriffe „aus dem eigenen Lager“ des Geschädigten richtet, ist ferner erforderlich, dass der Täter nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Vermögensinhabers, dabei ohne gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch ihn, eine Einwirkungsmöglichkeit auf „dessen“, das heißt dem Täter fremdes Vermögen hat (vgl. , BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 57 Rn. 14; Beschluss vom – 4 StR 408/17, BGHR StGB § 266 Vermögensbetreuungspflicht 1 Rn. 28; Beschluss vom – 4 StR 163/16, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 54 Rn. 9 f.; Urteil vom – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 104 f.; Beschluss vom – 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52 Rn. 9).
21bb) Die Feststellungen des Landgerichts, die sich im Wesentlichen auf einen Auszug aus einem Exposé zu einem der von der A. GmbH vertriebenen Anlageprodukte stützen, tragen in ihrer ‒ auch im Gesamtzusammenhang des Urteils geringen – Darlegungsdichte nicht die Wertung, dass die Nachrangdarlehensverträge eine Vermögensbetreuungspflicht der Emittentin gegenüber den Privatanlegern begründeten.
22(1) Wie das Landgericht nicht verkannt hat, ergibt sich eine Vermögensbetreuungspflicht nicht aus der Grundcharakteristik der Vertragsbeziehung als Darlehen. Der Darlehensnehmer erwirbt ein Kapitalnutzungsrecht auf Zeit und damit die Befugnis, in seinem eigenen Interesse über die Einzelheiten des Mitteleinsatzes zu entscheiden. Er ist gegenüber dem Darlehensgeber grundsätzlich nicht treupflichtig (vgl. , BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 57 Rn. 15 mwN; Hadamitzky in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl., Treuepflichtverletzungen, Rn. 32.107a).
23(2) Der Umstand, dass die Anlageverträge nach der nicht näher erläuterten Feststellung des Landgerichts als sogenannte Nachrangdarlehen ausgestaltet wurden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Zuge dieser besonderen Finanzierungsform für Gesellschaften gewährt der Kapitalgeber der Gesellschaft ein – regelmäßig unbesichertes – Darlehen mit eingeschränktem Kündigungsrecht, das im Insolvenzfall erst nachrangig bedient wird. Das erhöhte Risiko wird durch eine Prämie in Gestalt eines höheren als marktüblichen Zinses vergütet (vgl. , BGHZ 220, 280 Rn. 31 ff.; Urteil vom – IX ZR 133/14, NJW 2015, 1672, 1672 f.; Dippmann, in: Hamann/Sigle/Grub, Gesellschaftsrecht, Finanzierung und Unternehmensnachfolge, 3. Aufl., § 10 Rn. 160). Allein die Wahl dieser Finanzierungsform begründet keine inhaltlich herausgehobene Pflicht der darlehensausgebenden Gesellschaft, die Vermögensinteressen ihrer im qualifizierten Nachrang stehenden Darlehensgeber wahrzunehmen (vgl. , BGHR StGB § 266 Vermögensbetreuungspflicht 1 Rn. 30).
24(3) Entgegen der Wertung des Landgerichts folgt eine Vermögensbetreuungspflicht der A. GmbH auch nicht aus der Vereinbarung zweckgebundener Darlehen. Zwar kann durch die Einbeziehung auftragsähnlicher Elemente im Einzelfall eine Vermögensbetreuungspflicht des Darlehensnehmers gegenüber dem Darlehensgeber entstehen. Erforderlich ist dabei aber, dass das Vertragsverhältnis Elemente einer Geschäftsbesorgung aufweist und die dadurch festgelegte Verpflichtung zur fremdnützigen Vermögenssorge einen wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses ausmacht und nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Bei einem Darlehen wird dies in der Regel nur in Betracht kommen, wenn durch die besondere Zweckbindung und die sich daraus ergebende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur zweckgerechten Verwendung der Valuta Vermögensinteressen des Darlehensgebers geschützt werden und diese wirtschaftlich im Mittelpunkt des Vertrages stehen (vgl. , BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 57 Rn. 15; Beschluss vom – 4 StR 408/17, BGHR StGB § 266 Vermögensbetreuungspflicht 1 Rn. 28; Urteil vom – 1 StR 266/76, bei Holtz, MDR 1976, 986, 987 [keine Vermögensbetreuungspflicht bereits bei Missachtung des Sicherungsinteresses des Kreditgebers]; Urteil vom – 2 StR 429/68, bei Dallinger, MDR 1969, 532, 534 [Darlehen eines Tabakhändlers an einen Gastwirt mit der Zweckbestimmung, dass die Belieferung in der neuen Gaststätte fortgeführt werde]; Urteil vom – 5 StR 705/54, BGHSt 8, 271, 272 [Darlehen des Bauherrn an den Bauunternehmer mit der Zweckbestimmung, dass jener dem Bauherrn die fertigzustellende Wohnung übergeben sollte]; Hadamitzky in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl., Treuepflichtverletzungen, Rn. 32.107b).
25Die insoweit lückenhaften Feststellungen lassen keine Zweckbindung erkennen, die nach den genannten Maßstäben eine Vermögensbetreuungspflicht der A. GmbH begründen könnte. Nicht jeder von den Vertragsparteien mit einem Darlehen verfolgte wirtschaftliche Zweck führt zu einer vertraglichen Zweckbindung der Valuta. Ob die Parteien einen bestimmten Verwendungszweck zum Vertragsinhalt machen wollten, ist durch Auslegung zu ermitteln und von der rechtlich unmaßgeblichen Mitteilung einer Investitionsabsicht abzugrenzen. Es bedarf ausdrücklicher Abreden der Parteien oder besonderer Umstände, denen schlüssige vertragliche Abreden entnommen werden können. Hierzu bedarf es einer dezidierten Auslegung durch das Tatgericht. Die in dem zitierten Exposé für das „Nachrangdarlehen 2012/A und 2012/B“ angeführte Erklärung der A. GmbH, die Valuta würden „vor allem im FOREX-Markt (Fremdwährungsmarkt) investiert“, um hieraus Zinserträge zu generieren, vermag eine solche Wertung für sich allein nicht zu tragen. Soweit das Landgericht in seiner rechtlichen Würdigung ausführt, dass „die A. Gruppe“ als Darlehensnehmerin verpflichtet gewesen sei, „in Devisengeschäfte, mittelständische Unternehmen und auch eigene Immobilien der A. Gesellschaft zu investieren“ (UA 96), bringt dies keinen Erkenntnisgewinn.
26b) Die Urteilsgründe ergeben darüber hinaus auch nicht, dass die als Untreuehandlungen bewerteten Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen der Liechtensteinischen Au. AG einen (eigenständigen) Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB für die Anleger zur Folge hatten.
27aa) Der Inhaber eines betreuten Vermögens erleidet einen, wenn dieses Vermögen eine (st. Rspr.; vgl. , NJW 2019, 378 Rn. 22; Urteil vom – 2 StR 600/10, NStZ 2012, 151, 152 jew. mwN).
28bb) Den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass die vom Landgericht als Tathandlungen in den Blick genommenen Entnahmen des Angeklagten aus dem Gesellschaftsvermögen der Au. AG zu diesen Anforderungen entsprechenden Vermögenseinbußen bei den Anlegern geführt haben.
29Im Tatzeitraum bestand zu keinem Zeitpunkt eine Vermögensidentität zwischen der in D. ansässigen A. GmbH, der die Mittel der Anleger zuflossen, und der liechtensteinischen Au. AG, aus deren Vermögen der Angeklagte zwischen dem und dem die zu privaten Zwecken genutzten Gelder entnahm. Das Gesellschaftsvermögen der A. GmbH ging erst mit der am erfolgten Eintragung der Verschmelzung im Liechtensteinischen Handelsregister im Vermögen der aufnehmenden Au. AG auf. Dies ergibt sich aus Art. 352b i.V.m. Art. 352 Abs. 4 Nr. 3 und 4 des Liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts aF, die durch Art. 12 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 der im September 2016 in der Bundesrepublik Deutschland wie dem Fürstentum Liechtenstein anwendbaren Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (sog. Internationale Verschmelzungsrichtlinie) als Verschmelzungsstatut anzuwenden waren (vgl. im Einzelnen Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 3. Aufl., § 305 UmwG Rn. 7 f.).
30Den Urteilsgründen kann – auch in ihrem Gesamtzusammenhang – keine tatsachenbasierte Verknüpfung zwischen dem Vermögen der A. GmbH, der Au. AG oder dem Vermögen der Anleger entnommen werden. Soweit ohne zeitliche Eingrenzung und nähere Konkretisierung mitgeteilt wird, dass sich das Vermögen der Au. AG „aus den Einnahmen durch die ‚zertifizierten‘ Nachrangdarlehen speiste“ (UA 89), fehlt es an dies belegenden Feststellungen.
III.
31Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
321. Die im ersten Rechtsgang getroffene Feststellung, wonach der Angeklagte „spätestens ab dem “ den Vorsatz zu einer missbräuchlichen Mittelverwendung (UA 84) gefasst hatte, könnte den Schluss rechtfertigen, dass sich denkbare Untreuehandlungen des Angeklagten – jedenfalls in einer Vielzahl von Fällen – als mitbestrafte Nachtaten zeitlich vorgängiger Betrugstaten darstellen (vgl. dazu , NJW 2016, 3253 Rn. 43; Beschluss vom – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585 Rn. 92 – je zur zuerst verwirklichten Untreue). Der Tatbestand der Untreue wäre hier nur dann erfüllt, wenn durch die Tathandlung ein eigenständiger, vertiefender Vermögensnachteil neben die durch den Betrug eingetretene Vermögensschädigung tritt (vgl. , BGHSt 6, 67; Urteil vom - 3 StR 365/90, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 5). Die Feststellung eines eigenständigen Vermögensnachteils durch die als Untreue abgeurteilten Tathandlungen wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass die Strafkammer im ersten Rechtsgang hinsichtlich der auch von ihr selbst als Betrug eingestuften Vortaten Einstellungs- und Beschränkungsbeschlüsse gemäß § 154 Abs. 2, Abs. 1 StPO, § 154a Abs. 2, Abs. 1 StPO gefasst hat (vgl. Rn. 9, 11-14). Auf die Frage der Wirksamkeit der unbestimmten Einschränkungs- und Beschränkungsbeschlüsse (vgl. Rn. 17; Beschluss vom – 1 StR 321/11, NStZ-RR 2012, 50, 51; Urteil vom – 3 StR 405/01, NStZ 2002, 489; Beschluss vom – 3 StR 232/80, NStZ 1981, 23) kommt es dabei nicht an.
332. Darüber hinaus wird der neue Tatrichter gehalten sein, zur Eröffnung auch des persönlichen Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB weitergehende Feststellungen zu der Stellung des Angeklagten als faktischer Geschäftsführer der A. GmbH zu treffen (vgl. dazu , BGHZ 150, 61, 69; Urteil vom – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44, 48).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300124B4STR191.23.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-74841