BGH Beschluss v. - StB 53/24

Gründe

I.

11. Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München führt gegen den Angeklagten ein Strafverfahren, das den Vorwurf zum Gegenstand hat, der Angeklagte habe sich - als Heranwachsender und Erwachsener - als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) und Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 VStGB) oder Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder § 239b StGB zu begehen; strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, §§ 1 und 105 JGG.

22. Der Vorsitzende des 6. Strafsenats des die Bestellung des bisherigen Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Dr. Sch.               aufgehoben und stattdessen Rechtsanwalt F.        aus B.       als neuen Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt. Einer Bestellung des Wahlverteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt S.                aus M.     , als neuer Pflichtverteidiger - im Wege eines konsensualen Verteidigerwechsels - widerstreite, dass dieser lediglich an sieben von insgesamt 21 vorgesehenen Hauptverhandlungstagen zur Verfügung stehe. Zudem hat der Senatsvorsitzende in dem genannten Beschluss einen Antrag abgelehnt, dem Angeklagten Rechtsanwalt S.                als weiteren, dritten Pflichtverteidiger - neben Rechtsanwältin Be.        und Rechtsanwalt F.        - beizuordnen.

3Gegen diesen Beschluss wendet sich Rechtsanwalt S.                für den Angeklagten mit der sofortigen Beschwerde vom , die er nicht weiter begründet hat. Dem Schriftsatz ist ein vom Angeklagten unterzeichnetes Schreiben vom beigefügt gewesen, wonach dieser keine Bestellung von Rechtsanwalt F.        zum Pflichtverteidiger wünsche. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

4Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 143a Abs. 4, § 144 Abs. 1, § 142 Abs. 7 Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1, § 311 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

III.

5Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

61. Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs in der Beschwerdeinstanz gilt, dass dem zur Entscheidung über einen Verteidigerwechsel nach § 143a StPO und über die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers nach § 144 StPO berufenen Richter ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. dazu im Einzelnen , NStZ 2022, 696 Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 143a Rn. 36, § 144 Rn. 12).

72. Wie der Vorsitzende des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München in dem Beschluss zutreffend ausgeführt hat, steht einer Bestellung von Rechtsanwalt S.                im Wege eines konsensualen Verteidigerwechsels (zur Zulässigkeit vgl. , NStZ 2024, 310 Rn. 4; BT-Drucks. 19/13829, S. 47) entgegen, dass eine angemessene Verteidigung des Angeklagten bei einer Teilnahme an lediglich einem Drittel der Verhandlungstermine nicht gewährleistet ist (vgl. § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Variante 2 StPO). Auf die Begründung des Beschlusses wird insoweit vollumfänglich Bezug genommen.

8Die Bestellung von Rechtsanwalt S.                als zusätzlicher, dritter Pflichtverteidiger nach § 144 Abs. 1 StPO kommt - wie der Senatsvorsitzende ebenfalls beanstandungsfrei ausgeführt hat - nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt sind. Die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers hat er zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens, insbesondere wegen dessen Umfangs oder Schwierigkeit, für nicht erforderlich erachtet (zu den Anforderungen im Einzelnen vgl. , NStZ 2022, 696 Rn. 13 ff.). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Die beiden bestellten Pflichtverteidiger können die vorgesehenen 21 Hauptverhandlungstermine wahrnehmen, so dass der zügige Verfahrensfortgang gesichert ist.

93. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht unter Berücksichtigung des von dem Angeklagten unterzeichneten Schreibens vom , in dem er mitteilt, er wünsche keine Bestellung von Rechtsanwalt F.        zum Pflichtverteidiger. Dieses Vorbringen steht nicht im Einklang mit dem Inhalt der Schreiben des Angeklagten vom 13. und , in denen er sein Einverständnis mit einer Bestellung von Rechtsanwalt F.        zum Pflichtverteidiger erklärt hatte. Nicht ersichtlich ist, worin die Ursache für seinen Meinungsumschwung liegt. Hinweise darauf, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt F.        zerstört sein oder dieser aus einem anderen Grund keine angemessene Verteidigung gewährleisten könnte (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO), sind nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr hat Rechtsanwalt F.        mit Schriftsatz vom mitgeteilt, er habe sämtliche anberaumten Hauptverhandlungstermine blockiert, sich in das umfangreiche Aktenmaterial eingearbeitet und einen Besuch des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt geplant.

10Soweit Rechtsanwalt S.                mit Schriftsatz vom , beim Oberlandesgericht eingegangen am , ausgeführt hat, „von hier aus“ könnten sämtliche vorgesehenen Hauptverhandlungstermine wahrgenommen werden, verbleibt es dabei, dass eine durchgehende Gewährleistung rechtskundigen Beistands durch ihn selbst nicht gesichert erscheint. Dies ergibt sich daraus, dass dieser Schriftsatz ausweislich eines Vermerks des Senatsvorsitzenden vom auf ein Telefonat mit diesem zurückgeht, in dem Rechtsanwalt S.                die Übersendung einer Aufstellung weiterer Termine ankündigt, an denen er bzw. ein bestellter Vertreter verfügbar wäre (Bl. 1091 d.A.).

114. Nach alledem ist die sofortige Beschwerde des Angeklagten mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Schäfer                Hohoff                Kreicker

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:220824BSTB53.24.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-74727