Instanzenzug: LG Fulda Az: 2 KLs 60 Js 6789/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen, des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, des versuchten sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in zwei Fällen, des versuchten sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch von Kindern, des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 23 Fällen, davon in 18 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit der Herstellung kinderpornographischer Schriften, des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften in 16 Fällen, des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 22 Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit Herstellung jugendpornographischer Schriften, der sexuellen Belästigung in fünf Fällen, der Herstellung kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Verbreitung kinderpornographischer Schriften, der Herstellung kinderpornographischer Inhalte in vier Fällen, der Verbreitung kinderpornographischer Inhalte in drei Fällen, der Verbreitung jugendpornographischer Inhalte, des Besitzes kinderpornographischer Inhalte in zwei Fällen (Fälle 92 und 93 der Urteilsgründe), in einem Fall in Tateinheit mit dem Besitz jugendpornographischer Inhalte, sowie der Verbreitung pornographischer Inhalte in drei Fällen schuldig gesprochen und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
31. Die Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts.
42. Der Schuldspruch hält in den Fällen 35 bis 48, 51 und 54 sowie 92 und 93 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand und bedarf insoweit der Korrektur wie aus der Beschlussformel ersichtlich.
5a) In den Fällen 35 bis 48 sowie 51 und 54 der Urteilsgründe wird die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen – wie die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe nicht verkannt hat – von den Feststellungen nicht getragen. Das Landgericht hat den Urteilstenor zwar insoweit mit Beschluss vom berichtigt. Diese Berichtigung ist jedoch nicht zulässig, damit unwirksam und im Revisionsverfahren unbeachtlich. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt hierzu ausgeführt:
"… eine Berichtigung der Urteilsformel nach Abschluss der mündlichen Urteilsverkündung kommt nur bei einem offensichtlichen Verkündungsversehen in Betracht (, BGHSt 5, 9; Beschluss vom - 4 StR 633/73, BGHSt 25, 333, 336; Senat, Urteil vom - 2 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 119, 120; Beschluss vom - 2 StR 345/16, NStZ-RR 2017, 212, 213). Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer solchen Berichtigung eine unzulässige inhaltliche Abänderung des Urteils verbunden ist (Senat, Urteil vom - 2 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 119, 120). Ein der Berichtigung zugängliches offensichtliches Verkündungsversehen kann nur angenommen werden, wenn sich der Fehler ohne Weiteres aus solchen Tatsachen ergibt, die für alle Verfahrensbeteiligten - auch ohne Berichtigung - klar zu Tage liegen und der auch nur entfernte Verdacht einer späteren inhaltlichen Änderung des verkündeten Urteils ausgeschlossen ist (, StraFo 2017, 373, 374; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. § 268 Rn. 10). Es muss darüber hinaus eindeutig und zweifelsfrei erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Hinsichtlich der Frage einer möglichen Berichtigung der mündlich verkündeten Urteilsformel kann insoweit auch die mündliche Urteilsbegründung Berücksichtigung finden (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 10 mwN). In Ansehung der überragenden Bedeutung der Urteilsformel, die - anders als die schriftlichen Urteilsgründe - bei Verkündung schriftlich vorliegen muss, ist bei einer Berichtigung der Urteilsformel Zurückhaltung geboten (, BGHSt 3, 245, 247).
Nach diesem strengen Maßstab lagen die Voraussetzungen für die vom Landgericht vorgenommene Berichtigung der Urteilsformel nicht vor. Die ausweislich der Sitzungsniederschrift mündlich verkündete Urteilsformel lässt einen offensichtlichen Fehler oder eine sonstige offensichtliche Unrichtigkeit nicht erkennen. Auch unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass ein bloßes und offensichtliches Verkündungsversehen vorlag. Bei den vom Landgericht in seinem Berichtigungsbeschluss angeführten Umständen, dass der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen auch in den abstrakten Anklagesatz der Anklageschrift schon nur versehentlich aufgenommen und von der Kammer zu keinem Zeitpunkt in Erwägung gezogen worden sei, sondern nur aufgrund eines Kopierfehlers in den mündlich verkündeten Urteilstenor aufgenommen wurde, handelt es sich nicht um solche Tatsachen, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage liegen, weshalb nicht von einem offensichtlichen Schreibfehler ausgegangen werden kann."
6b) Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 92 und 93 der Urteilsgründe hält hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Bewertung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte am (Fall 92 der Urteilsgründe) und am (Fall 93 der Urteilsgründe) im Besitz kinderpornographischer, im erstgenannten Fall auch jugendpornographischer Inhalte. Die Urteilsgründe lassen indessen nicht zweifelsfrei erkennen, dass sich der Angeklagte das am bei ihm aufgefundene Material nicht bereits vor der ersten Durchsuchung seiner Wohnung am verschaffte und sodann im Besitz hatte. In diesem Fall verbindet der gleichzeitige Besitz verschiedener Datenträger mit kinder- und jugendpornographischen Dateien – anders als bei hier nicht festgestellten selbständigen Verschaffungstaten – die Fälle 92 und 93 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Tat (vgl. , Rn. 3 mwN); die Sicherstellung einzelner Dateien führt nicht dazu, dass der fortdauernde Besitz der anderen Dateien als neue Tat zu qualifizieren wäre (vgl. , Rn. 3).
8c) Der Senat ändert in den Fällen 35 bis 48, 51 und 54 der Urteilsgründe sowie in den Fällen 92 und 93 der Urteilsgründe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch und fasst diesen wie aus der Beschlussformel ersichtlich neu. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Verhandlung Feststellungen getroffen werden können, die in den Fällen 92 und 93 der Urteilsgründe die Annahme tatmehrheitlicher Vergehen nach § 184b StGB tragen könnten. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
93. Der Rechtsfolgenausspruch hat weitgehend Bestand.
10a) Für die tateinheitlich zusammentreffenden Fälle 92 und 93 der Urteilsgründe verbleibt es bei der für Fall 92 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr. Diese ist zwar milder als die im Fall 93 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Das Landgericht hat die im Fall 93 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe indessen auf der Grundlage des § 184b Abs. 3 StGB in der Fassung vom gebildet, der noch einen Verbrechenstatbestand mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr normierte. Die Einzelstrafe für die bis zum währende Besitztat dürfte indessen nicht mehr dieser Fassung entnommen werden, weil der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte vom (BGBl. 2024 I, Nr. 213) ab dem die Strafdrohung auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren herabgesetzt hat (§ 2 Abs. 3 StGB iVm § 354a StPO). Der Senat lässt daher, um jede Beschwer des Angeklagten zu vermeiden, nicht die Einzelstrafe im Fall 92 der Urteilsgründe, sondern die Einzelstrafe im Fall 93 der Urteilsgründe entfallen. In Fall 92 der Urteilsgründe hat die Strafkammer die Strafe dem Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB in der Fassung vom entnommen, der Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsah und nicht nur gegenüber der Fassung vom , sondern auch gegenüber der jetzt geltenden Fassung milder ist. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer für das bis zum währende Dauerdelikt (vgl. , Rn. 3) auf der Grundlage des nunmehr geltenden und gegenüber dem im Fall 92 der Urteilsgründe angewandten Strafrahmen strengeren § 184b Abs. 3 StGB zu einer niedrigeren Einzelstrafe als zu der verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr gelangt wäre.
11b) Im Übrigen weisen der Rechtsfolgenausspruch und die Adhäsionsentscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere ist das Landgericht auch in den Fällen 35 bis 48, 51 und 54 der Urteilsgründe von einem zutreffenden Strafrahmen und weiterhin zutreffenden Strafzumessungserwägungen ausgegangen. Angesichts der zahlreichen verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht ohne die für Fall 93 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitstrafe von einem Jahr und zwei Monaten zu einer dem Angeklagten günstigeren Gesamtstrafe gekommen wäre oder von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hätte.
124. Der geringe Teilerfolg rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4, § 472a Abs. 2 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:160724B2STR412.23.0
Fundstelle(n):
YAAAJ-74639