BGH Urteil v. - VIa ZR 671/21

Instanzenzug: Az: 21 U 3542/21vorgehend LG Ingolstadt Az: 74 O 468/19

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Dezember 2017 einen von ihr hergestellten gebrauchten Audi A6 Avant 3.0 TDI mit einem V6-Dieselmotor (897evo) der Schadstoffklasse Euro 6.

2Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zuzüglich Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen, seine Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht, das einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht behandelt hat, hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - wie folgt begründet:

5Eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB komme nicht in Betracht, auch wenn zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werde, dass es sich bei dem im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten "Thermofenster" um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handele. Es fehle an einer sittenwidrigen Schädigung des Klägers. Weitere Abschalteinrichtungen habe der Kläger nicht prozessual erheblich behauptet.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht mögliche Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen eines fahrlässigen Verhaltens der Beklagten nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).

9Danach kann dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Das Berufungsgericht hätte die Berufung des Klägers bei richtiger rechtlicher Bewertung mithin nicht zurückweisen dürfen, ohne ihm Gelegenheit zu geben, den von ihm geltend gemachten Schaden im Sinne des Differenzschadens darzulegen.

III.

10Die Berufungsentscheidung ist (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grund­sätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.

C. Fischer                 Möhring                Götz

                Rensen               Vogt-Beheim

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:070824UVIAZR671.21.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-74152