Instanzenzug: LG Landshut Az: J KLs 404 Js 1171/22 jug
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Besitzes kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte in Tatmehrheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat infolge eines Verstoßes gegen seine Kognitionspflicht (§ 264 Abs. 1 StPO) das konkurrenzrechtliche Verhältnis der Fälle B. 1. und B. 2. der Urteilsgründe rechtsfehlerhaft bestimmt. Im Einzelnen:
3a) Die Strafkammer hat den zu Fall B. 2. der Urteilsgründe festgestellten Sachverhalt rechtlich nicht erschöpfend gewürdigt (§ 264 Abs. 1 StPO); denn es hat übersehen, dass der Angeklagte während des fortlaufenden Chatverkehrs mit dem 14-jährigen Geschädigten, den er tatsächlich für 13 Jahre alt hielt, auf diesen nicht nur durch entsprechendes Reden im Sinne des § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB einwirkte, sondern sich auch jugendpornographische Inhalte (Bilder, die eine jugendliche Person bei der Selbstbefriedigung zeigten) von ihm zusenden ließ. Nach zutreffender rechtlicher Würdigung hat sich der Angeklagte deshalb im Fall B. 2. der Urteilsgründe des versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt (§ 176a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Sich-Verschaffen jugendpornographischer Schriften (§ 184c Abs. 3 Alternative 2 StGB) strafbar gemacht.
4b) Zu Fall B. 1. der Urteilsgründe hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte am in seiner Wohnung eine immense Anzahl kinder- und jugendpornographischer Inhalte (Bilder und Videos), gespeichert auf verschiedenen Medien, aufbewahrte. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, namentlich der Beweiswürdigung, ist ferner zu entnehmen, dass der Angeklagte an diesem Tag auch die ihm durch den Geschädigten übersandten jugendpornographischen Inhalte noch besaß. Denn andernfalls wäre die Auswertung des Chats, aus dem sich die Übersendung dieser Inhalte ergeben hat (UA S. 9/10), nicht möglich gewesen.
5Der zeitgleiche Besitz der von dem Geschädigten übersandten jugendpornographischen Inhalte und von weiterem darüberhinausgehend gespeicherten verbotenen Material führt dazu, dass für eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen Besitzes kinder- bzw. jugendpornographischer Inhalte kein Raum mehr ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 301/23 Rn. 5 f. und vom – 4 StR 132/24 Rn. 5; jeweils mwN).
6Der „überdauernde“ Besitz (§ 184c Abs. 3 Alternative 3 StGB), der der Übersendung der Bilder durch den Geschädigten ohne neuen Tatentschluss nachfolgte und der an sich von der Tatvariante des Sich-Verschaffens (§ 184c Abs. 3 Alternative 2 StGB) als subsidiär verdrängt wird (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 180/18, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 2 Rn. 15 und vom – 3 StR 264/19 Rn. 14), überschnitt sich mit dem Besitz an den übrigen kinder- und jugendpornographischen Dateien jedenfalls am . Wegen dieser Teilidentität der Tatausführungen ist der Besitz an den übrigen Dateien nicht gesondert als tatmehrheitlich begangen zu ahnden. Da in Bezug auf diese Dateien sich die Verschaffungsvorgänge nicht zu tragfähigen Feststellungen konkretisieren lassen, lässt sich Tatmehrheit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht begründen (vgl. dazu Rn. 23 mwN).
7Der Angeklagte hat sich damit des versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit Sich-Verschaffen jugendpornographischer Inhalte und mit Besitz kinderpornographischer Inhalte sowie mit Besitz jugendpornographischer Inhalte strafbar gemacht.
82. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen. Denn es ist auszuschließen, dass sich der Angeklagte hiergegen wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
93. Der Strafausspruch unterliegt ungeachtet dessen, dass sich eine abweichende Bewertung der Konkurrenzen regelmäßig nicht auf den Unrechts- und Schuldgehalt auswirkt (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 497/23 Rn. 8; vom – 6 StR 600/23 Rn. 4 und vom – 3 StR 120/23 Rn. 19; je mwN), der Aufhebung. Denn das Landgericht ist bei seiner Strafzumessung im Fall B. 1. der Urteilsgründe von dem bisherigen Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB von einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Durch das am in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte vom (BGBl. I 2024 Nr. 213) hat der Gesetzgeber die Mindeststrafe in § 184b Abs. 3 StGB von einem Jahr auf drei Monate Freiheitsstrafe reduziert. Nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO ist damit diese für den Angeklagten günstigere Gesetzesfassung anzuwenden.
104. Von der Aufhebung nicht betroffen sind die rechtsfehlerfreien Feststellungen, die bestehen bleiben können (§ 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht kann weitere den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
Jäger Wimmer Leplow
Munk Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:240724B1STR245.24.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-74074