Instanzenzug: LG Aachen Az: 64 KLs 901 Js 26/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen „Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht tateinheitlich zusammenfallenden Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,“ zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, den Angeklagten N. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen „unerlaubten Handeltreiben“ mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum bandenmäßigen „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier tateinheitlich zusammenfallenden Fällen sowie wegen „unerlaubten Handeltreibens“ mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen.
2Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen; der Angeklagte R. macht außerdem ein Verfahrenshindernis geltend. Die Rechtsmittel führen jeweils mit der Sachrüge zu den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderungen der Schuldsprüche sowie zur Aufhebung der Strafaussprüche; im Übrigen sind sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
3Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
41. Der Nichtrevident A. und der anderweitig Verfolgte K. kamen überein, mit Beteiligung der Angeklagten R. und N. Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 10% Tetrahydrocannabinol in großem Stil aus Spanien zu exportieren, um dieses unter anderem in Deutschland gewinnbringend zu veräußern. Dem Angeklagten R. kam dabei die Aufgabe zu, durch von ihm beauftragte gutgläubige Speditionen Kassiber mit dem darin versteckten Bargeld nach Spanien und sodann mit darin verstecktem Marihuana zurück nach Deutschland transportieren zu lassen. Für diese von Deutschland aus geleistete Mitwirkung erhielt er eine „Entlohnung von 30.000 € je Transport“.
52. In Umsetzung dieses Tatplans war der Angeklagte R. an acht vom Landgericht im Einzelnen festgestellten Fällen beteiligt, in denen Marihuana im Umfang zwischen 75 und 180 Kilogramm und die jeweiligen Erlöse der vorherigen Lieferung von bzw. nach Spanien verbracht wurden (Fälle II.1 bis II.8 der Urteilsgründe). In den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe wurde das Marihuana nach Deutschland geliefert, in den weiteren sechs Fällen erfolgte der Transport nach S. in den Niederlanden; eine Einfuhr nach Deutschland konnte nicht festgestellt werden.
63. Der Angeklagte N. war in den Fällen II.2 und II.5 bis II.8 der Urteilsgründe am Entladen der Betäubungsmittel und deren anschließender Auslieferung an die Abnehmer beteiligt, wobei er auch den mit diesen vereinbarten Kaufpreis entgegennahm. Hiervon unabhängig verfügte er am über zum gewinnbringenden Verkauf bestimmte 818 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 136 Gramm Tetrahydrocannabinol (Fall II.18 der Urteilsgründe).
74. Die Strafkammer hat das Handeln des Nichtrevidenten A. in den Fällen II.1 bis II.8 der Urteilsgründe als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht wegen teilidentischer Ausführungshandlungen tateinheitlich zusammenfallenden Fällen gewertet. Hierzu habe der Angeklagte R. Beihilfe in acht tateinheitlich zusammenfallenden Fällen geleistet, wobei er sich hierzu tateinheitlich in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe der bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitten in nicht geringer Menge schuldig gemacht habe. Der Angeklagte N. habe sich im Fall II.2 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben in nicht geringer Menge, in den Fällen II.5 bis II.8 wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben in nicht geringer Menge in vier tateinheitlich zusammenfallenden Fällen strafbar gemacht.
II.
8Die auf die Sachrügen veranlasste Nachprüfung des Urteils führt hinsichtlich beider Angeklagter zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung der Schuldsprüche. Da sich die Verurteilung der Angeklagten wegen Einfuhr und Handeltreiben bzw. Beihilfe hierzu in allen Fällen auf Marihuana bezieht, hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO die seit dem geltende Strafvorschrift des § 34 KCanG als im konkreten Fall milderes Gesetz zur Anwendung zu bringen. Zudem bedarf die konkurrenzrechtliche Bewertung der Korrektur. Dies zieht die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich.
91. Das vom Angeklagten R. geltend gemachte Verfahrenshindernis eines Verstoßes gegen § 32b Abs. 3 Satz 2 StPO bei Anklageerhebung besteht aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts nicht.
102. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte R. in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe der bandenmäßigen Einfuhr von Cannabis in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in zwei Fällen sowie in den Fällen II.3 bis II.8 der Urteilsgründe der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in sechs tateinheitlichen Fällen schuldig.
11Die Annahme des Landgerichts, dass die in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe täterschaftlich begangenen bandenmäßigen Einfuhrtaten des Angeklagten in Tateinheit zu den als Gehilfe begangenen Beihilfehandlungen stehen, kann keinen Bestand haben. Treffen eine einheitliche Beihilfetat und mehrere Einfuhrtaten zusammen, ist die Beihilfetat als minder schweres Delikt nicht geeignet, die zugrundeliegenden Einfuhrhandlungen zu einer Tat zu verbinden (vgl. , BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 13; a.A. noch , NStZ-RR 2013, 147, 148 und Beschluss vom – 4 StR 377/14, NStZ 2015, 226, aufgegeben mit Beschluss vom – 4 StR 126/19 Rn. 7).
12Die bandenmäßige Einfuhr von Cannabis in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe tritt daher jeweils tatmehrheitlich neben die Beihilfetat in den Fällen II.3 bis II.8 der Urteilsgründe. Sie steht zudem in Tateinheit mit den weiteren Beihilfehandlungen zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis. Zwar verbindet der Tatbestand des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis – wie auch im Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes – alle im Rahmen desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung einschließlich der Einfuhr zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 627/14, NStZ 2015, 589 mwN; vom – 4 StR 523/19; zur neuen Rechtslage ). Indes kommt der täterschaftlichen bandenmäßigen Einfuhr von Cannabis neben der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis ein eigener Unrechtsgehalt zu, so dass Tateinheit anzunehmen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 50/03; vom – 4 StR 523/19 Rn. 4; vgl. auch , BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 1; siehe auch Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, BtMG, 10. Aufl., BtMG § 30a Rn. 24).
13Diese zu § 30a Abs. 1 BtMG entwickelten Grundsätze beanspruchen im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG weiterhin Geltung. Der Gesetzgeber hat die Tathandlungen nach § 34 Abs. 1 KCanG ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG beschriebenen Tathandlung des „Handeltreibens“ hat der Gesetzgeber darüber hinaus – und ungeachtet der gegen eine weite Auslegung des Begriffs geäußerten Kritik (vgl. Nachweise bei Weber/Kornprobst/Maier/Weber, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 173 ff.) – auf die hierzu ergangene Rechtsprechung ausdrücklich Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94), so dass die zu den in §§ 29 ff. BtMG unter Strafe gestellten Handlungsformen entwickelten Grundsätze auf § 34 KCanG zu übertragen sind.
143. Das festgestellte Tatgeschehen in den Fällen II.2 und II.5 bis II. 8 der Urteilsgründe ist hinsichtlich des Angeklagten N. als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in fünf tateinheitlichen Fällen zu werten (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG). Entgegen der Annahme des Landgerichts stehen diese Fälle zueinander in Tateinheit und sind so auszuurteilen, ohne dass deshalb ein Teilfreispruch veranlasst ist (vgl. ).
15a) Das Landgericht hat die Handlungen des Nichtrevidenten in den Fällen II.1 bis II.8 der Urteilsgründe – nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht rechtsfehlerfrei als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewürdigt – zutreffend als zueinander in Tateinheit stehend bewertet (zu §§ 29 ff. BtMG vgl. BGH, Beschlüsse vom – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1; vom – 3 StR 88/17, NStZ-RR 2018, 351; vom – 3 StR 448/18, NStZ-RR 2019, 250; vom – 1 StR 570/19, NStZ 2020, 228; vom – 3 StR 378/22, NStZ-RR 2023, 78). Die konkurrenzrechtliche Bewertung nach dem Konsumcannabisgesetz führt zu keinem anderen Ergebnis.
16b) Sie muss gleichermaßen für die Beihilfehandlungen des Angeklagten N. gelten. Sind an mehreren Taten mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, zwar für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom − 1 StR 267/19, NStZ 2020, 403; vom – 4 StR 23/20). Ob bei einem Gehilfen Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen ist, hängt grundsätzlich sowohl von der Anzahl der Beihilfehandlungen als auch von der Zahl der geförderten Haupttaten ab (vgl. − 1 StR 267/19, NStZ 2020, 403). Wegen der Akzessorietät der Beihilfe gilt jedoch, dass dann, wenn mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen dieselbe Haupttat fördern, die Beihilfehandlungen zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden (vgl. ). Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der Haupttat um mehrere Taten handelt, die ihrerseits wiederum im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 440/14, NStZ-RR 2015, 113; vom – 3 StR 65/19; vom – 1 StR 106/22). Diese in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze beanspruchen auch im Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes Geltung.
174. In Fall II.18 der Urteilsgründe ist der Angeklagte N. überdies des Handeltreibens mit Cannabis schuldig (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr.4 KCanG).
185. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Dem stehen weder das Verschlechterungsverbot (vgl. ‒ 2 StR 225/23 Rn. 61) noch § 265 Abs. 1 StPO entgegen. Die Angeklagten hätten sich nicht erfolgreicher als geschehen verteidigen können.
19Der Aufnahme des Zusatzes „nicht geringe Menge“ in die Urteilsformel bedarf es nicht, da sich die bandenmäßige Begehungsweise nur noch auf die nicht geringe Menge bezieht ( Rn.11). Da das Überschreiten der nicht geringen Menge nunmehr als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles ausgestaltet ist, ist dies zu Fall. II.18 der Urteilsgründe nicht in die Urteilsformel aufzunehmen.
206. Die Strafaussprüche bezüglich beider Angeklagter können keinen Bestand haben.
21Hinsichtlich des Angeklagten N. gerät die niedrigere Einzelstrafe in Fall II.2 der Urteilsgründe schon aufgrund der tateinheitlichen Verknüpfung mit den Fällen II.5 bis II.8 der Urteilsgründe in Wegfall (vgl. , Rn. 3 a.E.). Im Übrigen zwingt die Rechtsänderung zum zu einer Aufhebung sämtlicher Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Tatgericht bei der nunmehr gebotenen Anwendung des milderen Strafrahmens des Konsumcannabisgesetzes zu geringeren Einzel- und Gesamtstrafen gelangt wäre.
22Die zur Schuldspruchkorrektur führenden Umstände berühren nicht die den Strafaussprüchen jeweils zugrundeliegenden Feststellungen. Diese sind auch im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).
III.
23Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Einer Erstreckung der Entscheidung auf den Nichtrevidenten (§ 357 StPO) bedarf es nicht (vgl. , BGHSt 20, 77; Beschluss vom – 5 StR 535/02; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 357 Rn. 9).
24Mit Bezug auf den Angeklagten R. erfordert – unter Beachtung des § 358 Abs. 2 StPO – die Abänderung des Schuldspruchs dahin, dass die Fälle II.1 und II.2 der Urteilsgründe tatmehrheitlich begangen sind, die Festsetzung weiterer Einzelstrafen durch das Tatgericht (vgl. , NJW 1952, 274; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 354 Rn. 22). Dem Verschlechterungsverbot wird dabei Genüge getan sein, wenn die frühere einheitliche Strafe weder von einer der neuen Einzelstrafen noch von der hieraus zu bildenden Gesamtstrafe überschritten wird (vgl. KK–StPO/Gericke, StPO, 9. Aufl, § 358 Rn. 30).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180624B2STR522.23.0
Fundstelle(n):
FAAAJ-73977