Unterbringung in psychiatrischem Krankenhaus bei latenter Psychose und Alkoholintoxikation
Gesetze: § 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB, § 126a StPO
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/21 Ks 15/22
Gründe
1Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Revision des Beschuldigten. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg.
21. Das Landgericht stützt die Annahme einer erheblich verminderten und nicht ausschließbar angehobenen Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei Begehung der Körperverletzungstat auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, wonach diese sich „aufgrund eines Zusammenspiels der aufgrund der latenten Psychose bestehenden psychotischen Gereiztheit und der Alkoholintoxikation“ ergebe. Auf der Grundlage der Darlegungen des psychiatrischen Sachverständigen ist die Strafkammer im Rahmen ihrer Erwägungen zur Unterbringungsanordnung davon ausgegangen, dass die „psychotische Gereiztheit eine zentrale Rolle gespielt“ habe, wofür der „Charakter der Tat (spreche), nämlich der Stoß ins Gleisbett, der gegen einen lediglich alkoholbedingten Konflikt zwischen Angetrunkenen spreche. Der Beschuldigte habe sich aufgrund seiner Erkrankung in einem Zustand der psychotischen Gereiztheit befunden, die durch die Alkoholintoxikation verstärkt gewesen sei“.
32. Diese Ausführungen belegen nicht die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB.
4a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Dieser Zustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ-RR 2017, 203, 204 mwN). Grundsätzlich verbietet sich daher die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn der Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch einen solchen länger andauernden Defekt, sondern erst durch einen aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere von Alkohol, herbeigeführt worden ist. In solchen Fällen kommt die Unterbringung nach § 63 StGB aber ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defekts alkoholsüchtig ist, der – ohne pathologisch zu sein – in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. , BGHSt 44, 338, 339 mwN; Beschluss vom – 2 StR 430/06, NStZ-RR 2007, 73). Ein Zustand im Sinne des § 63 StGB liegt ferner dann vor, wenn der Täter an einer länger dauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. , NJW 2016, 341 f.; Beschlüsse vom – 4 StR 161/16, StV 2017, 588, 589 und vom – 4 StR 242/17, juris Rn. 5), wenn tragender Grund seines Zustands mithin die länger andauernde geistig-seelische Störung und die Alkoholisierung lediglich der auslösende Faktor war und ist (vgl. , aaO, mwN).
5b) Das Urteil wird diesen Maßstäben nicht gerecht. Das Landgericht hat nicht tragfähig ausgeschlossen, dass die erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung erst durch ein Zusammenwirken des psychischen Defektzustands des Beschuldigten mit der im Tatzeitpunkt hinzutretenden alkoholischen Beeinflussung von maximal 2,39 Promille herbeigeführt worden ist. Eine krankhafte Alkoholsucht des Beschuldigten hat es ausdrücklich ausgeschlossen.
63. Die Sache bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird sich – soweit erforderlich – eingehender als bislang geschehen im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose insbesondere mit der Entwicklung des Beschuldigten seit seiner in dieser Sache am angeordneten einstweiligen Unterbringung (§ 126a StPO) zu befassen haben, während derer er ohne Einnahme antipsychotischer Medikation keinen Regelverstoß beging.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:050624B2STR508.23.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-73975