Instanzenzug: Az: 101 KLs 5/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zum Einschleusen von Ausländern in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; insoweit ist es – in tenoriertem Umfang – gemäß § 357 StPO auf die Nichtrevidenten zu erstrecken. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3Die Mitangeklagte H. , die beim Ausländeramt der Stadt K. arbeitete und dort unter anderem befugt war, Reiseausweise und Fiktionsbescheinigungen für Ausländer auszustellen, der Mitangeklagte D. und der gesondert Verfolgte A. , der „im Ausland“ Reisebüros betrieb und zu einem Schleusernetz gehörte, schlossen sich im Jahr 2022 zusammen, um gegen Entgelt syrischen Staatsangehörigen die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland unter Verwendung gefälschter Reisedokumente zu ermöglichen. Ihr Ziel war es, sich durch die Organisation und Durchführung von Schleusungen eine Einnahmequelle von nicht unerheblichem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen.
4Im Januar 2022 bestärkte der Angeklagte den D. in dessen Entschluss, eine Tante des Angeklagten unerlaubt in das Bundesgebiet zu schleusen (Fall 2 der Anklageschrift).
5Im Mai 2022 planten D. , H. und A. im Auftrag des Angeklagten gegen Entgelt die Einschleusung der Mutter des Angeklagten Al. von der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland. Al. sollte unter Verwendung eines von H. erstellten Reiseausweises für Ausländer, der mit den Personalien der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Mutter des D. und einem Passbild der Al. versehen war, mit dem Flugzeug von I. nach B. und von dort weiter in das Bundesgebiet reisen. Zu einer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland kam es nicht, weil türkische Polizeibeamte die Mutter des Angeklagten in I. festnahmen (Fall 20 der Anklageschrift).
6Auf Veranlassung des Angeklagten schleusten D. , H. und A. im Juli 2022 die Schwester (Fall 24 der Anklageschrift) und die Mutter (Fall 25 der Anklageschrift) des Angeklagten unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zu diesem Zweck statteten sie die Frauen mit von H. hergestellten Reiseausweisen für Ausländer aus. Am reisten beide unter Verwendung dieser Reisedokumente von I. nach K. . Nach ihrer Ankunft stellten die Frauen, die von dem Angeklagten in Empfang genommen wurden, Asylanträge.
7 beurteilt. Im Fall 2 der Anklageschrift hat es den Angeklagten wegen Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern verurteilt und eine Einzelstrafe von drei Monaten verhängt. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, es habe „bei Bestimmung der Einzelstrafe […] versehentlich nicht bedacht, dass eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten“ nur unter den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB verhängt werde. Diese Voraussetzungen lägen „hier nicht vor, insbesondere da es sich insoweit um die erste strafrechtliche Verurteilung des nicht vorbestraften Angeklagten“ handele. In diesem Fall habe es – so das Landgericht – „richtigerweise auf eine Geldstrafe erkennen müssen und – wäre dies nicht übersehen worden – auch erkannt; eine solche wäre in Höhe von 90 Tagessätzen“ zu 10 Euro „tat- und schuldangemessen gewesen“.
82. Dies hält in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
9a) Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle 20, 24 und 25 der Anklageschrift ist durchgreifend rechtsfehlerhaft.
10––––Nach dem Fehlschlag des Versuchs der Einschleusung der Mutter des Angeklagten im Mai 2022 verbanden weder die „Aufrechterhaltung“ des Auftrags noch die „Fortdauer der Motivlage“ die Fälle 20 und 25 der Anklageschrift zu einer Tat. ––
11Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der für die Tat im Mai 2022 (Fall 20 der Anklageschrift) verhängten Einzelstrafe, weil der Angeklagte insoweit durch die fehlerhafte konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts beschwert ist.
12Die Strafzumessung im Fall 2 der Anklageschrift hat ebenfalls keinen Bestand. –Die in den Urteilsgründen mitgeteilte Erwägung, richtigerweise wäre auf eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu 10 Euro zu erkennen gewesen, –
13c) Der Wegfall der Einzelstrafen zieht den Wegfall der Gesamtstrafe nach sich. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
143. Gemäß § 357 StPO ist die Schuldspruchänderung im Fall 20 der Anklageschrift wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich auf die nicht revidierenden Mitangeklagten D. und H. zu erstrecken, weil das Landgericht aufgrund der fehlerhaften konkurrenzrechtlichen Bewertung auch bei diesen rechtsfehlerhaft von einer vollendeten Tat ausgegangen ist. Soweit es den Nichtrevidenten D. betrifft, war der Schuldspruch zudem auch dahingehend klarzustellen, dass dieser auf Grundlage der Feststellungen nicht nur wegen bandenmäßigen, sondern wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern schuldig ist. Dass die Aufhebung des Strafausspruchs wegen einer Änderung der Konkurrenzverhältnisse zugleich den Schuldspruch verschlechtert, steht einer Erstreckung nicht entgegen (vgl. , juris Rn. 13; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 357 Rn. 6). Die Schuldspruchänderung zieht jeweils die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall 20 der Anklageschrift sowie den Ausspruch über die Gesamtstrafe nach sich. Die gegen den Nichtrevidenten D. für die Fälle 26/27, 29, 31/32, 36 der Anklageschrift gebildete Gesamtstrafe in Höhe von zwei Jahren und zwei Monaten bleibt von dem Rechtsfehler unberührt, so dass lediglich die Gesamtstrafe in Höhe von zwei Jahren und sieben Monaten in Wegfall gerät. Der Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht, da diese nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht mit den bisherigen in Widerspruch stehen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:060624B2STR50.24.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-73966