BGH Urteil v. - VIa ZR 1552/22

Instanzenzug: Az: 15 U 695/22vorgehend Az: 1 O 142/20

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Die Klägerin kaufte am von der Beklagten einen von dieser hergestellten neuen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Den Kaufpreis finanzierte sie teilweise über ein Darlehen. In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" abhängig von der Außentemperatur reduziert. Das Fahrzeug verfügte über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR), die vom Kraftfahrt-Bundesamt beanstandet wurde. Die Beklagte entwickelte ein Software-Update, das auf das Fahrzeug der Klägerin aufgespielt wurde.

3Die Klägerin hat die Beklagte unter den Gesichtspunkten des gewährleistungsrechtlich gerechtfertigten Rücktritts vom Kaufvertrag und ihrer deliktischen Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Sie hat zuletzt den Ersatz der im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung des Fahrzeugs geleisteten Zahlungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Verzugszinsen seit dem Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1) sowie die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits begehrt, soweit der Antrag zu 1 ursprünglich auf die Zahlung eines um 969,03 € höheren Betrags und von Deliktszinsen gerichtet war (Berufungsantrag zu 4). Ferner hat sie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 2) sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen (Berufungsantrag zu 3) verlangt.

4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang mit der Maßgabe weiter, dass sie Verzugszinsen seit dem geltend macht.

Gründe

5Die Revision der Klägerin hat weitgehend Erfolg.

6Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

7Ein Anspruch der Klägerin ergebe sich nicht aus §§ 826, 31 BGB, selbst wenn man das Thermofenster in seiner konkreten Konfiguration und die KSR als unzulässige Abschalteinrichtungen ansehen wollte. Die Klägerin habe weder tatsächliche Anhaltspunkte für die Prüfstandsbezogenheit der Einrichtungen aufgezeigt noch sonstige Umstände dargelegt, die das Vorgehen der Beklagten als sittenwidrig erscheinen ließen. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV scheitere daran, dass das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich der Vorschriften der EG-FGV liege.

II.

8Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

91. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

102. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).

11Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

12Verzugszinsen vom bis zum begehrt hat.  März 2020

IV.

13Im Übrigen ist der angefochtene Beschluss in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

14die erforderlichen

C. Fischer                Krüger                  Götz

                Wille               Vogt-Beheim

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:200824UVIAZR1552.22.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-73841