BGH Urteil v. - VIa ZR 929/23

Gesetze: § 823 Abs 2 BGB, § 826 Abs 1 BGB, § 322 Abs 1 ZPO, § 325 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Az: I-6 U 147/22vorgehend Az: 312 O 135/21

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger erwarb im Jahr 2013 einen Gebrauchtwagen des Typs Audi A4 mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189. Später verkaufte er das Fahrzeug an einen Dritten.

3Im Jahr 2018 trat der Kläger seine Ansprüche gegen die Beklagte im Zu­sammenhang mit der Betroffenheit des Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal treuhänderisch an die financialright GmbH (im Folgenden: Inkassodienstleister) zum Zwecke der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung ab. Der Inkassodienstleister erhob im Jahr 2018 beim Landgericht Ingolstadt eine "Sammelklage" (im Folgenden: Vorprozess) gegen die Beklagte, mit der er unter anderen auch die vom Kläger abgetretenen Ansprüche geltend machte. Die Klage wurde im August 2020 abgewiesen, wogegen der Inkassodienstleister Berufung einlegte. Im Oktober 2020 wurden die abgetretenen Ansprüche an den Kläger zurückabgetreten. Im Mai 2021 nahm der Inkassodienstleister die Berufung hinsichtlich der Ansprüche des Klägers zurück.

4Im vorliegenden Verfahren nimmt der Kläger die Beklagte auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Weiterverkaufserlöses und einer Nutzungsentschädigung (Antrag zu 1) sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 2) in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

5Die unbeschränkt zugelassene

I.

6Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:

7Einer Entscheidung über die Klage stehe die Rechtskraft des im Vorprozess zwischen dem Inkassodienstleister und der Beklagten ergangenen Urteils des Landgerichts Ingolstadt nicht entgegen. Die Beklagte verkenne die subjektiven Grenzen der Rechtskraft. Ihre Rechtsauffassung zur Unwirksamkeit der Abtretung zugrunde gelegt, hätte die erforderliche Einzelrechtsnachfolge des Klägers nicht stattgefunden. Über das Bestehen des Anspruchs habe das Landgericht Ingolstadt im Übrigen gar nicht entschieden. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu.

8Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung im Revisionsverfahren nicht stand. Die Klage ist im Hinblick auf den Antrag zu 1 bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.

9bzüglich des Weiterverkaufserlöses und einer Nutzungsentschädigung

11Wird die Beklagte - wie hier - zunächst aus abgetretenem Recht in Anspruch genommen und sodann, nach Rückabtretung des Anspruchs vom ursprünglichen Zedenten, mit im Übrigen identischer rechtlicher Begründung erneut verklagt, betreffen beide Klagen denselben Streitgegenstand (vgl. , MDR 2021, 446 Rn. 20 ff.).

12­­ 

13bb) Nach diesen Grundsätzen betreffen der Vorprozess und der jetzige Antrag zu 1 denselben Streitgegenstand. Der Inkassodienstleister hat im Vorprozess aus treuhänderisch abgetretenem Recht den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Kaufpreiserstattung aus dem Erwerb des mit einem Motor des Typs EA 189 ausgerüsteten und vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs geltend gemacht. Der Kläger stützt die jetzige gegen die Beklagte gerichtete Klage im Hinblick auf den Antrag zu 1 nach erfolgter Rückabtretung mit demselben Klageziel auf denselben Lebenssachverhalt, sodass der Streitgegenstand identisch ist (vgl. , MDR 2021, 446 Rn. 20 f.).

14des Weiterverkaufserlöses und

17Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Landgericht Ingolstadt eine Beschränkung der mündlichen Verhandlung nach § 146 ZPO auf die Frage der Aktivlegitimation angeordnet und nur hierüber in der mündlichen Verhandlung verhandelt hat, weil sich dem auf die mündliche Verhandlung ergangenen Urteil weder im Tenor noch in den Gründen eine Beschränkung der Klageabweisung als derzeit unbegründet mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lässt, auch nicht im Wege der Auslegung. Denn dafür reicht es nicht aus, dass das Gericht die Klage ausschließlich mit der Begründung der fehlenden Aktivlegitimation abgewiesen hat.

18d) Die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Ingolstadt wirkt nach § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den Kläger, da er nach Rechtshängigkeit der Klage im Vorprozess infolge der Rückabtretung der Ansprüche Rechtsnachfolger des Inkassodienstleisters geworden ist.

19Aus der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Ingolstadt im Vorprozess ergibt sich insoweit nichts anderes, weil die Feststellungen zur fehlenden Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters als bloße Urteilselemente an der Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nicht teilnehmen.

20Die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Ingolstadt im Vorprozess nach § 322 Abs. 1, § 325 Abs. 1 ZPO steht auch der Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten (Antrag zu 2) entgegen. Entsprechendes gilt für eventuelle Restschadensersatzansprüche des Klägers aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB oder § 823 Abs. 2, § 852 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV (vgl.  VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 19 mwN).

21Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und danach die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

                                                 

                                            

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:070824UVIAZR929.23.0

Fundstelle(n):
ZIP 2024 S. 2128 Nr. 37
ZIP 2024 S. 2129 Nr. 37
SAAAJ-73789