Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 1 KLs 14/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten A. K. wegen „bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen die zwei nichtrevidierenden Mitangeklagten hat die Strafkammer gleichfalls wegen Betäubungsmitteldelikten Gesamtfreiheitsstrafen verhängt. Zudem hat das Landgericht gegen die drei Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 23.450 € und gegen den Beschwerdeführer die Einziehung eines E-Bike R004 Gulf Racing sowie eines Pkw Mercedes-Benz E Coupe nebst Fahrzeugpapieren und Schlüsseln angeordnet. Weitere Einziehungsentscheidungen betreffen allein die Nichtrevidenten.
2Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte A. K. mit seiner auf die ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Hinsichtlich der vorgenannten Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist die Aufhebung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die Mitangeklagten zu erstrecken.
I.
3Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen schlossen sich der Beschwerdeführer und die beiden Nichtrevidenten zusammen, um gemeinschaftlich für unbestimmte Zeit in größerem Umfang mit Kokain Handel zu treiben und sich so eine fortdauernde Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu verschaffen. Entsprechend dieser Abrede erwarben sie wiederholt in B. größere Mengen Kokain und verkauften dieses mit Gewinn in Kleinmengen an etliche Drogenkonsumenten im Raum O. . Der Angeklagte A. K. nutzte für die Auslieferung von Teilen des Rauschgifts an Abnehmer sein eingezogenes E-Bike und seinen eingezogenen Pkw Mercedes-Benz.
4Die Strafkammer hat fünf Taten festgestellt, an denen der Angeklagte A. K. - nebst den beiden Nichtrevidenten - beteiligt war: Am erwarben er und die Mitangeklagten 70 Gramm Kokain mit einer Gesamtwirkstoffmenge von jedenfalls 49 Gramm Kokainhydrochlorid (KHCl), am 100 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von wenigstens 70 Gramm KHCl, am 65 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von jedenfalls 45,5 Gramm KHCl und Ende November 2022 mindestens 50 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von zumindest 35 Gramm KHCl. Schließlich kauften sie Ende Dezember 2022 erneut mindestens 50 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von jedenfalls 35 Gramm KHCl. Das erworbene Kokain wurde jeweils vor Entgegennahme einer neuen Lieferung für mindestens 70 € pro Gramm verkauft. Die Abverkäufe aus den gemeinsam erworbenen, portionierten und vorrätig gehaltenen Rauschgiftmengen nahmen die drei Angeklagten einzeln jeweils auf eigene Rechnung vor, wenngleich in enger Absprache und Kooperation - etwa in Gestalt der gemeinschaftlichen Verwendung nur eines Mobiltelefons zur Entgegennahme von Bestellungen - ein gemeinsamer Kundenstamm bedient wurde. Jeder Angeklagte vereinnahmte die von ihm erzielten Verkaufserlöse für sich, beteiligte sich aber entsprechend dem eigenen Verkaufsanteil an den Kosten für die Rauschgiftbeschaffung.
II.
51. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Revisionsführers ergeben.
62. Dagegen halten die ihn betreffenden Einziehungsentscheidungen der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand.
7a) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 23.450 € gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB weist einen durchgreifenden Rechtsmangel zu seinen Ungunsten auf.
8Die Strafkammer hat ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt, dass der Angeklagte A. K. und die beiden Nichtrevidenten im Rahmen der fünf Taten insgesamt 335 Gramm Kokain für mindestens 70 € pro Gramm verkauften, mithin ein Gesamterlös in Höhe des Einziehungsbetrages erlangt wurde. Eine Anordnung der Einziehung von Taterträgen beziehungsweise des Wertes von Taterträgen gegen einen Tatbeteiligten ist jedoch in Bezug auf einen Taterlös nur insoweit statthaft, als der Vermögenswert dem Beteiligten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zufloss, dass er dessen faktischer Verfügungsgewalt unterlag, und sei es nur vorübergehend. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist, der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen konnte (st. Rspr.; vgl. , NStZ-RR 2022, 339; Beschlüsse vom - 3 StR 381/21, NStZ-RR 2022, 109; vom - 3 StR 58/21, juris Rn. 9; Urteil vom - 2 StR 46/20, NStZ 2021, 221 Rn. 14). Bargeld erlangt ein Tatbeteiligter mithin dann, wenn er die tatsächliche Möglichkeit erhält, darüber zu verfügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 6 StR 157/23, juris Rn. 7; vom - 3 StR 58/21, juris Rn. 9; Urteil vom - 1 StR 127/03, NStZ 2004, 440).
9Nach den getroffenen Feststellungen veräußerte indes jeder der drei Angeklagten Rauschgift aus den gemeinsam erworbenen und bevorrateten Verkaufsmengen auf eigene Rechnung und vereinnahmte die von ihm erzielten Erlöse für sich. Ausweislich der Urteilsgründe wurden weder die Einnahmen zusammengeführt, noch erhielten der Angeklagte und die beiden Mitangeklagten zu irgendeinem Zeitpunkt jeder in voller Höhe Zugriff auf die Erlöse.
10Rechtlich ohne Belang ist demgegenüber - anders als das Landgericht angenommen hat -, dass jeder Angeklagte zumindest zeitweilig Mitverfügungsgewalt über das gesamte tatgegenständliche Kokain besaß und dieses einen Wert zumindest in Höhe des Verkaufserlöses hatte. Denn Tatertrag und damit Bezugsgegenstand der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB ist bei Betäubungsmittelgeschäften nicht das gehandelte Rauschgift - dieses ist allein Tatobjekt im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB -, sondern das durch dessen Verkauf erlangte Entgelt.
11Über die Wertersatzeinziehung ist daher erneut zu befinden, wobei der vom jeweiligen Angeklagten in eigener Person tatsächlich vereinnahmte Verkaufserlös zu bestimmen ist; nur in dessen Höhe kommt die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Betracht.
12Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft nicht nur den Revisionsführer, sondern in gleicher Weise die beiden Mitangeklagten. Daher ist die Urteilsaufhebung, soweit es die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 23.450 € anbelangt, gemäß § 357 Satz 1 StPO auf diese zu erstrecken (vgl. , juris Rn. 13; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 357 StPO Rn. 28 mwN).
13b) Die Anordnung der Einziehung eines E-Bike und eines Pkw Mercedes-Benz des Angeklagten A. K. hat gleichfalls keinen Bestand. Auch insofern bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.
14aa) Zwar lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend entnehmen, dass beide Einziehungsobjekte vom Revisionsführer dazu verwendet wurden, bei zumindest einem Teil der ihn betreffenden urteilsgegenständlichen Taten Betäubungsmittel an Abnehmer auszuliefern, so dass sie Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Variante 2 StGB waren. Auch belegen die Urteilsgründe tragfähig, dass das Fahrrad und der Pkw sein Eigentum sind. Die Einziehung von Tatmitteln steht jedoch, wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, im Ermessen des Gerichts. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die nicht vorgeschriebene Einziehung nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde (§ 74f Abs. 1 Satz 1 StGB). Den Urteilsgründen muss daher grundsätzlich, jedenfalls aber bei höherwertigen Gegenständen, zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst gewesen ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens maßgebend gewesen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 321/23, NStZ-RR 2014, 15; vom - 3 StR 128/22, juris Rn. 4; vom - 3 StR 415/21, juris Rn. 6; vom - 2 StR 44/20, juris Rn. 11). Dies gilt unabhängig von der rechtlichen Notwendigkeit, die Einziehung im Eigentum eines Angeklagten stehender Tatmittel von nicht unerheblichem Wert bei der Strafzumessung erkennbar zu seinen Gunsten zu berücksichtigen (s. hierzu BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 321/21, juris Rn. 4; vom - 4 StR 523/20, juris Rn. 10; vom - 3 StR 8/18, NStZ 2018, 526).
15Hieran fehlt es vorliegend. Die Begründung der Entscheidung über die Einziehung des Fahrrades und Pkw beschränkt sich darauf, die Eigentümerstellung des Angeklagten A. K. zu belegen; eine Ermessensausübung enthält sie nicht.
16Die damit notwendige Aufhebung dieser Einziehungsanordnung berührt den Strafausspruch nicht. Denn das Landgericht hat die Einziehung der Gegenstände im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich zugunsten des Revisionsführers berücksichtigt. Selbst bei einem Wegfall der Einziehung im zweiten Rechtsgang käme eine Erhöhung der Strafe wegen des Verbots der Schlechterstellung nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 128/22, juris Rn. 6; vom - 3 StR 415/21, juris Rn. 8).
17bb) Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts ist die Aufhebung der Tatmitteleinziehung nicht gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten Ö. K. zu erstrecken, zu dessen Nachteil gleich-falls ein - von diesem bei den vorgenannten Taten, aber auch einer weiteren, den Angeklagten A. K. nicht betreffenden Tat als Tatmittel genutztes - (anderes) Kraftfahrzeug ohne erkennbare Ermessensausübung eingezogen worden ist. Denn insofern liegt kein gleichgelagerter Rechtsfehler vor, weil die Notwendigkeit einer Darlegung der Ausübung des Ermessens in den Urteilsgründen bei der Einziehung von Tatmitteln als Teil der Strafbemessung abhängig ist von den den jeweiligen Angeklagten betreffenden Umständen des konkreten Einzelfalls, darunter dem Wert des Einziehungsobjekts und dessen Relevanz für das Tathandeln des von der Entscheidung betroffenen Angeklagten. Sie ergibt sich mithin aus individuellen Erwägungen (vgl. zu diesen , NStZ-RR 2014, 15).
18Der Senat ist ungeachtet des auf eine Revisionserstreckung nach § 357 Satz 1 StPO gerichteten Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, eine solche im Beschlusswege abzulehnen. Denn insofern erfolgt keine (teilweise) Revisionsverwerfung, die gemäß § 349 Abs. 2 StPO nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch Beschluss möglich ist, weil der betreffende Nichtrevident kein Rechtsmittel eingelegt hat. § 349 Abs. 5 StPO schließt lediglich eine Beschlussentscheidung zu Ungunsten des revidierenden Angeklagten gegen den Antrag der Staatsanwaltschaft aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565 Rn. 10; vom - 4 StR 431/06, juris Rn. 17; vom - 4 StR 318/03, NStZ-RR 2004, 45, 46).
19c) Die in Bezug auf die vorgenannten Einziehungsentscheidungen getroffenen Feststellungen, namentlich zum Verkaufspreis von mindestens 70 € pro Gramm Kokain und zum Eigentum des Angeklagten A. K. an dem E-Bike und dem Pkw Mercedes-Benz, sind von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen; sie haben daher Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen und wird dies in Bezug auf die vom Angeklagten und den Nichtrevidenten jeweils in eigener Person vereinnahmten Verkaufserlöse auch zu tun haben, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.
Schäfer Berg Erbguth
Kreicker Voigt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250624B3STR93.24.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-73716