Investmentsteuergesetz | Unionsrechtswidrigkeit der Besteuerung ausländischer Fonds nach dem InvStG 2004 (BFH)
Der Ausschluss ausländischer Fonds von den für inländische Fonds geltenden Regelungen des § 11 Abs. 1 und 2 des Investmentsteuergesetzes 2004 verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Deshalb hat ein ausländischer Investmentfonds, der unter der Geltung des Investmentsteuergesetzes 2004 mit Kapitalertragsteuer belastete Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezogen hat, einen Anspruch auf Erstattung der unionsrechtswidrig erhobenen Kapitalertragsteuer (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG in der für die Jahre 2008 bis 2013 (Streitjahre) jeweils geltenden Fassung (InvStG 2004) mit der Kapitalverkehrsfreiheit unvereinbar ist und einem ausländischen Investmentfonds ein auf das Unionsrecht gestützter und verzinslicher (Kapitalertragsteuer-)Erstattungsanspruch zusteht:
Ein französischer Investmentfonds hatte in mehreren Jahren Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezogen. Auf diese Einkünfte war jeweils Kapitalertragsteuer einbehalten und an die deutschen Finanzbehörden abgeführt worden. Der Fonds beantragte später die Erstattung dieser Steuern. Zur Begründung führte er an, dass ein inländischer Fonds steuerbefreit sei und keine Kapitalertragsteuer anfalle. Die im deutschen Investmentsteuerrecht angelegte Ungleichbehandlung zwischen einem in- und einem ausländischen Fonds sei nicht zu rechtfertigen. Das zunächst angerufene Finanzgericht folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage ab (, s. hierzu Lieber, IWB 6/2020 S. 210 sowie unsere Online-Nachricht v. 4.3.2020).
Die Richter des BFH sahen dies anders:
Auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH müssen auch einem ausländischen Fonds die in § 11 InvStG 2004 geregelten Steuervergünstigungen zugestanden werden.
Da inländische Fonds im Ergebnis keine Steuer auf die von ihnen erzielten Dividenden zu zahlen haben, dürfen ausländische Fonds nicht schlechter behandelt werden. Ansonsten ist die im Unionsrecht verbürgte Freiheit des Kapitalverkehrs verletzt.
Dass nach den deutschen Gesetzesregelungen die Besteuerung bei den Anlegern des steuerbefreiten inländischen Fonds „nachgeholt“ wird, während diese Folge am Sitz des klagenden Fonds nicht sichergestellt war, ist im Ergebnis unbeachtlich.
Die bei der Ausschüttung an den ausländischen Fonds angefallene Kapitalertragsteuer muss daher an diesen zurückerstattet werden. Auch dies ist Folge der Rechtsprechung des EuGH. Außerdem ist der Erstattungsanspruch im Grundsatz mit 6 % p.a. zu verzinsen.
Zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs muss der ausländische Investmentfonds innerhalb der Festsetzungsfrist einen Freistellungsbescheid beantragen. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Kapitalerträge zugeflossen sind (2. Leitsatz der Entscheidung).
Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum das InvStG reformiert. Seitdem werden sowohl inländische als auch ausländische Fonds einheitlich mit Ertragsteuer belastet.
Die Entscheidung ist von beträchtlicher finanzieller Tragweite, da zahlreiche ausländische Fonds vergleichbare Erstattungsanträge gestellt haben, die sich nach Schätzungen des Bundesrechnungshofs auf eine Gesamtsumme im Milliardenbereich belaufen.
Quelle: sowie Pressemitteilung v. (il)
Fundstelle(n):
QAAAJ-73687