Verfahrensrecht | Aussetzungszinsen von 0,5 Prozent/Monat möglicherweise verfassungswidrig (BFH)
Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 237 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO seit dem bis zum insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als der Zinsberechnung für die Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung (AdV) ein Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat zugrunde gelegt wird (, veröffentlicht am ).
Hintergrund: Einspruch und Klage haben im Steuerrecht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, d.h. die Erhebung einer Abgabe wird nicht aufgehalten und der Steuerpflichtige muss die festgesetzte Steuer zunächst zahlen. Die aufschiebende Wirkung von Einspruch und Klage kann aber in einem summarischen Verfahren auf Antrag bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids von Finanzamt oder Finanzgericht gesondert durch die Aussetzung der Vollziehung (AdV) angeordnet werden. Für den Steuerpflichtigen bedeutet das einerseits, dass er die Steuer zunächst nicht zahlen muss. Andererseits droht ihm eine Belastung mit Zinsen, wenn sein Rechtsmittel endgültig ohne Erfolg bleibt und er die Steuer „nachträglich“ zahlen muss. Er hat dann nämlich für die Dauer der AdV und in Höhe des ausgesetzten Steuerbetrags Zinsen in Höhe von einhalb Prozent pro Monat, also 6 % pro Jahr zu entrichten (Aussetzungszinsen, § 237 i.V.m. 238 Abs. 1 Satz 1 AO).
Mit Beschluss vom - 1 BvR 2237/14 (BVerfGE 158, 282) hat das BVerfG die Vollverzinsung in dieser Höhe (§ 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) ab dem für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt, dies aber nicht auf die Aussetzungszinsen und andere Teilverzinsungstatbestände erstreckt (s. hierzu u.a. Fischer, sowie Roth/Kollmann, ).
Sachverhalt: Der Kläger hatte seinen Einkommensteuerbescheid 2012 angefochten. Dessen Vollziehung setzte das FA aus. Die Klage war erfolglos. Aussetzungszinsen von 0,5 Prozent wurden für 78 Monate festgesetzt, u.a. für den Zeitraum von bis zum . Der Kläger wandte sich gegen die Zinsfestsetzung, in erster Instanz ohne Erfolg (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 3.4.2023).
Die Richter des VIII. Senats des BFH dagegen halten den Zinssatz für die Zinsen bei AdV im Zeitraum vom bis zum mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar:
Zumindest während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase ist der gesetzliche Zinssatz der Höhe nach evident nicht (mehr) erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung typischerweise erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen.
Zudem werden Steuerpflichtige, die Zinsen schulden, weil sie die Steuer nach AdV nicht bezahlt haben, und Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen entrichten müssen, weil ihre Steuerfestsetzung zu einem Unterschiedsbetrag (§ 233a Abs. 3 AO) geführt hat und sie die materiell-rechtlich von Anfang an geschuldete Steuer deshalb erst später zahlen müssen, ungleich behandelt.
Denn Nachzahlungszinsen werden seit dem lediglich mit einem Zinssatz von 0,15 Prozent für jeden Monat, also 1,8 % p.a. berechnet. Auch diese Zinssatzspreizung ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Quelle: sowie Pressemitteilung v. (il)
Fundstelle(n):
MAAAJ-73684